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Porträt eines Freundes

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„Ich habe dieses Buch der Erinnerung und des Gedenkens o unbekannter Leser, nicht begonnen, um ungedruckte oder verborgene Dinge zu enthüllen. Über die private Sphäre Papst Paul VI. weiß ich fast nichts. Es sei denn, daß ich ihn liebe. Was ich in alle Sprachen vernehmbar machen möchte ist dies: daß das Mysterium, das wir in uns tragen, das Mysterium des .Menschen, der in diese Welt gekommen ist' auf eine tiefere Weise gelebt wird von dem, der den Namen trägt, Vater und Diener der Diener.“

Dieses Wort des Autors über die Absicht, die ihn zur Verfassung dieses Buches veranlaßt hat, ist eine Absage an Enthüllungen über Paul VI., den regierenden Papst. Es ist ein philosophisches Buch, ein Buch von einem Philosophen über philosphische Gespräche mit einem Freund. Jean Guitton ist Professor an der Sorbonne und Mitglied der Academie Francaise, seit 17 Jahren mit dem Heiligen Vater befreundet. In dieser Zeit führte er eine Fülle von Gesprächen, über die er begann, sich eines Tages Notizen zu machen, und die er nun geschrieben in Buchform veröffentlichte. „Allzu gut hast Du über Uns geschrieben“ telegraphierte Papst Paul VI. dem Autor nach Erhalt des Manuskriptes, das mit seiner Erlaubnis veröffentlicht wurde.

Im Mittelpunkt steht der Mensch Giovanni Battista Montini, wie er aus den Gesprächen mit seinen Freunden, seinen Verwandten und den Themen, die ihn bewegen, hervortritt.

Zwei Züge betont der Autor im besonderen: Der Papst ist ein echtes Kind unserer Zeit. Er steht nicht wie seine Vorgänger außerhalb der Zeit, sondern in ihr mit all ihren Nöten und Sorgen. Vielleicht ist auch das enge Verhältnis des Papstes zu Künstlern ein Hinweis auf diese Linie in seinem Wesen. Ein anderes Mal sagt der Autor, Montini hätte sich nicht zum Priester berufen gefühlt, wäre sicher ein guter Journalist geworden.

Der andere Grundzug in seinem Wesen ist der Priester und Seelsorger Montini: „Wenn es etwas Schöneres gibt, (das das Herz des Papstes und Bischofs mit Freude zu erfüllen vermag, dann ist es der Anblick eines armen Priesters, bekleidet mit einer abgenützten Soutane, die Knöpfe abgerissen, inmitten einer Gruppe von Jugendlichen, die mit ihm spielen, die studieren und nachdenken, was das Leben ist, die ihn freudig aufnehmen und an ihn glauben“, sagt der Papst seinem Freund. Obwohl er die längste Zeit seines Priesterlebens fem der unmittelbaren Seelsorge im diplomatischen Dienst stand, fühlte sich der Papst immer als Seelsorger, als Studentenseelsorger in der Katholischen Aktion Italiens, als Erzbischof von

Mailand, der sich besonders um die Arbeiter bemühte.

Nicht zufällig steht der „Dialog über den Dialog“ in der Mitte des Buches. Der Papst, dessen erste Enzyklika über den Dialog handelte, hat ein ganz besonderes Verhältnis zu dieser Form menschlichen Gesprächs. Für ihn ist der Dialog nicht Zweck, sondern Mittel zur Suche nach der Wahrheit. Diese Auffassung vom Dialog durchzieht auch die anderen Dialoge, von denen in diesem Buch geschrieben wird. Der Papst hört zu, er sucht die Welt zu verstehen, er repräsentiert aber bewußt die Tradition. Dabei versucht er, allen alles zu werden eine der vielen Parallelen zu seinem Namenspatron Paulus. Auch Paulus dialogisiert mit allen. Der Papst ist jedoch vorsichtig, seine Selbstbeherrschung ist eine Frucht der vielen Jahre im diplomatischen Dienst. Vielleicht ist überhaupt seine Zurückhaltung und der Mangel an Spontanität eine der hervorstechendsten Eigenschaften, die ihn von seinem Vorgänger Johannes XXIII. unterscheidet. Er muß ordnen und verarbeiten, was unter Johannes aufgebrochen ist.

Dialog über einige Vorlieben nennt der Autor die Gespräche über Dante und die „Göttliche Komödie“, über Shakespeare, über den heiligen Augustinus und über Kardinal New-man — Vorlieben, die die Person des Papstes von der Seite seiner literarischen Interessen beleuchten. Die Gedanken über die brennenden Fragen der Menschheit werfen von einer anderen Seite das Licht auf den Mann, von dem die Menschen als dem höchsten Repräsentanten der Kirche Antwort auf ihre Probleme erwarten. Die großen Fragen des Konzils sind auch die Fragen des Papstes, Kirche und Sozialismus, der Friede in der Welt, das Verhältnis zu den anderen Religionen.

Im Konzil selbst sieht der Papst mehr den Aufbruch der Kirche zu neuen Dimensionen als die Einzelfragen. Die Sorge, die Kirche gebe die Wahrheit auf, um der Welt ähnlich zu werden, widerlegt er mit dem Hinweis, daß die Kirche nun eine Seite betont habe, die bisher zu kurz gekommen sei. Aus den Gedanken des Papstes zu all diesen Fragen wird die Sorge des Mannes spürbar, der sich mit größerer Verantwortung als andere Menschen belastet weiß. Die, Gespräche mit ihm bringen ihn uns näher.

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