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Priester in unserer Zeit

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Jacques Duquesne will in seinem Werk „Die Priester“ keine theologische Abhandlung über das Priestertum geben, sondern versucht als Laie auf der Grundlage zahlreicher Gespräche mit Priestern, Nichtkatholiken und Katholiken den Priester besser kennen und verstehen zu lernen. Sein Buch bietet eine Fülle statistischen Materials und überzeugt nicht allein durch Argumente, sondern vor allem durch Tatsachen, die kein realistisch denkender Mensch übersehen darf. Zunächst wird ein Priesterbild angegriffen, wie es in der Vergangenheit nur zu gern gesehen und gelebt wurde: der Priester als „Standesperson“, der ebenso zum Dorf gehört wie der Bürgermeister und der Gendarm. Es entstand zwischen Priester und Gemeinde eine immer tiefere und unüberbrückbarere Kluft, die sich für die Kirche im Laufe ihrer Geschichte unheilvoll auswirkte. Der Priester unserer Zeit muß in die Welt hinaustreten und sich bemühen, sie möglichst gut zu verstehen. Denn was will denn Christus mit Seinem Beispiel und mit Seiner Lehre anderes sagen?

Schwierigkeiten bei den praktizierenden Katholiken

Erstaunlicherweise bereitet der praktizierende Katholik dem „neuen Priestertyp“ die größten Schwierigkeiten. Es entsteht eine Art „neuer Inquisition“, die sorgsam darüber wacht, daß sich der Priester weiterhin als Standesperson benimmt und sich von der Welt distanziert. Man scheut oft auch nicht davor zurück, den Priester zu denunzieren, und findet bei zuständigen Stellen leider manchmal sogar noch Gehör. Diese Fehlhaltung dürfte vor allem auf mangelnde religiöse Einsicht und Bildung zurückzuführen sein, die weder echte Tradition — vieles, was für Tradition gehalten wird, ist ja oft nur eine Fehlentwicklung — noch das gute Neue wahrhaben wollen.

Größte Bedeutung mißt Duquesne Priestergemeinschaften bei. Es gibt für den Priester keine größere Gefahr als Einsamkeit und Ausge- geschlossenheit von der Welt. Aus diesem Grunde werden in Frankreich bereits mehrere Pfarreien zu einem größeren Gebiet zusammen- gschlossen: Die Priester kommen zusammen, legen gemeinsame „Marschrouten“ fest, besprechen miteinander die Predigt und seelsorgliche Probleme, beten gemeinsam und führen eine echt brüderliche Tischgemeinschaft. Sicherlich wird es auch da Krisen und Schwierigkeiten geben; wo gibt es die schon nicht! Auch ein innigerer Dialog mit dem Bischof wird ernstlich gesucht, der jedoch wegen der Überlastung beider Teile häufig erschwert ist.

Notwendige Abgrenzung zwischen Priestern und Laien

Der Verfasser geht weiter den Ursachen der Nachwuchskrise im Priesterberuf nach. Die Gründe für diese

Krise sind sehr verschiedenartig: schwache Geburtenjahrgänge, Dechristianisierung weiter Gebiete, Einfluß des sozialen Klimas und der häufig entchristlichten Familien, abschreckendes Beispiel der Seminare mit ihren starren, weltfremden Hausordnungen usw. Nicht selten hört man auch das Argument, man könne ja auch als Laie apostolisch wirken, was im Priester- und Ordensstand bei der reichen administrativen Tätigkeit gar nicht so selbstverständlich zu sein scheint; denn Hauptantriebsfeder, Priester zu werden, bleibt weiterhin vor allem das apostolische Wirken. Scheint diese Möglichkeit nicht gegeben, schwanken die jungen Leute. Es wäre tatsächlich eine wichtige Arbeit für die Zukunft, das Spezifische des Priestertums klarer herauszustellen, die Grenzen zwischen Laien- und Priesterstand schärfer zu ziehen, nicht um eine unnötige Trennmauer aufzurichten, sondern um fruchtlose Kompetenzstreitigkeiten zu vermeiden. Diese Trennungslinie darf aber nicht im Stand begründet sein — das wäre ein Rückschritt zum alten, hoffentlich bald überwundenen Prie-

stertyp —, sondern vor allem im Aufgabenbereich. Der Dialog mit der Welt darf sicher nicht in eine Gleichmacherei ausarten, die sich schließlich für den Nachwuchs verhängnisvoll auswirken würde.

Der Priester unserer Tage bedarf bei den wachsenden Anforderungen, die die heutige Welt an ihn stellt, einer soliden, gründlichen Ausbildung, die sich nicht, nur im engen Rahmen mittelalterlicher Denksysteme bewegt, sondern auf die technisierte Zeit abgestimmt ist. Leider nehmen viele Geistliche am geistigen Leben der Öffentlichkeit wenig Anteil, und es sind immer die-, selben, die bei Tagungen, Schulungswochen, theologischen Kreise® anzu-

treffen sind und die möglichst oft zu einem theologischen Buch greifen. Der Priester, der seinen Beruf ernst nimmt, wird es sich — ähnlich dem Arzt — kaum leisten können, Heü- methoden anzuwenden, die veraltet oder gar schädlich sind. Er muß sich den neuzeitlichen geistigen Strömungen öffnen, wenn er als Priester existieren will. Frömmigkeit und Heiligkeit allein genügen leider nicht; jeder muß mit seinem Talent

— hier wörtlich zu nehmen — wirtschaften, so gut er kann.

Vertiefung des religiösen Lebens

Trotzdem besteht nach wie vor auch der Drang zur Vertiefung des religiösen Lebens, ja wird sogar intensiviert. Die i Säkularinstitute legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Auch die Orden, sogar die kontemplativer Richtung, gewinnen ständig an Bedeutung, selbst wenn manche bisweilen mit Existenzschwierigkeiten zu kämpfen haben. Diese Vertiefung des geistlichen Lebens muß aber letztlich dem Dialog mit der Welt dienen.

Die Gedanken, die Duquense in seinem Buch darlegt, sind nicht in erster Linie revolutionierend, sie sind biblischen Ursprungs, Botschaft Christi, der ewigen, unveränderlichen Wahrheit. Sein Buch ist aber eine ernste Mahnung für heute und für die Zukunft, die Botschaft Christi an unsere Zeit endlich erst zu nehmen, sie neu zu entdecken. „Die Kirche weiß“, so schreibt der Verfasser, „daß ihr Platz nicht außerhalb dieser Welt sein kann, soll ihr Anruf die Welt erreichen. Sie muß mitten in der Welt stehen. Da aber die Welt sich wandelt, muß auch die Kirche ihre Methoden und Strukturen ändern. Das bedeutet, daß der Priester nicht mehr abseits stehen kann. Soll er eine Verbindung zwischen Gott und den Menschen her- stellen, muß er Mensch unter Menschen sein“ (Seite 343). Wer den Priester unserer Zeit besser verstehen will — auch wenn Duquesne in erster Linie den französischen Klerus vor Augen hat, das meiste trifft auch für unsere Verhältnisse zu — und wem am Dialog mit der modernen Welt etwas liegt, wird sehr gerne zu diesem Buch greifen.

1 DIE PRIESTER. Struktur, Krise und Erneuerung. Von Jacques

Duquesne, aus dem Französischen übertragen von Ilse ElIme- rich. 360 Seiten, Ganzleinen, S 136.—. Verlag Fritz Molden, Wien.

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