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Priesterberuf in kritischer Zeit

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In einem Festakt zum 50-Jahr-Jubiläum des österreichischen „Cani- siuswerkes zur Heranbildung katholischer Priester" befafjte sich Kardinal Dr. Franz König in einer Ansprache mit einigen, heute vieldiskutierten, Problemen der Priesterausbildung, des Priesterbildes und der Nach wuchskrise in den geistlichen Berufen. Wir geben im folgenden zwei Kernstücke dieses Vortrages im Wortlaut wieder.

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In einem Festakt zum 50-Jahr-Jubiläum des österreichischen „Cani- siuswerkes zur Heranbildung katholischer Priester" befafjte sich Kardinal Dr. Franz König in einer Ansprache mit einigen, heute vieldiskutierten, Problemen der Priesterausbildung, des Priesterbildes und der Nach wuchskrise in den geistlichen Berufen. Wir geben im folgenden zwei Kernstücke dieses Vortrages im Wortlaut wieder.

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In den letzten Jahrzehnten hat sich — schneller und rascher als je zuvor — ein Umwandlungsprozeß in der menschlichen Gesellschaft vollzogen, der die bisherigen Lebens-, Gesellschafts- und auch Denkformen in nicht wenigen Dingen in Frage stellt. Wir dürfen uns nicht darüber wundern, daß auch die Kirche davon betroffen ist. Im Konzil hat sie versucht, ihren eigenen Standort in dieser neuen Welt zu finden, ihre eigene Lebens- und Wirkweise mit ihr zu konfrontieren, neue Wege zu suchen, um ihre Sendung in dieser unseren Welt erfüllen zu können.

Noch stehen wir mitten in diesem Prozeß der Neuorientierung.

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach dem Priestertum und nach dem Ordensleben neu gestellt. Die Diskussion um ein neues Priesterbild ist allenthalben im Gange. Die Frage, ob die überlieferte Form des Priestertums die einzig denkbare, ja den gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen unserer Zeit entsprechend ist, das Wird weit über die Kreise der Theologen hinaus heute diskutiert. Ja, manchmal kann man sogar die Frage hören, ob denn die Kirche von morgen überhaupt noch den geweihten Priester braucht, ob neben dem gemeinsamen sogenannten allgemeinen Priestertum, das dem ganzen Gottesvolk zukommt, das Amtspriestertum morgen überhaupt noch einen legitimen Platz hat. Man kann die Frage hören, ob man vor allem den hauptberuflichen, in totaler Hingabe engagierten Priester braucht, oder ob das Priestertum nicht auch als zusätzliche Funktion neben Zivilberuf und Familie ausgeübt werden könne.

Daß es manche junge Menschen bėi dieser Unsicherheit nicht wagen, sich dem geistlichen Beruf zuzuwenden, und daß die Zahl der Kandidaten größer geworden ist, die den bereits begonnenen Weg zum Priestertum aufgeben, und aus dem Seminar austreten, das darf uns nicht überraschen.

Ein falsches Bild

Leider wirkt sich diese Unsicherheit noch schmerzlicher aus. Sie hat auch einzelne erfaßt, die bereits Priester und Ordensleute sind und die sich auf einmal ihres Berufes nicht mehr sicher sind. Sie glauben, ihr Priesteramt aufgeben zu müssen, um einen anderen Weg einzuschlagen. Es haben sich die Fälle gemehrt, daß Priester und Ordensleute sich in den Laienstand zurückversetzen lassen und heiraten. Die bekannte Sensationspresse spielt diese Fälle mit Freude in den Vordergrund, so daß in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entsteht. Denn der aller größte Teil unserer Priester und Ordensleute lebt nämlich nach wie vor mit ganzer Treue und Hingabe seiner Berufung. Ich kann mir wohl vorstellen, welchen Schock, welche Unsicherheit und Verwirrung es für eine gläubige Gemeinde bedeutet, wenn ein vielleicht angesehener und beliebter Seelsorger plötzlich seinen Dienst nicht weiter erfüllen will. So schmerzlich uns auch solche Fälle berühren — wir wollen die freie Entscheidung eines reifen Menschen achten, auch wenn wir diese Entscheidung nicht begreifen und nicht billigen können, so wollen wir doch keine Steine werfen, sondern auch in einem solch schmerzlichen Falle in brüderlicher Liebe und Verantwortung den weiteren Lebensweg eines solchen Menschen mit unserem Gebet und unserer Sorge begleiten. Wir wollen uns aber davor hüten, wegen einzelner negativer Erfahrungen das Priesteramt als solches in Frage zu Stellen. Denn wir sind ja nicht berechtigt, deswegen, weil es gescheiterte Ehen gibt, die Ehe selber, ihr Wesen und ihre Bedeutung in Frage zu stellen ...

... Die Kirche, die Christi Kirche sein will, braucht die geweihten Priester, sie braucht sie heute angesichts der gewaltigen seelsorglichen Aufgaben noch mehr als früher.

Dem Priestertum ist in den Wandlungen dieser Zeit eigentlich nichts anderes widerfahren, als was der Kirche selber widerfahren ist. Die Kirche ist ihrer äußeren Machtposition entkleidet worden und steht nun reiner und klarer vor der Welt da als das, was sie ihrem unverlierbaren Wesen näch ist. nämlich als Zeichen der dienenden Liebe Christi. Sie hat damit in der Achtung der Welt keineswegs verloren, im Gegenteil, sie hat neues Ansehen gewonnen.

So ähnlich ergeht es auch dem Priestertum unserer Kirche, es hat durch die gesellschaftlichen Entwicklungen manches an äußerem Prestige und Ansehen verloren. Der Weg zum Priestertum bedeutet nicht mehr wie früher sozialen Aufstieg, er ist kein Bildungsprivileg und gibt keine Führungsrolle im politischen und kulturellen profanwissenschaftlichen, vor allem auch nicht im wirtschaftlichen Leben. Damit haben sich ohne Zweifel manche Züge im Bild des Priesters von heute geändert und sind daher manche Fragen mit Recht neu gestellt worden, die noch nicht restlos beantwortet werden können. Ich meine die Frage, welche Stellung der Priester in der heutigen Gesellschaft innehat, welches sein Lebensstil unter den Menschen von heute ist, welche Möglichkeiten er inmitten dieser Welt wahrnehmen soll, um in der Welt und doch nicht von dieser Welt zu sein.

In all den Wandlungen ist eines besonders deutlich geworden, was das Priestertum in seinem Wesen ist. Der Priester 1st Mittler zwischen Gott und den Menschen und hat daher in besonderer Weise einen

Dienst an den Menschen zu erfüllen. Es ist ein Dienst, der über alle anderen sehr notwendigen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, politischen Dienste hinausgeht: der Dienst am Heil der Menschen. Es ist ein Dienst, durch den der sichtbar und wirksam werden soll, der gekommen ist, nicht um bedient zu werden, sondern um zu dienen und um Sein Leben hinzugeben für die vielen: Jesus Christus, der einzige und wahre Priester.

Gewiß kommt die Teilnahme am Priestertum Christi der ganzen Kirche, dem ganzen Gottesvolke zu. Es ist ein bemerkenswertes Verdienst des Konzils, daß es in seinen Dekreten dieses allgemeine, gemeinsame

Priestertum aller Gläubigen wieder ins volle Licht gerückt hat. Es wäre auf der anderen Seite aber ein großes Mißverständnis, wenn man daraus folgern wollte, daß für das Amt des geweihten Priesters damit kein Platz und kein Bedarf mehr sei. Im Gegenteil: die gleichen Konzilstexte heben sehr eindeutig seine Notwendigkeit hervor. Im Amtspriestertum findet das gemeinsame Priestertum des Gottesvolkes seine Vollendung, seine volle Ausprägung, ja seine notwendige Voraussetzung und Ergänzung.

Denn gerade um dieses priesterliche Gottesvolk aufzubauen, zu lehren, zu nähren, zu leiten, hat Christus in Seiiner Kirche das apostolische Amt eingeführt, das in ununterbrochener Amtsfolge den Bischöfen übertragen ist und an dem die Priester durch die Handauflegung bei der Weihe Anteil erhalten. Dadurch sind sie befähigt, bevollmächtigt und gesegnet, in echter Stellvertretung Christi, des Hauptes der Kirche, diesem Volke Gottes in den Gemeinden vorzustehen und es zu leiten. Dieser Dienst der Leitung wirkt sich vor allem in den wesentlichen Lebensfunktionen aus, aus denen die Kirche lebt und in denen sie sich aufbaut: das heißt, in der Verkündigung der Botschaft Christi, in der Feier der Liturgie, vor allem der Eucharistie als Mitte und wichtigster Quelle des Lebens der christlichen Gemeinde — und in der Liebestätigkeit der Caritas. Dieser Dienst des geweihten Amtspriesters ist für die Kirche wesensnotwendig — für die Kirche von morgen genauso wie für die Kirche von heute und gestern.

Natürlich ist jedes Glied des Gottesvolkes, auch der Laie, auf Grund des Tauf- und Firmungsauftrages gerufen, am Aufbau und am Lebensvollzug der Kirche aktiv und mitverantwortlich teilzunehmen. Aber damit 1st kein Gegensatz zum Amtspriestertum gemeint, sondern eine echte Ergänzung. Es geht um ein Miteinander, bei dem das eine das •andere braucht und voräüssetzt und zum Dienste am Ganzen bestimmt ist.

Das priesterliche Amt fordert von dem Berufenen in seinem innersten Wesen eine totale Bereitschaft und Verfügbarkeit für den aufgetragenen Dienst. Es ist ein Beruf, der das ganze Engagement des Lebens und das ganze Herz einfordert. Man kann heulte manchmal in Wort und Schrift hören, daß es neben dem Priestertum des totalen Lebenseinsatzes auch das nebenberufliche Priestertum —• neben einem weltlichen Beruf und der Familie — geben solle. Dadurch könne man den gegenwärtigen Engpaß leichter überbrücken. Wir wollen in Österreich in der nächsten Zeit einen anderen Weg einscb gen, wir wollen das Amt des geweihten Diakons erneuern, der sein Amt haupt- oder nebenberuflich, ehelos oder verheiratet, ausüben kann und dem Priester in der Erfüllung wesentlicher Aufgaben zur Seite stehen und Dienste leisten soll — die auch der verantwortlichen Mitarbeit der Laien nicht möglich sind.

Ich glaube nicht, daß man junge Menschen für den priesterlichen Dienst gewinnt und dafür begeistert, wenn man ihnen ein in wesentlichen Zügen verkürztes Priesterbild vor Augen stellt. Ich glaube viel eher, daß auch heute junge Menschen vielmehr von der ganzen Konsequenz und von der Totalität des Rufes Christi, von einem Priesterbild angesprochen werden, das sie ganz fordert und darum auch ganz erfüllen kann. Ich bin überzeugt, daß es auch beim Ordensstand nicht anders ist. Bei aller notwendigen Reform und Anpassung an die Zeit wird er nämlich nur anziehend sein, wenn er in seinem eigentlichen Wesenskern sichtbar ist, in der zeitgemäßen Lebensform der evangelischen Räte Christus nachzufolgen und ihn unter den Menschen sichtbar zu machen — und so in totaler Bereitschaft für den Dienst an den Menschen zur Verfügung zu stehen.

Wenn wir das Priestertum nicht als eine bloße Funktion sehen, die auf natürlichen Anlagen und Kenntnissen ausschließlich aufbaut, dann ist damit auch die Frage behandelt, ob es zur Ausbildung der Priesterberufe noch ein Priesterseminar braucht. Auch wenn man heute überlegen und überprüfen muß, mit welchen Methoden das Priester- seminar zpm Ziele führen kann, seine Existenzberechtigung und Notwendigkeit kann keinesfalls bestritten werden. Mehr noch als die Notwendigkeit des Priesterseminars wird von manchen Seiten heute die Berechtigung des kleinen Seminars angezweifelt. Auch hier ist es not- wenig, die Erziehungsmethoden und Lebensgestaltung stets neu nach pädagogischen und psychologischen Erfordernissen zu überdenken. Vor allem muß die volle Freiheit der Berufsentscheidung gewahrt bleiben. Ich möchte es aber hier Offen aussprechen, daß auch die kleinen Seminarian für das Anliegen des Priesternachwuchses auch sehr wertvoll und in unseren Gebieten eine notwendige Einrichtung sind. Gewiß ist es nicht der einzige Weg zum Priestertum. Aber die Tatsachen sprechen dafür, daß viele nicht zum Priestertum kämen, wenn es diesen Weg nicht gäbe. Die kleinen Seminarien bereiten die inneren Vorausetzungen, damit sich echte Berufe entfalten können, die für viele sonst nicht gegeben wären.

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