Priestertum hat mehr Fantasie verdient

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Nach dem Zusammenbruch der ehemals eindrucksvollen kirchlichen Machtkathedralen rutscht die Berufsrolle des katholischen Priesters in ein Anerkennungsdefizit. Priester heute sollten Priester des Volkes Gottes sein.

In einer offenen Gesellschaft kommt es nicht so sehr darauf an, wie man sich selber versteht, als vielmehr darauf, wie man von anderen wahrgenommen wird. Entscheidend ist, wie das eigene Selbstverständnis, das eigene Handeln und die Fremdwahrnehmung zusammenspielen und welche Wirkungen dieses Zusammenspiel entfaltet.

Priester sind in der katholischen Kirche theologisch wie rechtlich hoch privilegiert. Streng zur Einhaltung einer spezifischen Standesethik angehalten, die den Verzicht auf sexuelle Selbstbestimmung, persönliche Frömmigkeit, Demut, Gehorsam und diskrete Führungsqualität forderte, bekam der Priester dafür früher auch einiges: Status und Macht, Ansehen und Heimat und auch eine Erwählungsprädikation.

Doch seine konkrete Berufsrolle rutscht nach dem Zusammenbruch der ehemals so eindrucksvollen kirchlichen Machtkathedralen in ein Anerkennungsdefizit. Heute schlagen dem Priester zudem ganz unterschiedliche Erwartungen entgegen: zum einen die noch vor- oder schon wieder postmoderne Erwartung, sakral legitimierter Heilsvermittler zu sein, dann die Forderungen der kirchlichen Vorgesetzten, als erfolgreicher Vor-Ort-Manager der Kirche zu agieren, und schließlich die Hoffnungen von Gläubigen und selbst von Nichtgläubigen auf religiös-therapeutische Lebensbegleitung.

Einige Initiativen der Kirchenleitung laufen nun darauf hinaus, die ins Schwimmen gekommene priesterliche Identität wieder durch die Einschärfung alter Distanz- und Privilegierungsregelungen gegenüber Laien zu stabilisieren. Diese Initiativen dürften kontraproduktiv gegenüber ihren eigenen Intentionen sein und damit schädlich zuletzt für die Priester selber. Ekklesiologisch sind solche Versuche problematisch, denn sie definieren die Ämter und Dienste der Kirche gegeneinander, was die Einheit der Kirche gefährdet. Priester gibt es aber nicht trotz oder gar gegen, sondern wegen des gemeinsamen Priestertums des Volkes Gottes. Solche Initiativen senden zudem eine höchst ambivalente Doppelbotschaft: Wer so gestärkt werden muss, ist offenkundig gefährdet, wer diese rechtliche, ständisch denkende Unterstützung braucht, wird als schwach identifizierbar.

Der Priester "ist die Person, in der Kirche ihre Eigenständigkeit und Eigenverwaltung vor Ort behauptet - … in einem religiösen Sinn - auf sakramentaler Ebene.“ Ein sakramentales Konzept hat im Christentum aber, so Elmar Klinger, die Vorrangsstellung des Untergeordneten und die Unterordnung des Vorrangigen zu betonen. "Es hat grundsätzlich missionarischen Charakter und somit apostolische Qualität.“ Es scheint notwendig, das Verhältnis von Jurisdiktion und Sakramentalität kreativ, aufgaben- und situationsbezogen weiter zu schreiben. Denn sakramentale und jurisdiktionelle Ordnung der Kirche sind durchaus nicht identisch und haben eine spezifische Geschichte miteinander. Sie ist nicht zu Ende.

Das katholische Weihepriestertum jedenfalls hat mehr Fantasie und Kreativität verdient, als gegenwärtig in seine Weiterentwicklung investiert wird. Dass es so etwas wie ein Weihepriestertum im Volk Gottes gibt, ist eine wirkliche Chance. Es ist die personale Institutionalisierung des Glaubens des Volkes Gottes an die größere Gnade Gottes. Es ist die feierliche Institutionalisierung des Glaubens, dass Gott sich den Menschen unwiderruflich und mit unkränkbarer Ausdauer zuwendet.

Vielleicht liegt die Zukunft des katholischen Weihepriestertums in seiner diakonischen Fassung: als jener Dienst in der Kirche, der die Gewissheit der Heilszusage Gottes dort verkündet und repräsentiert, wo diese Heilszusage völlig ungesichert scheint, wo sie nicht schon geglaubt wird, wo sie noch entdeckt werden muss, weil niemand sie dort zu finden meint.

Priester des Volkes Gottes

Gefährdungen - Grundlagen - Perspektiven.

Von Rainer Bucher, Echter 2010

160 Seiten, kt., e 15,30

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