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PRO & CONTRA

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So dachte Kohr

Norbert Leser (FURCHE 9/1994) hat seinen Lesern leider einiges Aktuelles von Leopold Kohrs Ansichten vorenthalten. Während Kohr im Sterben lag, setzten sich seine Landsleute, die gerade in Brüssel mit der EU verhandelten, über seine Warnungen hinweg. Schon 1941 hatte er in den USA in der katholischen Zeitschrift „The Commonweal“ unter dem Titel „Disunion now!“ vor einem europäischen Großreich gewarnt. Die britischen Beitrittspläne kommentierte er sarkastisch: „Nutdann bin ich für einen Beitritt, wenn es den Briten gelingt, das schwankende EG-Boot zu kippen.“ Jahre später stellt er fest, daß das EG-Boot „zumindest stärker schwankt – also liegt es bei Österreich, ihm den letzten Stoß zu geben“.

Leser spricht abwertend von „Kleinstaaterei“, andere warfen Kohr „Kantönligeist“ vor, als er eine Kantonisierung Europas nach Schweizer Muster fordert, um das Machtstreben großer Nationen zu beschneiden. Spät, aber doch besinnen sich nun wenigstens Kroaten und Bosnier angesichts des „Zusammenbruchs ihrer Nationen“ auf dieses Konzept. Und schließlich: Kohr zog seinen eigenen Leitspruch „Klein sein oder nicht sein“ der Version von E. F. Schumacher („small is beautiful“) vor.

Matthias Reichl

4820 Bad Ischl, Postfach 504

Kurt Krenns Ansichten

Es ist nicht einfach, den geistigen Verrenkungen des Bischofs von St. Pölten (FURCHE 10/1994) zu folgen. Was soll eigentlich das kryptische Gemurmel: „Viele Katholiken in Österreich wanderten nach rechts ab, was die Kirche zur Kenntnis nehmen müsse.“ Abgesehen davon, daß davon nichts zu bemerken ist, fragt es sich, ob denn nun die Kirche gegensteuern oder eine Wahlempfehlung für die ach so kirchenfreundliche FPÖ abgeben sollte.

Bischof Kurt Krenns Reibebaum

„Maria-Troster-Erklärung“ ist ein notwendiges pastorales Korrektiv für den durch eine verunglückte „Erleuchtung“ zustandegekommenen Passus über die Empfängnisregelung in „Humanae Vitae“. Dadurch, daß er hier immer wieder Öl ins Feuer gießt, „schwächt er“, nach den Worten Kardinal Königs, „die Aussagekraft des Papstes“. Und wenn Pater Andreas Laun sogar eine Dogmatisierung dieses Punktes herbeiwünscht, kann man nur die Zöglinge in Heiligenkreuz bedauern.

Bezüglich der wiederverheirateten schuldlos Geschiedenen, die durch Krenn als „öffentliche Sünder“ gebrandmarkt werden, wäre ein Abgehen von der bisherigen harten und inhumanen Haltung sicherlich möglich, wofür sich zuletzt ja auch sogar Bischof Klaus Küng ausgesprochen hat. Und Herrn Professor Jacob Kremer ist voll zuzustimmen!

Jetzt befürchtet Bischof Krenn wohl schon, Kardinal König (und mit ihm, aber unabhängig von ihm, mindestens drei angesehene deutsche Amtsbrüder), sei vom rechten Glauben abgefallen. Der Kardinal ist nur bei Jesus in die Lehre gegangen, der gesagt hat: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“ Man stelle sich vor: Jesus relativiert den allen gläubigen Juden hochheiligen Sabbat und tritt gegen die religiöse Autorität seines Volkes auf. Es ist ihm teuer zu stehen gekommen. Die Gesetzestreuen haben entschieden: „Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muß er sterben.“

Es gibt heute noch kirchliche Amtsträger, denen das Gesetz wichtiger ist als der Mensch. Kardinal König will bestimmt die Unauflöslichkeit der Ehe nicht antasten, sondern nur christlich mit jenen Menschen umgehen, die nicht in der Lage sind, dem Gesetz voll gerecht zu werden. Er hat verstanden, daß für Jesus ein Gesetz ohne Gnade ein Greuel ist, und daß im recht verstandenen christlichen Glauben

eben die Gnade an erster Stelle stehen muß. Wie wollen wir uns erdreisten, über andere zu Gericht zu sitzen, wenn der Gerechte sich nicht zum Richter aufwirft, sondern Retter sein will: „Ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern zu retten.“ (Joh 12,47;)

Dabei soll nochmals gesagt werden, daß es auch den „Progressiven“ nicht darum geht, irgendwelche Grundsätze aufzugeben, sondern nur darum, den wichtigsten Grundsatz – den allerdings schon seinerzeit die Pharisäer regelmäßig vergessen haben – an erster Stelle zu belassen: Liebe zu Gott und den Nächsten!

Lob und Tadel

Ich bin seit einigen Monaten Abonnent der FURCHE und möchte sie auf keinen Fall mehr missen – im Gegenteil, ich freue mich jedesmal auf Donnerstag. Ich freue mich sehr über den hohen Qualitätsstandard und die „Kulturbegeisterung“, auch wenn sich manchmal ungustiöse Artikel einschleichen, die man eher woanders suchen würde:

Wenn Gabriel Laub (FURCHE 7/1994) schreibt, er sei ein Tierliebhaber, nämlich einer, der Tiere gegrillt, gebraten oder auch gedünstet liebe, so spricht entgegen seiner „hohen“ Meinung doch gerade daraus die ekelhafte Perversität einer versnobten, übersatten Gesellschaft, die in ihrer selbstzufriedenen anthropozentrischen Hybris Leben nur als menschliches Leben definiert – und das äußerst nutzbringend-selektiv. Nach 2500 Jahren „abendländischer Kultur“ noch immer – doch nicht hoffentlich wieder! – unwürdige Barbarei. Gabriel Laub soll sich statt eines gedünsteten „heben Viehs“ doch zur Abwechslung einmal die hübsche Pyramidenform unserer Nahrungskette und die netten, gemütlichen Tierproduktionsfabriken zu Gemüte führen. Mahlzeit.

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