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Protestantische Theologie

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Ethik. Von Dietrich’ Bonhoeffer. Zu- jammengestellt und herausgegeben von Eberhard Bethge. Chr.-Kaiser-Verlag, München 1953. 300 Seiten.

Bonhoeffer war vor 1934 Privatdozent an der Berliner Universität, dann Professor am illegalen protestantischen Predigerseminar, wurde 1943 als Anhänger der Widerstandsbewegung verhaftet und 1945 im KZ gehängt. Seine Schriften zeigen ihn als Anhänger der Bekenntniskirche und als tiefen, scharfen Denker. Die Erklärung der ,,Bergpredigt” brachte er selbst noch 1934 unter dem Titel ,,Nachfolge" in Druck. Seine weiteren. Arbeiten wurden erst nach seinem Tod von Eberhard Bethge herausgegeben, nämlich seine Briefe „Widerstand und Ergebung", „Versuchung" — eine theologische Auslegung der Versuchung in der Bibel von Adam bis Christus — und das vorliegende Werk ,,Ethik". Dieses liegt bedauerlicherweise im Manuskript des Autors nicht vollendet vor, sondern nur bruchstückartig. Die Grundgedanken treten jedoch klar genug zutage.

Wer die Ethik Bonhocffers zur Hand nimmt, wird mit Freude und Hochachtung vor diesem christlichen Denker sich neigen, auch wenn er nicht in allem der gleichen Meinung ist. Bori- hoeffer sucht im ersten Teil seines Werkes den Ansatzpunkt zu einer echten und möglichen Ethik festzulegen. Er betitelt, diesen Teil mit ..Grundlagen" , und zeigt hernach an der geschichtlichen Entwicklung des Abendlandes, daß es letztlich nur eine christliche, d. h. eine an Christus orientierte Ethik geben kann. Obwohl wir in den letzten Konsequenzen mit Bonhoeffer übereinstimmen, können wir ihm aber nicht in allen seinen Ausführungen folgen. Stellt er doch das reformatorische Prinzip der „Sola-Hdes-Lehre" in den Vordergrund seiner Abhandlungen. Daraus folgt eo ipso eine durchaus pessimistische Deutung der menschlichen und mithin auch der abendländischen Geschichte. An dem Auseinanderfallen von Kirche und Welt. Christentum und Wissenschaft, Glaube und Vernunft haben gewiß auch Vertreter der katholischen Kirche ihren Anteil gehabt. Der Protestantismus aber hat diesen Riß endgültig besiegelt, indem er ihn auch dogmatisch legalisierte. Er hat die Exemtion der weltlichen Macht von der kirchlichen feierlich bestätigt und die Kirche lediglich als Gemeinschaft des „Wortes".. gelten lassen. Damit zerbrach die politische Einheit des Abendlandes, und der Nationalismus hatte freie Bahn. Der Säkularisierungsprozeß, der unsere heutige Katastrophe heraufbeschworen hat. begann nun auf allen Gebieten. Man kann wohl kaum —• wie es Bonhoeffer tut -— die Lehre der katholischen Kirche gleicherweise wie den Protestantismus als an der unheilvollen Entwicklung schuldtragend erklären. Damit soll aber nicht geleugnet werden, daß die Unzulänglichkeiten der Vertreter der katholischen Kirche zu dieser Entwicklung nicht mitb’eigetragen hätten. Falsch jedoch ist die Behauptung, daß ..die große Entdeckung Luthers von der Freiheit des Christenmenschen und d i e katholische Irrlehre von dem wesentlich Guten des Menschen gemeinsam in der Vergötterung des Menschen endigten". Wie der Gnadenstreit innerhalb der katholischen Theologie beweist, war das Kennzeichen des 16. Jahrhunderts und auch später hinauf eine Geringschätzung der Natur und ihrer moralischen Fähigkeit, die in der Folge die Vertreter der reinen Natur und ihrer Güte auf den Plan rief und damit die unheilvolle Entwicklung der vergangenen Jahrhunderte einleitete.

So fällt Bonhoeffer auch in die pessimistische These, daß es eine Ethik nur in und durch Christus gebe. Gewiß gestehen wir zu, daß nach dem Erlösungsplan Gottes die menschliche Ethik sich an Christus zu orientieren habe und nur durch ihn gesichert sei; daß es aber keine allgemeinen ethischen Prinzipien gebe, an deren Verwirklichung man glauben könne, darf daraus nicht gefolgert werden.

Anderseits können wir die Ausführungen. Bon- hoeffers nicht ernst genug nehmen, daß die einzige und volle Wirklichkeit der Welt Christus sei, und es gelte, Christi Erlösungswerk und Christi Lohre in die Welt hinein fortzusetzen, um sie zu erneuern.

Wir können auch nicht Bonhoeffers Ausführungen im Kapitel „Fortpflanzung und werdendes Leben" S. 117 bis 124 bejahen. Da er von der protestantischen Auffassung ausgeht, die Ehe sei eine res naturae und nicht ein Sakrament, ergeben sich für ihn notwendigerweise auch andere Folgerungen. Seine Ansicht über Kirche und. kirchliches Lehramt lassen ihn auch nicht begreifen, weshalb die Kirche in Ehe- und Sittlichkeitsfragen bindende Normen aufstellt. Wenn als einzige Glaubensnorm die Schrift allein und ihre freie Auslegung durch die Gläubigen Geltung hat, ist es verständlich, daß Bonhoeffer zu anderen Folgerungen kommt.

Im übrigen erweist sich aber Bonhoeffer als durchaus christlicher und konsequenter Denker und zeigt ein Ideal des sittlichen Lebens auf, wie wir es auch nicht besser dartun könnten. Im zweiten Teil behandelt Bonhoeffer den „Aufbau des persönlichen Lebens", den „Aufbau der Stände und Aemter", den „Aufbau der Gemeinschaften", den „Aufbau der Kirche" und den „Aufbau des christlichen Lebens in der Welt". Was heute auch die katholische Moral als größtes Anliegen empfindet, nämlich nicht stoische Ethik, sondern im wahren und vollen Sinn christliche und evangelische Ethik zu sein, wird hier — wenn auch unter der Voraussetzung protestantischer Grundwahrheiten — konsequent durchgeführt.

Reformatorische Einheit. Das Schriftverständnis bei Luther und Calvin. Von Hermann Nölten s- m e.i e r. Hermann Böhlaus Nachf., Graz-Köln. 95 Seiten. Preis 32 S.

Der protestantische Landessuperintendent der Evangelischen Kirchen H. B. in Oesterreich legt eine Untersuchung vor über das Schriftverständnis der beiden großen Reformatoren Luther und Calvin. Wie der Titel besagt, geht es um den Nachweis der Einheit zwischen den beiden großen Reformatoren in dem wesentlichen Punkt des Schriftverständnisses. Es wird der Nachweis erbracht, daß zwischen Calvin und Luther keine wesentlichen Gegensätze bestehen. Als Schrift, die der Einheit der Christen dienen soll, begrüßen auch wir die vorliegende Untersuchung und können nur wünschen, daß die zwischen dem Schriftverständnis der katholischen Kirche und den reformierten Kirchen bestehenden Mißverständnisse genauestens untersucht und beseitigt werden und damit der Weg zur wahren Einheit offensteht.

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