Quellen der Hoffnung

Werbung
Werbung
Werbung

Ob Tschechien-Österreich, ob Irak: Vom gefragten Mut der Kirchen.

Der Zeitpunkt war mehr als ungünstig: Die Welt und ihre Medien blickten auf den Tag drei des Irakkriegs. Bilder aus dem mehr oder weniger bombardierten Bagdad und von auf Panzern fahrenden Journalisten durch die Wüste waren en vogue. Die vier Herren in Schwarz, die sich an diesem Tag in Prag zusammengefunden hatten, fanden angesichts der weltweiten Kriegsstimmung kaum mediale Beachtung.

Dabei wäre das Anliegen der vier Bischöfe gerade in diesen Tagen wichtig, auch wenn es dort nicht um den Mittleren Osten sondern um Mitteleuropa ging: Kardinal Schönborn, Österreichs Bischofskonferenzvorsitzender und sein tschechischer Amtskollege, der Olmützer Erzbischof Jan Graubner, unterzeichneten - flankiert vom Prager Kardinal Miloslav Vlk und dem Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser - die gemeinsame Erklärung "Versöhnte Nachbarschaft im Herzen Europas". Darin wird unter anderem aus der Perspektive der leidvollen geschichtlichen Erfahrungen der Tschechen und der Österreicher (bzw. der nach Österreich Vertriebenen) für ein neues Miteinander in Europa plädiert.

Klare Option, unklare Worte

In der Erklärung fällt die klare Option der Bischöfe für den EU-Beitritt Tschechiens auf sowie die Formulierung, dass Europa "wesentliche Impulse aus den religiösen Traditionen des Christentums, des Judentums und nicht zuletzt auch des Islam" erhalten habe.

Man mag zwar kritisieren, dass die Erklärung zu den historischen Wunden wenig konkrete Worte findet (Stichwort: NS-Verbrechen, Stichwort: BeneÇs-Dekrete), und auch die Benennung von Konflikten wie Temelín sucht man vergebens. Doch dass da wesentlich mehr bischöflicher Mut möglich gewesen wäre, stellt nur eine Facette der Bewertung dar.

Wichtiger ist zweifellos, dass die Erklärung abgegeben wurde, und dass die - in diesem Fall: katholische - Kirche ihre politische Pflicht wahrnimmt, außerhalb der Geleise der Tagespolitik die Versöhnung über Grenzen hinweg weiterzutreiben.

Für das Wahrnehmen solch christlichen Uranliegens gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg beeindruckende Beispiele - etwa den Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder "Wir verzeihen und bitten um Verzeihung" im Jahr 1965, der auf dem Weg zur Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland eine wirklich markante Rolle spielte.

Pflicht zur Positionierung

Solch spektakuläre Bedeutung haben heutige Bischofserklärungen kaum mehr. Aber es war überfällig, dass das österreichisch-tschechische Verhältnis endlich auch von den Kirchen angegangen wird. (Ein ähnliches Dokument wie die Erklärung der katholischen Bischöfe hatten bereits im Oktober die Ökumenischen Räte beider Länder erarbeitet.)

Man könnte schärfer formulieren: Es ist die verdammte Pflicht der Kirchen, sich in den kleinen und großen politischen Wirren klar zu positionieren - für Versöhnung und gegen Unfriedensstifter aller Couleurs.

Die Prager Erklärung mochte vom medialen Aufmerksamkeits-Standpunkt her ungelegen kommen, sie stellt aber zweifelsohne einen weiteren Mosaikstein dar, der die Rolle der Kirchen in allen Weltlagen unterstreicht.

Was zum Verhältnis Wien-Prag also ein wenig leise über die Bühne kam, ist weltweit rund um den Krieg am Persischen Golf umso lauter hörbar. Der - im positiven Sinn - starrsinnige Einsatz des Papstes gegen die Gewalt als weltpolitisches Lösungs-Mittel und das vergleichbare Engagement unzähliger anderer Kirchen(führer) spricht jene Sprache, die den Christen zukommt.

Doch der Erfolg? Ob beispielsweise die Kronen Zeitung, hierzulande größter Keiltreiber ins Verhältnis Österreich-Tschechien, sich von den Prager Bischofsworten beeindrucken lässt? Und - Papst hin, Kirchenproteste her: George W. Bush ließ sich keineswegs abhalten, den Kriegsweg zu gehen.

Versöhnung predigen

Ein weiteres Bischofswort der letzten Tage wollte in in diesen Situationen ermutigen: Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, anglikanischer Erzbischof aus Südafrika hielt "deprimierte Kriegsgegner" zum langen Atem an und sah "Quellen der Hoffnung und der Unbeugsamkeit", die rund um den Globus zu Tage träten: Nie zuvor habe ein Krieg "derart weltumspannenden und spontanen Widerstand" ausgelöst (Tutu im Standard, 19. März).

Deswegen, und nicht nur deswegen sollten sich die Kirchen nicht beirren lassen, Versöhnung zu predigen.

Ob (medial) gelegen oder nicht.

otto.friedrich@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung