Rahner für jeden Tag

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Sage mir, was du brauchst, und ich will dir dafür ein Nietzsche-Zitat besorgen", schrieb Kurt Tucholsky 1932. Das war nicht nur ein Bonmot. Tucholsky resümierte damit treffend Rezeption und Verwendung der Schriften des deutschen Philosophen. Seine Worte lassen sich auf den Theologen Karl Rahner übertragen. Denn dessen reichhaltiges Schrifttum bietet genug Stoff - ein Jesuit für alle Jahreszeiten und Lebenslagen.

In der Reihe "Täglich ein Text" hat der Verleger Jakob Laubach ein schmuckes Geschenksbändchen zusammengestellt. Für alle 365 Tage des Jahres sind Rahner-Texte ausgewählt, nie kürzer als fünf, nie länger als 21 Zeilen. Es überrascht, welche Vielfalt vorhanden ist. Einfache Gedanken kommen darin vor und schwierigere, bohrendes Fragen begegnet ebenso wie Lobpreis. Man wird beinahe Augenzeuge eines Ringens mit Gott: Da spricht, betet, streitet Karl Rahner mit Gott. Mit Verstand und Herz ist hier gesprochen, die eigene geistliche Erfahrung ("nicht zu verwechseln mit subjektiver Betroffenheit allein") und die religiöse Sozialisation als Ordenschrist scheinen überall durch.

Rahners Gedanken wollen zum Nachdenken anregen; sie tun es und werden so zu einer Art Begleiter durch den Tag. "Der Laie", so der Mainzer Bischof Karl Lehmann, einst Rahner-Assistent, in der Einführung zum Buch, "muß nie Angst haben, er werde nur mit bestimmten Texten abgespeist. Die Zeugnisse kommen wirklich aus dem tiefen Brunnen eines fünfzigjährigen Schaffens."

Entnommen sind die Texte hauptsächlich den Bänden drei und sieben der "Schriften zur Theologie", die eigens als "Geistliche Schriften" ausgewiesen sind. Aber auch andere geistliche Essays und sogar Werke wie der "Grundkurs des Glaubens" dienen als Zitatenfundus. Karl Rahner scheint immer auch den theologisch nicht gebildeten Christen und dessen Alltagssorgen vor Augen gehabt zu haben.

Daß Auswahlbände "nicht ungefährlich" sind, wie Lehmann schreibt, "weil man dabei diesen unerschöpflichen Meister auch leicht verkürzen und auf die eigenen Lieblingsideen beschränken kann", ist eine bekannte Erfahrung. Das vorliegende Büchlein sollte Lust auf den Griff zur jeweiligen Originalschrift machen. Das wird wohl frommer Wunsch bleiben. Doch wenn die Anthologie Rahners Gedanken bekannt macht, hat sie ihren Zweck erfüllt. Moritz Meusburger UNBEGREIFLICHER - SO NAH.

Von Karl Rahner. Mit einer Einführung von Karl Lehmann. Textauswahl: Jakob Lauterbach. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 1999. 191 Seiten, geb., öS 218.-/e 15,84

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