Der denkende Zeitgenosse mag ob der Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses zurzeit verzweifeln. Dabei wäre er so froh, wenn abseits des Getöses öffentlicher Diffamierumgen ein engagierter Diskurs etwa zwischen Vertretern liberaler und konservativer Positionen stattfände. Denn ehrlich gesinnte Konservative sollten für den demokratischen Diskurs ebenso offen sein wie in diesem Sinn gesprächsfähige Liberale. Es ist evident, dass dieser Diskurs nicht -oder nicht mehr - stattfindet.
Allein aus diesem Grund ist Liane Bednarz' Buch "Die Angstprediger" Balsam für die Wunden der an der Diskursverweigerung Leidenden. Die Publizistin zeigt in ihrer klarsichtigen Analyse auf, "Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern".
Die Kaperung der Konservativen
Bednarz beleuchtet vor allem, wie die Konservativen europaweit von längst ausgestorben geglaubten Wiedergängern in AfD, Pegida etc. gekapert werden, und wie speziell christliche Positionen zum Unterfutter rechter Ideologien werden. Nur ein Beispiel: Katholische Bischöfe werden da ebenso bekämpft wie alles in der Gesellschaft, was sich mit Kampfwörtern wie "Genderideologie" oder "Frühsexualisierung" und ähnlichem versehen werden kann.
Dass dabei berechtigte Kritik an Auswüchsen radikaler Verfechterinnen von Gender-Themen ebenso unter die Räder kommen wie deren berechtigte Anliegen, versteht sich von selbst.
Bestechend listet Bednarz die Zusammenhänge der neurechten Ideologie auf -nicht nur in den einschlägigen Parteien wie eben der AfD, sondern auch in rechtskatholischen und protestantisch-pietistischen Kreisen und deren Ablegern, auch in Parteien wie etwa der CDU.
Schon zu Beginn identifiziert Bednarz die Tabubrüche, die am Anfang der Entwicklung stehen: etwa Thilo Sarrazin, der anno 2009 von "immer neuen Kopftuchmädchen" die "produziert" sowie von "Bräuten", die aus Anatolien "ständig nachgeliefert" würden, sprach. Ein nüchterner Blick könnte die Menschenverachtung, die in derartiger Wortwahl -die seitdem tausendfach kopiert wurde -liegt, rasch offenlegen. Doch wer mag derartige Nüchternheit zurzeit noch aufbringen? Liane Bednarz' Buch sollte in diesem Sinn eine aktuelle Pflichtlektüre sein.
