Zeit im Bild 2: Von der auseinander gehenden "Einkommensschere" in Österreich war die Rede. Caritas-Präsident Franz Küberl war Gast im Studio. Denn natürlich sprach man in diesem Zusammenhang auch von den Armen. Aber nicht nur. Es ging auch um Gerechtigkeit in der Einkommensverteilung. Und da ergibt sich immer wieder ein "optisches" Missverständnis. Wenn jemand von der Caritas Stellung nimmt und auch noch so klar gesellschaftspolitisch argumentiert, klingt das für die meisten wie ein Aufruf zur Nächstenliebe. Klar, dafür steht die Caritas schließlich auch. Dass es aber nicht nur um die Pflicht zur Liebe geht, sondern auch um Rechte, wie etwa das auf ein menschenwürdiges Einkommen, gerät rasch in den Hintergrund.
Das Zweite Vaticanum hat dazu klar festgehalten: "Zuerst muss man den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun und man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist. Man muss die Ursachen der Übel beseitigen, nicht nur die Wirkungen ..." (Dekret über das Apostolat der Laien 8). Es genügt also nicht, bei der Hilfe für die Armen auch noch so fix zu sein, sondern es geht darum, dafür einzutreten - und notfalls auch zu kämpfen -, dass der Mensch erhält, worauf er ein Recht hat. Als Armenhelferin ist die Kirche immer und überall beliebt und geschätzt. Weniger schon, wenn sie Ungerechtigkeit aufzeigt. Da kriegt sie es nicht nur mit der sich kritisiert fühlenden Politik zu tun, sondern auch mit den Habenden und deren Angst, etwas zu verlieren. Manche Themen können da auch Pfarrgemeinden spalten. Kein Wunder, dass die Kirchen im reichen "Norden" sich zu derlei Themen lieber von ihren karitativen Organisationen vertreten lassen. Franz Küberl hat im Studio-Gespräch wieder einmal tapfer sowohl die Sache der Caritas vertreten, als auch das, wofür die ganze Kirche einzustehen hat. Das sagt eh nur die Caritas, meinen da nicht wenige. Geben wir ihr halt ein wenig mehr Spenden, damit sie sich wieder beruhigt.
Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitäts-seelsorger in Wien.
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