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Rede, sei es gelegen...

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Nicht selten schließen innerkirchliche Diskussionen, die von Laien geführt werden, mit der Forderung nach einer verbindlichen Theologie der Laien und der Welt; handelt es sich um Priester, wird einer Theologie des Priestertums und einer bibelorientierten Theologie des Bischofsamtes das Wort geredet. Es soll nicht geleugnet werden, daß diese Wünsche ihre Berechtigungen haben. Aber zu-mindestens ebenso aktuell ist die Forderung nach einer Theologie der öffentlichen Meinung in der Kirche, die wieder eng verknüpft ist mit der Theologie der Ortsgemeinde und des Bischöfsamtes. Wenn unsere Kirche vor der Welt als mündiges Gottesvolk in Erscheinung treten soll, das brennend interessiert ist am „Aufbau des Leibes Christi“, dann müssen Mitglieder des Gottesvolkes an allen Aufgaben, die nicht in die direkte Sendung und Zuständigkeit des geistlichen Amtes fallen, teilnehmen können.

Aus der Zugehörigkeit zum Gottesvolk...

Die Lehre vom Volk Gottes macht deutlich, daß jedes Glied des Gottesvolkes und jede Gemeinde vor ChristuÄ Verantwortung trägt für das Ganze, für die Gemeinschaft des Gottesvolkes. Diese Verantwortung kann den Mitgliedern des Gottesvolkes kein Bischof und keine amtskirchliche Institution abnehmen; auch nicht das Kirchenrecht, obwohl dieses seit Jahrhunderten den Mitgliedern des Gottesvolkes die Verantwortung für die Gemeinschaft des Gottesvolkes völlig abgenommen und der Hierarchie aufgelastet hat.

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil muß das Denken über die Gemeinschaft des Gottesvolkes bei der Hierarchie und auch bei den Gläubigen einer Revision unterzogen werden. Auch eine Änderung der Art der Kirchenleitung und des Kirchenverhaltens der Laien ist erforderlich. Der nachkonziliare Katholik fühlt sich erfreulicherweise immer stärker als Kirche und ebenso die Ortsgemeinde. Der Katholik, ob er nun am Rande des kirchlichen Lebens siedelt oder gar emigriert ist, weil er sich durch manche hierokra-tische Tendenzen in seiner Freiheit beeinträchtigt fühlte, soll wieder in der Kirche als Gemeinschaft des Grottesvolkes beheimatet werden.

Ist die Kirche nicht bloß eine Gemeinschaft der Heiligen und der Gerechten, sondern auch eine Gemeinschaft der Sünder, so muß es in ihr auch die Selbstkritik, die brüderliche Zurechtweisung, ja sogar die gegenseitige Belehrung und Kontrolle geben.

... ergibt sidi die Pflicht zur aktiven Mitarbeit

Wird der kooperativ-gemeinschaftliche Aspekt der Kirche stärker forciert, werden die Getauften erkennen, daß sie das kirchliche Leben mitzugestalten und mitzuver-antworten haben. Den Amtsträgern wird dann die Einsicht zuteil werden, daß auch sie der Belehrung bedürfen, für neue Erfahrungen offen sein müssen und auf die Anregungen, das Urteil und die Unterstützung der anderen Mitglieder des Gottesvolkes angewiesen sind. Spielen doch der Glaubenssinn der Gläubigen und die Charismen eine bedeutende Rolle bei der Auferbauung des Leibes Christi. Wenn es die öffentliche Meinung in der Kirche im erwünschten Ausmaß gibt, und die Bischöfe diese öffentliche Meinung als notwendiges Forum akzeptieren, vor dem verschiedene Fragen der Pastoral, der Kirchenleitung, der Kirchenordnung, der Administration und des Apostolates diskutiert werden, werden dadurch auch die Integrationsfunktion, die Dialogaufgabe und das Hirtenamt der Bischöfe unterstrichen und hervorgehoben.

Solange es die öffentliche Meinung in der Kirche nicht im erforderlichen Ausmaß gibt, entsteht der Eindruck, daß der Pfarrer mit der Gemeinde und der Bischof mit der Diözese identisch sei, oder daß man es bei der Kirche mit einer Monarchie zu tun habe. Die deutschen und österreichischen Bischöfe haben beim Konzil als Ergänzung zur Lehre des Bischofsamtes die Einbeziehung der konkret verfaßten Ortsgemeinde in die theologischen Aussagen der Kirchenkonstitution gefordert und damit dokumentiert, daß sie das Bischofsamt nicht als eine monarchistische Institution auffassen. Dies war eine bedeutende Intervention. Wie die Ortskirche ein Auf bauelement des Volkes Gottes ist, so ist die öffentliche Meinung in der Kirche Ausdruck der Freiheit und der Verantwortung der „Kinder Gottes“ für das Ganze. Zur Erkenntnis, daß in der Kirche Fehlentwicklungen kommen können, wenn die Ortsgemeinde nur als eine Verwaltungseinheit der Diözese gesehen wird, muß ferner die Erkenntnis treffen, daß das kirchliche Leben auch Schaden nehmen kann, wenn die öffentliche Meinung in der Kirche als theologisches und pastorales Erfordernis mißachtet wird oder im kirchlichen Alltag fehlt oder unterentwik-kelt ist.

Auge behalten und ihre Kritik und ihre Vorschläge so vortragen, daß sie die Brüderlichkeit nicht verletzen und das Gemeinwohl der Kirche nicht in Frage stellen.

Die große Abneigung gegen die öffentliche Meinung in der Kirche seitens der Vorsteher und auch der Gläubigen kommt daher, daß man vom weltlichen Raum her die

öffentliche Meinung in Presse, Rundfunk, Fernsehen und Diskussion immer noch als Verunglimpfung und Beschmutzung des eigenen Nestes, als einen anarchistischen Zustand, als Anmaßung und als Zerstörung der kirchlichen Autorität betrachtet.

Demgegenüber gilt es dahin zu arbeiten, daß die amtlichen und nichtamtlichen Mitglieder des Gottesvolkes in der öffentlichen Meinung ein legitimes Organ zum Aufbau einer kollegialen und brüderlichen Gemeinschaft erkennen.

Nach dem Vorbild der Bibel...

Nach dem Vorbild der Bibel und der ersten nachchristlichen Jahrhunderte sollte auch bei uns in Österreich die öffentliche Meinung in der nachkonziliaren “Kirche etabliert werden. Der Anstoß dazu muß in erster Linie von den Bischöfen und Pfarrern ausgehen. Es ist notwendig, daß es zu einer offenen, ehrlichen, kollegialen und sachlichen Diskussion über die brennenden nachkonziliaren Probleme der Kirche in Österreich und in den einzelnen Diözesen kommt.

Die durch das Konzil veränderte Sicht des Bischofsamtes bringt für die bischöfliche Tätigkeit neue Schwerpunkte. Verwaltung und Repräsentation werden in Zukunft den Alltag eines Bischofs nicht mehr so stark prägen, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Der Kontakt mit den Priestern und den Ortsgemeinden wie auch die Beschäftigung mit theologischen und Pastoralen Fragen werden im bischöflichen Alltag an Bedeutung gewinnen und ihr Recht fordern.

Man verlangt vom Bischof, daß er einerseits theologisch auf der Höhe der Zeit ist und anderseits über alle Vorgänge in seiner Diözese informiert ist. Der Bischof der Zukunft muß theologische Sachautorität sein und zugleich ein guter Vorsteher, der weiß, was Priester und Laien über die zentralen Probleme der Diöze-sankirehe denken und welche persönlichen Anliegen sie halben. Darüber hinaus wird er die innerkirchliche und außerkirchliche öffentliche Meinung verfolgen, sich ihr stellen und, falls notwendig, durch ein klärendes und richtungweisendes Wort eingreifen. In Zukunft wird man vom Bischof erwarten, daß er die innerkirchliche und innerkatholische Meinungsbildung ankurbelt und zur offenen Diskussion ermuntert und sie beaufsichtigt.

Wenn man in den Konzilstexten nach einer Theologie der öffentlichen Meinung in der Kirche sucht, so wird man dort kaum Ansätze finden. Zumindestens muß dies vom Dekret über die Massenkommunikationsmittel gesagt werden. Dies darf uns aber nicht dazu verleiten, auf der Suche nach einer Theologie der öffentlichen Meinung das Vorhaben abzublasen. Wie Professor Bruno Dreher kürzlich bei der Weihnachts-seelsorgertagung in Wien bemerkte, wäre es falsch, nur die konziliare Theologie zu studieren. Das Studium der Bibel und der Tradition ist ebenso notwendig. Die Apostelgeschichte gibt zahlreiche Hinweise auf den Gemeinschaftscharakter des kirchlichen Lebens. Über die beratende und informierende Aufgabe der Gläubigen ihrem Vorsteher gegenüber weiß die Tradition im zweiten und dritten nachchristlichen Jahrhundert manches zu berichten. Zyprian schreibt an seine Priester und Diakone, er wolle zusammen mit ihnen das für die Leitung der Kirche Erforderliche überlegen und, nachdem alle zusammen es geprüft hätten, so entscheiden, daß nichts ohne den Rat und die Zustimmung des Volkes geschehe. So könnte auch heute die öffentliche Meinung in der Kirche, ohne die Sendung und die Aufgaben der Bischöfe zu schmälern, die Funktion der Information und Beratung der Vorsteher übernehmen.

Nachkonziliare Pressepolitik

Die nachkonziliare Pressepolitik ist in Gefahr, im Institutionellen steckenzubleiben, vor allem zieht sie kaum den innerkirchlichen Aspekt der öffentlichen Meinungsbildung in Betracht. Man könnte sich vorstellen, daß die Kirchenzeitungen zu Organen der öffentlichen Meinungsbildung im innerkirchlichen Raum ausgebaut werden.

Ferner wäre ein verstärkter Kontakt der Bischöfe mit den katholischen Journalisten und Publizisten, vor allem mit jenen Priestern und Laien zu begrüßen, die in den Kirchenzeitungen, in den übrigen katholischen Presseorganen und in der katholischen Bildungsarbeit die innerkirchliöhe öffentliche Meinung prägen und formen. Diesem Kontakt könnten auch Pressekonferenzen dienen, die einzelne Referenten der österreichischen Bischofskonferenz oder der Gesamtepiskopat nach Bischofskonferenzen abhalten, die sich mit wichtigen kirchlichen Anliegen beschäftigen. \

Abschließend muß gesagt werden, daß die aufgezeigten Anliegen nicht aufgegriffen wurden, um einen Herrschaftsanspruch der nichtamtlichen Mitglieder des Gottesvolkes gegenüber der Hierarchie anzumelden oder zu verfechten. Es geht um ein theologisches und ekklesiologisches Problem, das gründlich durchdacht, stärker gesehen und zum Wohl der kirchlichen Gemeinschaft gelöst werden muß.

Erziehung zur Reife

Im Priesterdekret heißt es, daß noch so schöne Zeremonien nichts nützen, wenn nicht alles auf die Erziehung der Gläubigen zur christlichen Reife hingeordnet ist. Gerade die öffentliche Meinung in der Kirche hätte die Aufgabe, Erziehungsorgan des Volkes Gottes zur Reife zu sein. Die Lehre von der gleichen Würde und der gestuften Verantwortung aller Mitglieder des Gottesvolkes schafft den theologischen Rahmen für die Zulässigkeit und Notwendigkeit der öffentlichen Meinung in der Kirche. Nach den Aussagen der Bibel kann der „Leib Christi“. nur aufgebaut werden, wenn Amt und Gemeinde kollegial zusammenarbeiten.

In der Urkirche gab es so etwas wie eine öffentliche Meinung. Die Apostelgschichte berichtet ehrlich und offen von Streit, Gegensätzen, Unstimmigkeiten, verschiedenen Auffassungen und regen Auseinandersetzungen theologischer und pastoraler Natur. Es gab allerdings in diesem Zusammenhang auch die brüderliche Zurechtweisung und den Appell an alle, die Gegensätze nach Klärung des Sachverhaltes einmütig und brüderlich zu überwinden.

Bemerkenswert ist, daß die Pastoralbriefe und die Apostelgeschichte keinen blinden Gehorsam gegenüber den Vorstehern kennen. Die Bibel spricht von der Parrhesia, von der Redefreiheit der Gläubigen, die die Voraussetzung dafür ist, daß es in der Kirche zu einer öffentlichen Meinungsbildung kommt. Freilich sollen jene, die die Parrhesia in Anspruch nehmen, immer die Auferbauung dea Leibes Christi im

Am „Kana-Tag 1967“ trat der Katholische Familienverband Österreichs erneut an die Öffentlichkeit, um sein geistiges Programm aufzuzeigen und um im Namen von mehr als 300.000 Mitgliedern seinen Forderungen nach einer familiengerechten Politik Nachdruck zu verleihen. Bei der Großkundgebung im Wiener Musikvereinssaal am 8. Jänner sprachen Kardinal Dr. Franz König und Vizebürgermeister Dr. Heinrich Drimmel zum Thema des diesjährigen Kana-Tages: „Ehe und Familie in Kirche und Staat von heute.“ Foto: eurer

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