Rehabilitationskur für die Integration

Werbung
Werbung
Werbung

Integration: Es greift zu kurz, wenn die Gesellschaft an den Staat und dieser wiederum an einige Institutionen delegiert.

Fragen Sie MigrantInnen, was sie von der Effektivität des Integrationsprogramms in Österreich halten. Viele werden mit einer Gegenfrage antworten: Was ist Integration? Ich habe davon gehört, aber Österreich will uns dirigieren. Oder: Institutionen, die sich um dieses Thema kümmern, beschränken sich auf die kulturelle Ebene.

Enttäuscht vom politischen Diskurs, von den Politikern, frustriert, weil ihre Stimme nicht gehört und verstanden wird, sehen viele MigrantInnen bis jetzt nicht, wo und wie Integrationsprogramme realisiert werden. Für viele ist der Begriff missbraucht worden und bedarf daher einer "Rehabilitationskur".

Jahrelang hat man Integration nur auf einige Institutionen beschränkt. Aber viele MigrantInnen sind sich einig: Integration muss neu orientiert werden. Sie sind der Meinung, dass politische, soziale und kulturelle Integration nicht vom Himmel fallen. Der entscheidende Faktor, den es dabei zu berücksichtigen gilt: Integration ist als Ganzes zu sehen. Alle Schichten der Gesellschaft müssen daran teilnehmen. Es greift zu kurz, wenn die Gesellschaft an den Staat und dieser wiederum an einige Institutionen delegiert.

Politische Parteien, Schulen, Kirchen, NGOs sind wichtige Bestandteile des Integrationsprozesses. Diese Institutionen können dazu beitragen, dass Menschen verschiedener Herkunft als Bereicherung empfunden werden und nicht als Bedrohung. Indem sie ihren Aktionen auch MigrantInnen aktiv einbeziehen; indem sie gegen diskiminierendes Verhalten von Medien und Politikern protestieren; indem sie Unternehmen ermutigen, MigrantInnen als MitarbeiterInnen aufzunehmen; indem sie Politiker drängen, Antidiskriminierungsgesetze zu formulieren.

MigrantInnen sollten Chancen bekommen, sich in alle Bereiche der Gesellschaft zu integrieren. Vielerorts ist das nicht der Fall. Zum Beispiel in Firmen, wo Ausländer nicht Betriebsräte werden können. Warum können MigrantInnen nicht am Schalter einer Bank oder bei der Post arbeiten? Wenn MigrantInnen nur im Keller, in der Küche oder im Lager arbeiten, versäumen Österreicher eine wichtige Chance: den alltäglichen, normalen, unbelasteten Kontakt mit Menschen, die aus andern Ländern kommen. Afrikaner, die sich mit allen fachlichen Voraussetzungen bei einigen österreichischen Banken beworben haben, bekamen immer die gleiche Antwort: "Wir werden unsere Kunden verlieren." Und warum? Das Gegenüber blieb die Antwort schuldig. Es wäre auch zu dumm zu sagen: "Sie sind zu dunkel für diesen Job."

Unternehmen sollen mutige Schritte gehen, um MigrantInnen auch an sichtbarer Stelle, in den vorderen Reihen zu engagieren. Die Bäckerei Ströck ist ein gutes Beispiel dafür. Sie hat in ihrer Werbekampagne viele dunkelhäutige MitarbeiterInnen auf Plakaten zu Gesicht gebracht. Diese großartige Aktion bekennt öffentlich, dass viele am Erfolg beteiligt sind. Ein gutes Zeichen. Solche Aktionen müssen ermutigt und vom Staat gefördert werden.

Der Integrationsprozess kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten bereit sind, einander zu akzeptieren und zu tolerieren. Akzeptanz und Toleranz sind erste Schritte, wenn man von Integration spricht. Österreich braucht darüber hinaus aber Gesetze und Institutionen, die Personen anderer Herkunft, Sprache, Hautfarbe oder Religion vor Diskriminierung bei Einstellung, Beförderung und Wohnungsvergabe schützen. Von einem Antidiskriminierungsgesetz wird bislang nur viel geredet. Wir MigrantInnen akzeptieren, dass es historisch gewachsene Traditionen gibt, die dieses Land geprägt haben, aber die Zukunft werden wir mitgestalten. Wie es der aus Mali stammende Philosoph Amadou Hampathé Bâ formuliert: Die Schönheit eines Teppichs kommt aus der Verschiedenheit der Farben, aus denen er zusammengestellt wurde.

Der Autor ist leitender Redakteur der Tribüne Afrikas, Afro-Österreichische Monatsbeilage der Wiener Zeitung (www.radioafrika.net).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung