"Reiche Ernte" zur Ehre Gottes

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Franz Xaver, der Gefährte des Ignatius von Loyola und Missionspionier, leitete das "Christliche Jahrhundert" Japans ein.

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Franz Xaver, der Gefährte des Ignatius von Loyola und Missionspionier, leitete das "Christliche Jahrhundert" Japans ein.

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E s war der 15. August 1549, als der baskische Jesuit Francisco de Yasu y Xavier - Franz Xaver - mit zwei Gefährten in Kagoshima auf der südjapanischen Insel Kyushu landete und als erster christlicher Missionar Japan betrat. Japan kannten die Europäer bisher nur aus den Reisebeschreibungen Marco Polos und zwar unter der chinesischen Bezeichnung "Chipangu" - "Sonnenaufgangsland".

Zu Beginn der Neuzeit drangen die Portugiesen immer weiter nach Asien vor, nachdem sie den Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung entdeckt hatten. In der südindischen Stadt Goa war eine Handelskolonie aufgebaut worden, ebenso in Indonesien und in der Hafenstadt Malakka. Von diesen Stützpunkten aus unternahmen die Portugiesen Erkundungsfahrten an die Küsten Chinas. 1543 verschlug ein Taifun drei portugiesische Kaufleute erstmals nach Japan verschlagen.

Ein zivilisiertes Volk Ihnen folgten weitere Kapitäne, die chinesische und indische Erzeugnisse gegen japanische Lackarbeiten und Silber tauschten. Die portugiesische Krone versuchte, die Neuentdeckung geheim zu halten - zwecks Abwehr der spanischen Konkurrenz. In Malakka erfuhr jedoch der Indien-Missionar Franz Xaver von der neuentdeckten Hochkultur und war begeistert von der Aussicht, ein zivilisiertes Volk für die Christenheit zu gewinnen.

Es entsprach dem christlichen Verständnis des portugiesischen Königs, auf seinen Flotten nach Indien auch Missionare mitzuschicken, um Seelen für das Himmelreich zu retten. So war der Papst um fähige Männer gebeten worden - und dieser schickte Jesuiten.

Dieser neue Orden war eben erst vom Spanier Ignatius von Loyola gegründet und 1540 vom Papst anerkannt worden. Er sollte die Gegenreformation einleiten, aber auch die neuentdeckten Erdteile für die Kirche erobern. So wurde Ignatius' Weggefährte Franz Xaver nach Indien gesandt, wo er in kurzer Zeit die Führung der Mission übernahm.

Religion verschmolzen Doch die mühselige Bekehrungsarbeit unter Fischern und indonesischen Kopfjägern frustrierte ihn - sein Streben ging nach "reicher Ernte" zur Ehre Gottes. Da kam ihm die Nachricht vom gebildeten und zivilisierten, japanischen Volk gerade recht. Die drei Japaner, die ihm ein portugiesischer Kapitän 1547 anvertraute, wurden im Kolleg in Goa in Portugiesisch und im Katechismus unterrichtet, bevor Franz Xaver mit ihnen und zwei weiteren Jesuiten 1549 die Reise nach Japan antrat.

In Kagoshima wurden sie von der Familie des heimgekehrten Anjiro herzlich empfangen, die Nachricht sprach sich schnell herum und der Landesfürst gewährte ihnen Audienz, da ihm an einem Naheverhältnis mit den Portugiesen gelegen war. Denn sie lehrten ihn den Gebrauch der Feuerwaffen. So erlaubte der Fürst den Jesuiten die Predigttätigkeit und seinen Landesleuten den Übertritt.

Kein Problem in einem Land, in dem neun buddhistische Schulen existierten, die wiederum mit dem Shintoismus, der ursprünglichen Religion Japans, verschmolzen waren. Doch Erfolge für den christlichen Glauben waren vorerst keine zu verbuchen. Zuerst mühten sich die Europäer, die japanische Sprache zu erlernen. Das hinderte sie aber nicht, mittels Dolmetscher Vorträge über den Katechismus zu halten, öffentlich die "Lügen" der buddhistischen Mönche und sexuelle Mißstände in den Klöstern zu geißeln sowie Erkundungsgänge in der Umgebung durchzuführen. So besuchte Xaver zahlreiche Klöster, von denen er in seinen Briefen an seine Mitbrüder in Goa, Lissabon und Rom berichtete.

Trotz aller Kritik am buddhistischen "Gegner" war er von der Persönlichkeit und Würde eines alten Zenmeisters und Abtes sehr angetan: "Dieser Ninshit ist so sehr mein Freund, daß es zum Staunen ist." So führte ihn der Abt einmal durch die Halle, in der die Mönche in langen Reihen mit gekreuzten Beinen meditierten; auf Xavers Frage, was diese denn täten, antwortete er lächelnd: "Die einen berechnen ihre monatlichen Einkünfte, die anderen überlegen, wo sie bessere Behandlung für ihre Person bekommen können, wieder andere denken an ihr Vergnügen. Kurz, keiner tut etwas, was irgendwie von Bedeutung wäre."

Dialog der Religionen Diese selbstironische Kritik der buddhistischen Meditationspraxis mußte dem intellektuellen Jesuiten, der in Pariser Theologie und Philosophie studiert hatte, gefallen. Andererseits bewunderte er Zucht und Disziplin, die in den Zen-Klöstern herrschten, hatte er doch oft genug mit dem Ungehorsam seiner eigenen Ordensbrüder zu kämpfen. Mit Ninshit diskutierte Xaver auch Glaubensfragen wie die Existenz der unsterblichen Seele und deren Aufnahme in den Himmel.

Von Kagoshima wanderten die Jesuiten weiter in die Städte Hirado und Yamaguchi. Im Januar 1551 erreichte Xaver die Hauptstadt Miyako, das heutige Kyoto, wo er den Kaiser aufsuchen wollte, um ihn um Predigterlaubnis in ganz Japan zu bitten. Außerdem wollte der auch wirtschaftspolitisch denkende Jesuit die Errichtung einer portugiesischen Faktorei im nächsten Hafen vorschlagen. Doch dazu kam es nicht. Die Hauptstadt war verwüstet, der Kaiser durch anhaltende Bürgerkriege zu einer machtlosen Repräsentationsfigur geworden. Mangels reicher Geschenke wurde Xaver weder zum Kaiser noch zu den mächtigen Klosteruniversitäten vorgelassen. Unverrichteter Dinge wanderte er nach Yamaguchi zurück, wo er den einflußreichen Landesfürsten für sich gewinnen konnte.

Täglich hielt er mit seinen Gefährten öffentliche Vorträge sowie Streitgespräche mit buddhistischen Mönchen. Durch seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse und seine scharfe Rhetorik gelang es Xaver, die Buddhisten zu widerlegen. Erstmals traten jetzt zahlreiche Japaner, auch Edelleute, zum christlichen Glauben über. Doch dies rief erst recht den Widerstand der buddhistischen Elite hervor.

Öffentlichkeitsarbeit Während einer Revolte wurden die Jesuiten verfolgt und konnten nur knapp entkommen. Xaver traf mit portugiesischen Kaufleuten zusammen. Doch diese hatte keine Nachrichten von seinen Ordensbrüdern für ihn, so daß sich Xaver besorgt zur Rückreise nach Indien entschloß. Seine beiden Gefährten ließ er zur weiteren Mission in Yamaguchi zurück.

Von Indien schrieb er abermals zahlreiche Briefe nach Europa, in denen er ausführlich seine Erlebnisse sowie Beobachtungen der japanischen Kultur und Religion mitteilte. Die Ordenszentrale in Rom druckte diese Briefe und verbreitete sie - ganz im Sinn moderner Pressearbeit - über die Kollegien in Europa. Nach 1552 - dem Todesjahr Franz Xavers - waren die Japan-Briefe der Medienschlager des 16. Jahrhunderts, die christliche Leserschaft konnte sich über Buddhismus und Shintoismus informieren.

Franz Xaver hatte den Grundstein für die Jesuitenmission in Japan gelegt, die in den nächsten Jahrzehnten beachtlich ausgebaut wurde, und die den Begriff des "Christlichen Jahrhunderts" Japans prägte. Auch wenn gegen Ende des 16. Jahrhunderts das Christentum wieder verboten wurde und ab 1639 alle Europäer aus Japan ausgewiesen wurden. Erst 1908 konnten die Jesuiten die Japanmission wieder aufnehmen und damit an die Tradition Franz Xavers, der 1622 heilig gesprochen worden war, anknüpfen.

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