Relativ viel für ein Leben

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Wladyslaw Bartoszewski verkörpert, was in Geschichte und Politik von Geistesgröße und Charakterstärke zeugt.

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Wladyslaw Bartoszewski verkörpert, was in Geschichte und Politik von Geistesgröße und Charakterstärke zeugt.

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Wir leben in einer Zeit, in der so viele nach Vorbildern und Autorität Ausschau halten und zugleich über die Mittelmäßigkeit der Politiker und anderer gesellschaftlicher Leader klagen. Das Leben und Tun von Wladyslaw Bartoszewski steht als lebendiger Beweis dafür, dass - wie es in einem seiner Bücher heißt - "es sich lohnt anständig zu sein".

Wladyslaw Bartoszewski: Rot-Kreuz-Sanitäter, Auschwitz-Häftling, polnischer Untergrundaktivist, der an der Spitze eines extrem gefährlichen Unterfangens der "Armia Krajowa" zur Rettung polnischer Juden stand, israelischer Ehrenbürger - das ist relativ viel für ein Leben, nicht wahr?

Weitere Proben folgten in der Zeit, als die Machtarme des Kommunismus nach Polen griffen. Aber auch da gab Bartoszewski, der "persönliche Feind" aller Diktatoren, kein bisschen nach; er leistete patriotischen Widerstand, wofür er zuerst mit jahrelangem stalinistischem Gefängnis bestraft wurde, um später zensiert, mit Ausreiseverbot bestraft und zuallerletzt für sein Engagement zugunsten der Solidarno´s´c interniert zu werden. Das war sozusagen sein zweites Leben.

Fähigkeit zur (Selbst-)Ironie

Es gibt noch dessen dritten Teil. Dieser spielt bereits im unabhängigen Polen. Bartoszewski fand sich hier ausgezeichnet in der Rolle des polnischen Botschafters, danach des Außenministers und des Senators zurecht. Er blieb immer er selbst, behielt die Eigenschaft bei, sich selbst und das eigene Schicksal mit Distanz zu betrachten, Schwierigkeiten mit Ironie und einem Lächeln zu begegnen.

In jeder dieser Funktionen bleibt er - nicht nur für die Polen - ein Symbol für Freiheit und Unerschöpflichkeit; und ein Stachel im Fleisch für all jene, die Aufrichtigkeit, Ideentreue und Mut für schwierig beziehungsweise "wenig modern" halten.

Er hat ausgezeichnete Kontakte zu Jugendlichen, die nach wahrhaftiger Reife suchen. Einer seiner Schüler war Bogdan Borusewicz, der Mitbegründer der Solidarno´s´c-Bewegung. Man sagt, alles sei aus Büchern zu erlernen, nur Freiheit könne man ausschließlich von einem anderen Menschen lernen. Der Mut von Wladyslaw Bartoszewski war immer so enorm, dass anderen ihre eigenen Ängste klein und lächerlich erschienen; dieser Mut überträgt sich auf die anderen.

Seine zweite Eigenschaft ist Dankbarkeit denen gegenüber, die ihn zu dem machten, der er heute ist. Vor allem aber gilt sie jenen, welche die schreckliche Zeitprobe nicht überstanden haben.

Einsatz für Aussöhnung

Seine eigentliche historische Rolle spielte Bartoszewski aber im deutsch-polnischen Versöhnungsprozess. Für seinen Einsatz steht nicht nur eine Rede, nein, das ist jahrelanges Engagement, das darin besteht, beiden Seiten den Sinn des gegenseitigen Wieder-Entdeckens - ohne die Wahrheit des Nationalsozialismus zu verdrängen - klar zu machen. Bartoszewskis Auftritte vor dem deutschen Bundestag und dem österreichischen Nationalrat stellten eine Art Quintessenz des Antitotalitarismus dar.

Seine Gefühle Österreich gegenüber sind ganz besonderer Art. In diesem Land, in dem er polnischer Botschafter war, hat Bartoszewski viele Freunde gefunden und wurde immer besonders gut verstanden.

Wladyslaw Bartoszewski gibt uns mit seinem Leben Kraft und den Willen richtig zu handeln. Es genügt ihn nachzuahmen.

Die Autorin war von 2000 bis 2004 polnische Botschafterin in Österreich und ist Sonderbeauftragte der polnischen Regierung für die polnisch-deutschen Beziehungen.

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