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Nur Jehovas Zeugen und die Aleviten haben mittelfristig die Chance, in Österreich als Religion anerkannt zu werden: Ein kritischer Blick ins heimische Religionsrecht.

Fragen der sachgerechten Zuordnung religiös-weltanschaulicher Lebensverbände zum staatlichen Rechtsbereich stellen die zentrale Herausforderung für den religiös-weltanschaulich neutralen Staat dar. Seit einigen Jahren konzentriert sich die einschlägige Diskussion auch international auf die so genannten neuen religiösen Bewegungen und - mit einem deutlichen Schub nach dem 11. September 2001 - auf den Islam. Während die religionsrechtliche Behandlung der neuen religiösen Bewegungen im Kontext der "Sekten"-Diskussion in Österreich nicht als unproblematisch bezeichnet werden kann, gibt es hinsichtlich des Islam geradezu vorbildliche Regelungen, was allerdings das Verdienst des Islamgesetzes aus 1912 ist.

Künftig kaum Anerkennungen

Seit 1998 gibt es nicht nur die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, sondern als zweite Kategorie von Religionsgemeinschaften die eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften. Einerseits wollte man damit neuen religiösen Bewegungen nicht die öffentlich-rechtliche Stellung zugestehen, andererseits sollte insofern Spreu von Weizen gesondert werden, als man einigen den Status einer Religionsgemeinschaft zubilligen wollte. Zugleich verschärfte man die Voraussetzungen für die Anerkennung so drastisch, dass allein im Hinblick auf die nunmehr geforderte Mitgliederzahl es in Zukunft kaum mehr zu Anerkennungen kommen kann. Mittelfristig gibt es lediglich zwei Kandidaten, nämlich Jehovas Zeugen mit dem Status einer Bekenntnisgemeinschaft, und die bislang nur vereinsrechtlich organisierten Aleviten.

Während die anerkannten Religionsgemeinschaften öffentlich-rechtliche Stellung genießen, hat die Gruppe der eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften die Stellung eines privatrechtlichen "Sondervereines". Sie unterscheiden sich von ideellen Vereinen gemäß Vereinsgesetz im Wesentlichen dadurch, dass ihre Qualität als Religionsgemeinschaft staatlicherseits bestätigt wurde.

Wenn es um die Berücksichtigung von Religionsgemeinschaften oder von religiösen Interessen überhaupt geht, knüpft die österreichische Rechtsordnung vielfach an den traditionell einzigen Typ der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften an. Die neue Kategorie der religiösen Bekenntnisgemeinschaften konnte in den einschlägigen Gesetzen ja nicht vorhergesehen werden. Deshalb gilt es nun die gesamte Rechtsordnung daraufhin zu untersuchen, inwieweit die Rechtsfolgen, die ans Anerkanntsein anknüpfen, auch auf die Bekenntnisgemeinschaften zu übertragen wären. Juristisch stellt sich die Frage, ob hier der Gesetzgeber gefragt ist, oder ob diese "Ausdehnung" auch im Rahmen der Auslegungskompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden erfolgen kann.

Höchstgericht kaum innovativ

Mit der Schaffung einer weiteren - grundsätzlich zu begrüßenden - Rechtsform für Religionsgemeinschaften kann daher der Entwicklungsprozess des Religionsrechtes keinesfalls als abgeschlossen angesehen werden. Leider hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2001 in Erkenntnissen über Beschwerden mehrerer Religionsgemeinschaften die Chance, hier eine zukunftsweisende Konzeption weiter zu entwickeln, vorbeigehen lassen.

Was ist also zu tun mit den religiösen Bekenntnisgemeinschaften, wenn es um gesetzliche Bestimmungen geht, die von anerkannten Religionsgemeinschaften sprechen? Rechtsbereiche, wo Unterschiede besonders greifbar werden, sind Abgabenrecht, Religionsunterricht, Privatschulwesen, Personenstandsrecht, Arbeitsverfassungsrecht, Wehr- und Zivildienstrecht, Medienrecht. Man wird differenzieren müssen: Im Bereich des Abgabenrechts sollte es etwa weniger Schwierigkeiten geben als bei der Einführung des Religionsunterrichts. Wenn schon der Charakter einer Religionsgemeinschaft staatlicherseits bejaht wurde, dann sollten die mit "kirchlichen Zwecken" verbundenen Abgabenbegünstigungen auch den Bekenntnisgemeinschaften zugute kommen. Beim Religionsunterricht wird man bedenken müssen, dass im Hinblick auf sein Eingebundensein in das staatliche Schulsystem ein höheres Maß an Akzeptanz der staatlichen Grundordnung zu verlangen sein wird, als für die Eintragung als Bekenntnisgemeinschaft vorauszusetzen ist.

Kern einer Zivilgesellschaft

Angesichts der jüngsten dynamischen Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Religionsrecht, wird grundsätzlich auch eine Neubestimmung der öffentlich-rechtlichen Stellung von Religionsgemeinschaften angezeigt sein. Dabei ist zu beachten, dass der mit dieser Stellung charakteristischerweise verbundene Zugang zur Öffentlichkeit keineswegs als Relikt alter staatskirchlicher Verknüpfungen abgetan werden darf.

Die Religionsgemeinschaften haben als Einrichtungen, die der institutionellen Verwirklichung von Religionsfreiheit dienen, dadurch, dass sie zunächst trotz ihrer "Staatsferne" die Stellung öffentlich-rechtlicher Körperschaften behalten haben, Vorreiterfunktion gehabt. In der Einleitung zur Neuauflage seines "Strukturwandels der Öffentlichkeit" und in seiner Dankrede bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels betonte Jürgen Habermas die Bedeutung der Kirchen als wichtige freiwillige Assoziationen, die - neben anderen - als nicht-staatliche und nicht-ökonomische Zusammenschlüsse den Kern einer Zivilgesellschaft bilden.

In diesem Sinne entspricht der öffentlich-rechtliche Status von Religionsgemeinschaften nicht nur einer partizipatorischen Ausgestaltung des Rechts in einer sich ausbreitenden Zivilgesellschaft, er stellt sogar eine besonders adäquate Lösung im demokratischen Rechtsstaat dar.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für Recht und Religion an der Universität Wien.

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Das Verhältnis von Religion und Staat ist historisch wie aktuell eine komplexe Materie. Fragen wie: "Welche Stellung haben Religionsgemeinschaften im säkularen Staat?" oder " Wen soll der Staat als Religionsgemeinschaft anerkennen?" sind Beispiele einer Diskussion, die weit übers juristische Fachinteresse hinaus Bedeutung hat. Dieser Tage erscheint ein Buch dazu ("Die ,Anerkennung' von Religionsgemeinschaften", Hg.: Richard Potz und Reinhard Kohlhofer, Verlag Österreich). Einer der Herausgeber versucht nachstehend, die Grundlinien dieser Auseinandersetzungdarzustellen. ofri

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