Religion: nicht Problem, sondern Lösung

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Wer 'toleriert', achtet den anderen als geringer als sich selber. Liebe ist mehr als Toleranz. Sie ist Respekt. Daher ist der Dialog eine Geste des Respekts. (Bartholomaios I.)

Als Gipfeltreffen der Religionsführer apostrophierte das in Wien ansässige "King Abdullah International Centre for Intercultural and Interreligious Dia logue - KAICIID" die große Dialogkonferenz, die am 26. und 27. Februar stattfand. Tatsächlich waren allein sechs Patriarchen christlicher Kirchen angereist - darunter auch der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., sowie hochrangige Repräsentanten des Islams vor allem aus der arabischen Welt, die im Fokus der Beratungen des diesjährigen Religionsgipfels in Wien stand.

Zum zweiten Mal nach 2014 fand eine derartige Großveranstaltung in Wien statt, vor vier Jahren wurde dabei -im Blick auf die Kriege im Irak und in Syrien -die "Vienna Declaration" verabschiedet, in der sich die Religionsführer zu gemeinsamem Engagement für den Frieden und gegenseitigen Respekt voreinander verpflichteten. Insbesondere die ungeschminkte Schilderung der Lage der Christen und der Jesiden im Irak, die vom IS vertrieben und ermordet wurden und die der chaldäisch-katholische Patriarch von Bagdad, Louis Sako, erschütternd vortrug, blieb von diesem Religionsgipfel 2014 in nachhaltiger Erinnerung.

Diesmal ging es wesentlich um die Gründung einer Plattform zwischen den Religionen im Nahen Osten, um -abseits von den Aktivitäten der Politik -Zusammenarbeit und Zusammenschlüsse von Religionen nachhaltig in Gang zu halten. Ähnliche vom KAICIID initiierte Plattformen gibt es bereits für Nigeria und die Zentralafrikanische Republik. Das Gespräch der Religionen in letzterem Land helfe in der schwierigen Situation, wie der Erzbischof der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui, Kardinal Dieudonne Nzapalinga, in einem Kathpress-Interview erklärte. Gemeinsam mit dem muslimischen Imam Oumar Kobine Layama war der Kardinal nach Wien gekommen: "Religion ist nicht das Problem, sondern die Lösung." Diese Ansage von Nzapalinga war auf dem Wiener Religionsgipfel von den verschiedensten Religionsvertretern immer wieder zu hören.

Christen und Muslime: Seite an Seite

Bei einer Pressekonferenz auf der Konferenz legte Kardinal Bechara Boutros Rai, der Patriarch der mit Rom unierten maronitischen Kirche, die Wichtigkeit der neuen Plattform dar. Es sei auch für ihn persönlich wichtig, die Gewalt, die vorgeblich im Namen Gottes und der Religion verübt werde, zu bekämpfen. Und Rai setzte hinzu: "Christen und Muslime müssen das Seite an Seite tun." Er sehe die Plattform als eine "göttliche Weisheit", damit die Religionen ihre Anstrengungen um Frieden verstärken.

Der Großmufti von Ägypten, Schawki Ibrahim Allam, erklärte auf der Pressekonferenz, wie wichtig es sei, dass Menschen verschiedener Hautfarbe und mit unterschiedlichen Werten die Verpflichtung hätten, einen Weg der friedlichen Koexistenz zu suchen. Auch er begrüßte die neue Plattform und meinte: "Unser Gewissen muss aufwachen, weil die Menschen eine Gefahr sind!" Kardinal Rai betonte, der Krieg spalte auch die Religionen und forderte ein Ende des Krieges in Syrien und die Rückkehr der Vertriebenen, denn: "Vor dem Krieg haben alle gut zusammengelebt." Schließlich ließ das maronitische Kirchenoberhaupt auch mit der Aussage aufhorchen: "Der Islam ist unschuldig und hat nichts mit den kriminellen und terroristischen Taten zu tun", die in seinem Namen begangen würden.

Faisal Bin Muammar, der Generalsekretär des KAICIID, erklärte den Journalisten gegenüber, dass beim Dialog der Religionen alle Themen auf den Tisch kommen könnten. Aber: "Die Priorität in der Region ist die Sicherheit und dann kommt die Gleichheit der Bürger". Der Generalsekretär machte aber auch klar, dass seine Organisation offen sei für alle Religionen, und dass da deren Fokus liege. Es ginge nicht um politische Diskussionen, aber die politischen Führer würden es sehr begrüßen, wenn die Religionen auf diese Weise miteinander ins Gespräch kämen.

Bereits zu Beginn des Gipfeltreffens hatte das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., geklagt: 70 Jahre nach Verabschiedung der UN-Menschenrechtserklärung zur Religionsfreiheit in 30 Ländern stehe religiöse Verfolgung weiter auf der Tagesordnung: "Einer von zwölf Christen auf der Welt leidet an einem hohen Grad religiöser Repression", sagte Bartholomaios. "Toleranz" reiche da längst nicht aus: "Wer 'toleriert', der achtet den anderen als geringer als sich selber. Liebe ist mehr als Toleranz. Sie ist Respekt." Daher, so der Patriarch, sei der Dialog eine "Geste des Respekts".

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