Religion–Staat: Vertrackte Wege

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Wie vertrackt das Verhältnis zwischen Religion und Politik selbst in demokratischen Rechtsstaaten sein kann, zeigt die noch immer aktuelle Debatte über Schul-Kruzifixe und das Minarette-Referendum. Die einen wollen weder Kreuze noch Minarette an öffentlichen Orten sehen, andere würden beide vertragen und ein österreichischer Kolumnist propagierte allen Ernstes Minarettebau, aber Religionsunterrichts- und Kruzifixverbot in Schulen.

Überraschende Tatsache ist, dass es in vielen Staaten rechtliche Mischformen für Religionsgemeinschaften gibt. Im kanadischen British Columbia sind Sikhs von der Motorrad-Helmpflicht ausgenommen. Muslime und Juden dürfen in vielen Staaten in ansonsten rechtswidriger Form Tiere schächten. Selbst im laizistischen Frankreich dürfen Muslime Schafe rituell schlachten. Den technikfeindlichen Amischen in den USA werden Kinderarbeit und Privaterziehung nachgesehen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof sprach einer italienischen Frau, deren Mann eine kirchliche Eheannullierung wegen Blutsverwandtschaft durchgesetzt hatte, trotzdem eine Alimentation zu. Orthodoxe Juden dürfen in Großbritannien in Scheidungsverfahren ihre Religionsgerichte anrufen.

Kein Wunder, dass es häufig widersprüchliche Positionen gibt, die oft Großmut widerspiegeln. Als der Erzbischof von Canterbury eine „gewisse Einbeziehung“ der Scharia in britisches Recht andachte, erntete er Furor. Dafür sprachen sich auch namhafte islamische Gelehrte gegen ein Bestehen auf Minaretten aus. In Frankreich beschwor ausgerechnet Präsident Sarkozy das „katholische Erbe“, während der aus dem Judentum stammende Pariser Kardinal Lustiger die strikte Trennung von Kirche und Staat als Bollwerk gegen jeglichen Fundamentalismus verteidigte.

Bewegung allerorten. Welch eine Chance für Christen, ihre Stärke auszuspielen: die scheinbare Ohnmacht eines Gotteskindes!

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