Habermas - © Foto: Imago / GlobalImagens

Religion und Aufklärung: Wissen, Glauben oder beides?

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In einem Sammelband setzen sich Theologen mit Jürgen Habermas’ Spätwerk „Auch eine Geschichte der Philosophie“ auseinander – auf höchstem Niveau.

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In einem Sammelband setzen sich Theologen mit Jürgen Habermas’ Spätwerk „Auch eine Geschichte der Philosophie“ auseinander – auf höchstem Niveau.

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Das Verhältnis zwischen Wissen und Glauben gehört gleichsam zu den klassischen Themen der europäischen Philosophie und Theologie. Die Debatte begann in der Spätantike, als sich die Kirchenväter der griechischen und römischen Philosophie zuwandten. „Fides quaerens intellectum“ (der Glaube sucht den Verstand), „intelligo ut credam“ (ich verstehe, um zu glauben) oder „credo ut intelligam“ (ich glaube, um zu verstehen) waren die typischen Kurzformeln, die das Verhältnis zwischen beiden Größen beschrieben.

Für die Zeit bis in das Spätmittelalter bzw. die Reformation und die Renaissance war das vorherrschend, was ich als Kooperationsmodell bezeichnen möchte. Bei allen Unterschieden waren sich scholastische Philosophie und christliche Theologie insgesamt einig, dass es keinen Widerspruch zwischen philosophischer Erkenntnis und christlichem Glauben geben könne. Laut Jürgen Habermas änderte sich das mit Martin Luther und seiner schroffen Ablehnung der Philosophie zugunsten des Glaubens, der „sui generis“ sei und sich philosophischer Analyse oder Vergewisserung entziehe.

Die „Hure“ Vernunft

Das ist die Position des Fideismus: der Glaube habe absoluten Vorrang vor der „Hure“ Vernunft (so Luther selbst), Glaube und Vernunft würden einander ausschließen. Diese fideistische Position vertrat schon der Kirchenvater Tertullian mit dem berühmten Satz: „Credo, quia absurdum est – Ich glaube, gerade weil es absurd ist.“ Durchgesetzt hat sich diese Position aber nur in Teilen der protestantischen Theologie. Die Autorinnen und Autoren des neuen Sammelbandes „Wissen und Glauben. Theologische Reaktionen auf das Werk von Jürgen Habermas ‚Auch eine Geschichte der Philosophie‘“ vertreten jedenfalls genau diese Position nicht. In den Worten von Martin Dürnberger, der einen der Beiträge verfasste, geht es ihnen um die Möglichkeiten und Grenzen eines „vernünftigen Glaubens“.

In seinem zweibändigen, umfassenden und sehr gelungenen Monumentalwerk „Auch eine Geschichte der Philosophie“ (2019) rekonstruierte Jürgen Habermas europäische Philosophiegeschichte anhand der Debatte zwischen Wissen und Glauben . Habermas, Vertreter der Frankfurter Schule und (Mit-)Begründer der Diskurstheorie, ist einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Seit seiner Rede „Glauben und Wissen“ anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche im Jahr 2001 führt Habermas intensive theologisch-philosophische Debatten, die von wechselseitigem Respekt und hohem intellektuellem Niveau getragen sind.

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