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Gerade jene Religionen, die gemeinsam an einen Gott glauben, neigen zu Haß und Intoleranz." Wie ein roter Faden durchzog diese Aussage die Wiesenthalkonferenz Ende 1998 "Über die Quellen des Hasses". Auch das Christentum hat eine blutige Spur des Hasses hinterlassen: gegen Häretiker (Albingenser), gegen Juden (Auschwitz), gegen Andersgläubige (Religionskriege). Ist also Haß - als Rückseite der Liebe - nicht nur eine Möglichkeit des Menschen, sondern eine Möglichkeit, die zumal der Religion innewohnt?

Über Jahrhunderte war im Christentum unbestritten, daß nur die Wahrheit, nicht aber der Irrtum ein Recht zu existieren hat. Daher ist der Irrtum auszurotten, und mit ihm die Irrenden.

Johannes Paul II. will sich im Jubeljahr 2000 für alle Untaten entschuldigen, die von der katholischen Kirche in Namen Gottes begangen wurden. Damit ist er dem Zweiten Vatikanischen Konzil treu, das im Dokument über die Religionsfreiheit mit jener alten theologischen Tradition gebrochen hat, die den Haß religiös begründet hat. Träger des Rechts ist nun nicht mehr die Wahrheit, sondern die Person. Das eröffnet ein Recht auch für jene, die nach Ansicht gleich welcher religiösen Gemeinschaft irren. Solche Freiheit ist kein Freibrief für Beliebigkeit: denn jede Person bleibt moralisch verpflichtet, nach der Wahrheit zu suchen.

Dem Konzil gelingt damit das anspruchsvolle Kunststück, das lange Zeit für unvereinbar Gehaltene zu versöhnen: Wahrheit und Freiheit.

Diese junge Errungenschaft der katholischen Kirche ist höchst verletzlich. Nicht wenige halten die ihr innewohnende Spannung nicht durch: Die einen opfern nach wie vor die Wahrheit der Freiheit - alles ist dann letztlich gleich gültig und damit gleichgültig; die anderen opfern die Freiheit der Wahrheit, zumindest die Freiheit der anderen.

Damit kehren die vorvatikanischen Dämonen wieder. Wieder beginnt Religion subtilen Haß freizusetzen; eine Sprache des Hasses breitet sich aus, Scheiterhaufen werden errichtet, in Kirchen und Gesellschaften.

Wir verstehen, warum Jesus gerade von den Frommen Feindesliebe fordert.

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