Religions-"Dialog" auf Chinesisch

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(Regierungs-)Vertreter aus Europa und Asien machten sich in Chinas "südlicher Hauptstadt" an den interreligiösen Dialog.

Nanjing - einst die "südliche Hauptstadt" Chinas, heute eine Sieben-Millionen-Provinzstadt - für chinesische Verhältnisse keine der großen Metropolen. Aber ein pulsierendes Wirtschaftsszentrum mit Shopping Malls und bunten Straßenlichtspielen bei Nacht - nicht nur in einem Stadtviertel.

Nanjing - geschichtsträchtiger Boden: der erste Ming-Kaiser aus dem Ende des 14. Jahrhunderts ist hier ebenso begraben wie Sun Yat-Sen, der Gründer der Republik China 1912. 1842 oktroyierten hier die Engänder den Vertrag von Nanking, der Chinas Niedergang besiegelte. In der Zwischenkriegszeit machte das nationalkonservative Regime von Tschiang Kai-schek Nanjing zur Haupstadt Chinas, für Taiwanesen ist sie das heute noch. Tiefpunkt der Geschichte ist das Massaker von Nanking, durch das die Japaner die Stadt eroberten: 1937 vergewaltigten japanische Soldaten 20.000 Frauen und metzelten 350.000 Stadtbewohner nieder. Eine der schlimmsten Gräueltaten der japanischen Armee jährt sich im Dezember zum 70. Mal.

Moschee, Tempel, Druckerei

Letzte Woche präsentierte sich Nanjing als Stadt des interreligiösen Dialogs. Regierungsdelegationen aus 22 europäischen und 15 asiatischen Staaten samt einigen internationalen Organisationen waren hier zum 3. ASEM Interfaith Dialogue versammelt. (vgl. Kasten links). Die beiden Co-Gastgeber der Versammlung - Italien und China - präsentierten ein Papier, über das die Delegierten in vier Arbeitsgruppen berieten.

Ausgerechnet China als Religionsdialog-Vorreiter? Zu einer Moschee in Nanjing wurden die Delegierten geführt, und dass die Stadt mit einem repräsentativen buddhistischen Tempel aufwarten kann, blieb ebenfalls wenig verwunderlich. Schwerer tat sich die offizielle Regie mit dem Christentum. Denn obwohl - wie auch der Vizevorsitzende des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, der Muslim Ismail Amat, den Dialog-Teilnehmer darlegte, anerkennt China fünf Religionen - Daoismus, Buddhismus, Islam, Katholizismus und Christentum (gemeint: protestantische Kirchen). Das (staatliche) Verhältnis zu den Katholiken stellt sich, von innen und von außen betrachtet unterschiedlich dar: Trotz mancherlei Entspannung, aber auchvielen Rückschritten, erkennt Rom bekanntlich die offizielle "katholische Kirche" Chinas nicht an. Bei der Konferenz war wohl ein Vertreter des Heiligen Stuhls zugegen - vielleicht ein Signal, dass die chinesisch-katholische Front in Bewegung ist.

Die Furche wollte mehr darüber von der chinesischen Seite erfahren, immerhin war Pater Chen, stellvertretender Generalsekretär der von Rom nicht anerkannten "Vereinigung der Patriotischen Katholiken" Mitglied der chinesischen Delegation. Leider, so musste Chen der Furche mitteilen, hätte es sein "Adviser" für "keine gute Idee" gehalten, dem Journalisten aus Wien ein Interview zu geben. Chen betonte, Chinas Katholiken wären katholisch so wie überall auf der Welt - in der Priesterausbildung etwa seien die Curricula mit Ausnahme des Faches Chinesische Literatur gleich wie im Westen. Beten Chinas Gläubigen auch für den Papst? Selbstverständlich, so die Antwort des Patriotischen Katholiken. Um die Bischofsernennungen - Hauptstreitpunkt zwischen Rom und Peking - kümmere er sich nicht, so Chen.

Selbstredend, dass ob solch delikater Politik ein Kirchenbesuch nicht ins Programm kam. Die Interfaith-Dialogue-Teilnehmer besuchten daher eine Bibeldruckerei in Nanjing: Nicht nur Bibeln für den chinesischen Markt werden hier gedruckt, auch Bibel-Druckaufträge von Ghana bis Chile werden von dem Unternehmen durchgeführt.

Wie aber fand "interreligiöser Dialog" im Konferenzsaal statt? Angesichts der Unterschiedlichkeit der nationalen Delegationen ein schwieriges Unterfangen. Deutschland etwa hatte seinen Generalkonsul aus Schanghai (ein Religions-Fachmann?!) herbeordert, andere Länder brachten sehr wohl ihre Experten mit: in der italienischen Delegation sah man Vertreter der Gemeinschaft Sant' Egidio, welche die Friedensgebete von Assisi initiiert hatte, die philippinische Gruppe wurde - beeindruckend - vom katholischen Bischof Dinualdo D. Gutierrez aus jener Region seines Landes, in der auch viele Muslime leben, geleitet. In der 24-köpfigen Delegation Indonesiens fanden sich Religionsführer des Islam, Buddhismus, Konfuzianismus, der Hindu-Reli-gionen und ein Vertreter der katholischen Bischofskonferenz. Auch am Rande war kritischer Austausch über Religion Thema (vgl. das Interview mit der Islam-Reformerin Aljeffri auf Seite 3).

Einen Tag lang feilten die ASEM-Delegierten an der chinesisch-italienischen Vorlage, die dann mit Änderungen zum "Statement von Nanjing zum interreligiösen Dialog" wurde. Die stellvertretenden Außenminister Chinas und Italiens priesen das Dokument, der chinesische Religionsminister redete dann abschließend der "Suche nach Harmonie statt nach Einförmigkeit" und dem "alle Arten der Schönheit und des Guten koexistieren Lassens" das Wort.

Ein "Kult des Bösen"?

Bei der abschließenden Pressekonferenz nahm eine indonesische Journalistin das "Statement von Nanjing", wo unter anderem Religions- und Glaubensfreiheit gefordert wird, zum Anlass, um Vizeaußenminister Cui Tiankai auf die chinesische Politik gegenüber "unregistrierten" Religionsgemeinschaften im Land anzusprechen; sie fragte konkret nach dem Umgang mit der Falun-Gong-Bewegung.

Da war die vielbeschworene Harmonie in Sekundenschnelle Makulatur: Das sei ein "Kult des Bösen" - antihuman, antisozial, so etwas müsse in jedem Land verboten werden beschied der Vizeaußenminister der Fragestellerin schroff.

Vielleicht ist China ja doch kein idealer Ort für Religionsgespräche. 2008 wird der ASEM Interfaith Dialogue in Amsterdam stattfinden. Die Veranstalter dieses Events - die Niederlande und Thailand - dürften in Sachen Dialog der Religionen bessere Karten haben.

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