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Die Kongregation "Legionäre Christi" hat sich nach drei Jahren wieder vom Schulzentrum "Maria Regina" in Wien-Döbling verabschiedet. Warum?

Werner Maleczek ist zufrieden: Von Anfang an habe er die Übergabe der Schulträgerschaft an die "Legionäre Christi" mit Skepsis verfolgt. Nun, vier Monate nach Ende der Zusammenarbeit, fühlt sich der Elternvertreter und Professor am Institut für Österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien bestätigt. Auch wenn das Gegenteil seiner Befürchtungen eingetreten ist.

Rückblick. November 1998: Die Meldung, dass die "Schwestern vom Armen Kinde Jesu" aus Nachwuchsmangel die Trägerschaft ihrer traditionsreichen Schule "Maria Regina" in Wien-Döbling der päpstlichen Kongregation "Legionäre Christi" anvertrauen wollen, sorgt für Schlagzeilen (vgl. die furche vom 10. Dezember 1998). Zwar sollen nicht die Legionäre selbst das Schulzentrum samt Kindergarten, Volksschule, Mädchengymnasium und Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik übernehmen, sondern Vertreterinnen der weiblichen Laienbewegung "International Educators". Doch das Misstrauen gegenüber den Verflechtungen der beiden Gruppen und ihrer geistig-spirituellen Heimat bleibt. Von einem "militanten Stoßtrupp" ist bald in Elternkreisen die Rede, von einem Naheverhältnis zur Scientology Church oder auch zum Opus Dei wird gemunkelt.

"Militanter Stoßtrupp"

Besorgt informiert sich auch Werner Maleczek über die "Legionäre Chris-ti", durchforstet internationale Zeitungen und das Internet, studiert die Biografie des mexikanischen Ordensgründers P. Marcial Maciel und macht sich direkt in Rom kundig. Die Recherchen sind freilich nicht angetan, seine Vorbehalte zu entkräften: "Aus all den Quellen ist hervorgegangen, dass es sich um eine sehr konservative, sehr papstnahe, sehr männliche und sehr kastilianisch-strenge Vereinigung handelt, die sich vorzüglich an die Wohlhabenden richtet und versucht, über das Schulwesen und die Jugendarbeit Einfluss zu nehmen", schildert Maleczek seine Eindrücke im Rückblick. Aus etwas anderer Pers-pektive lässt Christine Mann vom Schulamt der Erzdiözese Wien die Ereignisse Revue passieren: "Die Vorurteile waren einfach schlimm."

Zumindest die Eckdaten der stetig wachsenden Kongregation "Legionarios de Cristo" waren bekannt: Ihre vergleichsweise kurze Geschichte beginnt 1941 in einer Kellerwohnung in Mexiko-City. Mitten in den Wirren der Christenverfolgungen schart der erst 20-jährige Marcial Maciel 13 junge Männer um sich, um sie theologisch zu unterweisen. Bis heute ist die kleine Gruppe zu einer Kongregation päpstlichen Rechts mit weltweit 520 Priestern und rund 2.500 Seminaristen aus 37 Ländern erstarkt. Im Zentrum ihres Aufgabenbereichs steht das Apostolat, näherhin die Jugendarbeit: Mittlerweile führen die Legionäre Christi über 140 Schulen, darüber hinaus Bildungshäuser und Universitäten. Herzstück ist die Päpstliche Hochschule "Athenaeum Regina Apostolorium", an der erst kürzlich eine Fakultät für Bioethik eingerichtet wurde. Im deutschsprachigen Raum wurde zuerst 1991 in Aachen, vier Jahre später in Bad Münstereifel im Erzbistum Köln ein Noviziat eröffnet, in dem sich zur Zeit 30 junge Männer auf ihre Zukunft als Priester vorbereiten. Schließlich schuf der irische Legionär P. Eamon Kelly mit Unterstützung Kardinal Christoph Schönborns auch hierzulande ein Apostolatszentrum in der Johannesgasse im ersten Wiener Gemeindebezirk.

Und der Zustrom, zumal in den lateinamerikanischen Ländern, hält an: Erst vergangenen Dezember wurden 44 Neupriester in Rom zu "Legionären Christi" geweiht. Hinzu kommen etwa 50.000 Mitglieder von "Regnum Christi", jener von den Legionären geleiteten Laienbewegung, der auch die "gottgeweihten" Frauen der "International Educators" zuzurechnen sind - und denen Papst Johannes Paul II. besondere Sympathie entgegenbringt. Sie seien ein "Zeichen für den neuen Frühling der Evangelisierung", lobt der Papst.

Begrenztes Vertrauen

Dieses Wohlwollen teilten die meis-ten Eltern der weit über 1.000 Jugendlichen von "Maria Regina" zu Beginn der Zusammenarbeit nicht. Tatsächlich sahen die Schwestern bald von einer vollständigen Übergabe der Trägerschaft an die "International Educators" ab. Ein befristeter Vertrag wurde abgeschlossen und ein Schulerhaltervorstand eingerichtet, den jeweils zur Hälfte die Schwestern und die drei Vertreterinnen der Laienbewegung unter der Leitung der Irin Jacinta Curran stellten. Auch Christine Mann war mit Sitz und Stimme in dem Gremium vertreten.

Schon bald stellte sich heraus, dass die Ängste unbegründet waren, die Kooperation jedoch bei weitem nicht so fruchtete wie von den Schwestern erträumt: Kein Eklat wegen weltanschaulicher Differenzen führte schließlich am 1. Dezember 2001 zur Trennung von der Gruppierung, sondern Sprachprobleme und prinzipielle Überforderung: "Man braucht ziemlich viel Erfahrung und Kenntnisse im österreichischen Schulwesen, um einen so riesigen Schulstandort und Millionenbetrieb zu führen", zieht Mann Bilanz. Schärfer formuliert Werner Maleczek seine Nachbetrachtung: "Am Anfang war Father Eamon Kelly anwesend und hat alles dirigiert. Doch dann waren die drei Damen der International Educators führungs- und orientierungslos." Dass nicht die befürchtete konservative Wende herbeigeführt wurde, sei folglich schon deshalb nicht eingetreten, "weil nicht erkennbar war, wes Geistes Kind sie sind".

Noch immer sichtet man - vor allem im flüchtigen Internet - kritische Wortmeldungen zu den Legionären Christi: Von allzu autoritären Strukturen innerhalb der Kongregation ist zu lesen, von einer übermäßigen Betonung der Beichte und - regelmäßig wiederkehrend und postwendend dementiert - von sexuellen Übergriffen des Ordensgründers gegenüber seinen jungen Mitstreitern. So bringt die Monatsschrift Kirche In (vormals Kirche intern) in ihrer März-Ausgabe unter Hinweis auf die US-Wochenzeitung National Catholic Reporter (7. Dezember 2001) wieder jene Anschuldigungen aufs Tapet, wonach Marcial Maciel von 1957 bis 1959 neun Jungen missbraucht haben soll.

Vorwürfe, die Bruder Andreas Schöggl, seit 1993 österreichischer Legionär und derzeit zu Studienzwecken in Rom, nicht unkommentiert lassen will: "Diese Vorwürfe gegen unseren Ordensgründer wurden mehrmals widerlegt. P. Maciel ist inzwischen 82. Ich kenne ihn persönlich und habe über ein Jahr lang mit ihm im selben Haus gelebt. Für mich ist er ein tiefgläubiger und überzeugender Pries-ter." Kritisch zu den einschlägigen Gerüchten äußert sich auch Bernhard Krebs, der sich nach über vier gemeinsamen Jahren von den Legionären getrennt hat und heute eine Pension in Baden bei Wien betreibt: "Das ist Verleumdung." Er selbst habe sich wegen "zu wenig persönlicher Entscheidungsfreiheit" verabschiedet, sei aber nie unter Druck gesetzt worden, meint Krebs retrospektiv.

Auch für das Schulzentrum "Maria Regina" ist der gemeinsame Weg mit den "Legionären Christi" zu Ende. Über die Zukunft der Schule hüllt sich das Erzbischöfliche Schulamt freilich in Schweigen - wie schon bei der offiziellen Aufkündigung der Kooperation via Kathpress Ende November. Aus den anfänglichen Pannen in der Öffentlichkeitsarbeit habe man eben gelernt, erklärt Christine Mann die neue mediale Zurückhaltung. Reserviert zeigt sich auch die Provinzoberin der Schwestern, Sr. Magda Veronika Schätz: "Wir werden ein Modell finden, dass die Schulträgerschaft bei der Kongregation selber bleibt", skizziert Schätz die Pläne der Schwestern.

Schulische Visionen

Einen anderen Vorschlag hat Werner Maleczek parat: "Die beste Lösung wäre ein Trägerverein, der sich aus Eltern von derzeitigen und ehemaligen Schülern rekrutiert. Durch das Prestige der Schule sind sicher einflussreiche, kultivierte, erfahrene und reiche Männer und Frauen zu finden, die Verantwortung übernehmen wollen." Ein Szenario, das sowohl Christine Mann als auch dem zuständigen Bischofsvikar für die Orden, P. Alois Kraxner, nicht behagt: "Solche Vereine, die von Eltern getragen werden, tun sich schwer, die finanzielle Verantwortung zu übernehmen", befürchtet Kraxner.

Was aber planen nun die Legionäre Christi in Österreich? "Die Arbeit mit Jugendlichen wird ausgebaut", kündigt Andreas Schöggl an. An die Übernahme einer bestehenden Schule denke man aber derzeit nicht. Anders die drei Vertreterinnen der International Educators, die sehr wohl überlegen, sich wieder im Schulwesen einzubringen: "Bei einer kleinen Schule wäre das ganz etwas anderes", dämpft Christine Mann etwaige Vorbehalte. "Sie haben ja in den drei Jahren viel gelernt."

Informationen unter www.legionofchrist.org und www.maria-regina.at

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