Respekt,aber auch Ehrlichkeit

Werbung
Werbung
Werbung

In der Diözese Feldkirch ist sie die kirchliche Islambeauftragte. In Istanbul betreut sie das Christlich-Muslimische Forum der katholischen St. Georgs-Gemeinde: elisabeth dörler über Christen und Muslime.

Die Furche: Wird das Christentum von Muslimen in Österreich als Feindbild angesehen?

Elisabeth Dörler: In Vorarlberg haben wir es mit verschiedenen muslimischen Gruppierungen zu tun: Obwohl die sonst theologisch nicht einig sind, haben alle Angst, dass das, was man jetzt vorsichtig und mühselig aufgebaut hat, wieder kaputt geht. Einige sagen sogar: Wir trauen uns jetzt gar nichts mehr zu sagen; denn wenn wir den Mund aufmachen, wird uns das Wort umgedreht. Das betrifft aber die Gesellschaft allgemein. Man differenziert nicht zwischen gläubig-christlicher und allgemeiner Gesellschaft.

Die Furche: Gibt es Muslime, die die Christen als "die Bösen" ansehen?

Dörler: In Vorarlberg ist das nicht zu beobachten. Von den ganz konservativen bis zu den "offenen" Muslimen sagen alle, dass man mehr einen Sinn für das Religiöse, das Heilige entwickeln muss, weil man nur dann mit dem Religiösen, dem Heiligen des jeweils anderen umgehen kann. Praktisch zeitgleich mit der Eskalation der Proteste hat die katholische Kirche Vorarlbergs die Muslime des Landes eingeladen, und zwar haben wir unter dem Titel "Zeig mir, was dir heilig ist" uns gegenseitig die Wallfahrt vorgestellt: Da hat man natürlich genau gemerkt, es geht in Vorarlberg nicht gegen die Muslime, sondern sie werden als religiöse Gruppe, als Gläubige eingeladen.

Die Furche: Es gibt Stimmen, die meinen, Christen würden blauäugig an den Dialog herangehen, weil sie - fälschlicherweise?! - dächten, man könne einem Muslimen theologisch ebenso begegnen wie einem Christen ... (vgl. Seite 4 dieser Furche)

Dörler: Es gibt natürlich blauäugigen Dialog, bei dem man nicht schaut, ob Worte und Taten zusammenpassen. Aber es gibt doch auch den Weg, wo man respektvoll miteinander umgeht, aber gleichzeitig auch Dinge einfordert. Wenn man es ehrlich macht, ärgert man die Muslime nicht, wenn man etwas einfordert oder nachbohrt. Es geht um klare und tragfähige Beziehungen.

Die Furche: Was wird da etwa eingefordert?

Dörler: In den letzten zwei Jahren haben wir in Vorarlberg den "Friedhofsprozess" gemacht, das war ein ganz konkretes Projekt für einen muslimischen Friedhof, das in der Endphase dann den Politikern übergeben worden ist. Da wollten wir von den Muslimen klare Aussagen haben, was sie selber bereit sind einzubringen, wie sie vorhaben, mit der Mehrheitsgesellschaft umzugehen - etwa mit Fragen wie: "Wir werden immer die Dummen sein und denen etwas bezahlen müssen ..." Und da haben wir klar gefragt: Habt ihr jetzt einen Trägerverein für den Friedhof gegründet, wer sind die Personen darin, wieviel Finanzen bringt ihr auf? Das ist so gemacht worden. Doch nun haben die Muslime Angst, dieser mühselige Prozess könnte zerschlagen werden.

Die Furche: Eine berechtigte Angst?

Dörler: Es kann sich vieles verlangsamen. Die Gruppe, die jetzt gearbeitet hat, weiß um die konkrete Basis. Aber das Ergebnis, das die Gruppe erreicht hat, muss auch politisch verkauft werden - und da können wir die Lage im Moment nicht abschätzen. Es ist da ganz wichtig zu differenzieren: Unsere Muslime haben sich von Gewalt distanziert, haben gesagt: "Bei allem, was da schiefgegangen ist: So kann man keine Probleme lösen."

Die Furche: Sie sind eine Wandernde zwischen den Welten; Sie leben teils in Vorarlberg, wo Christen die Mehrheitsbevölkerung stellen, jetzt sind Sie gerade wieder in Istanbul, wo Sie als Christin in der Minderheit sind ...

Dörler: Ich lebe in Istanbul aber in einer privilegierten Stellung - in Istanbul, in St. Georg, dem österreichischen Gymnasium, das hat einen Namen! Mit einem Durchschnittsmigranten in Vorarlberg, der keine gute Bildung oder wenig Einkommen hat, ist das wohl nicht zu vergleichen. Ich bin hier in Istanbul auch beheimatet. Die Kirche steht in der Türkei aber in einem ganz anderen Zusammenhang: Der Islam ist in Österreich eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft, die Kirchen in der Türkei sind nur geduldet, nicht rechtlich anerkannt.

Die Furche: Wenn Sie aber von Ihrer privilegierten Situation absehen - wie stellt sich die Lage von Christen in der Türkei dar?

Dörler: Die fühlen sich eindeutig als Minderheit und haben das Gefühl, dass sie möglichst trachten müssen, keine Konflikte mit der Mehrheit zu haben.

Die Furche: Gibt es einen Dialog zwischen Christen und Muslimen in der Türkei - etwa wie in Vorarlberg?

Dörler: Es gibt hier auch Gruppierungen, die vom Islam her Dialogprozesse initiiert haben. Das beginnt langsam - allerdings zeitversetzt: In Österreich haben Dialogprogramme bald nach dem II. Vatikanum angefangen, hier ist es erst in den letzten zehn Jahren so weit gewesen. Aber Anfänge sind da.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung