Richard Potz zum Islamgesetz: Eine Baustelle in Begutachtung
Nach 100 Jahren wird das Islamgesetz erneuert. Der Entwurf dafür ist an vielen Stellen allerdings noch eine Baustelle. Ein Gespräch mit dem Religionsrechtler Richard Potz.
Nach 100 Jahren wird das Islamgesetz erneuert. Der Entwurf dafür ist an vielen Stellen allerdings noch eine Baustelle. Ein Gespräch mit dem Religionsrechtler Richard Potz.
Vergangene Woche wurde die lange erwartete Überarbeitung des österreichischen Islamgesetzes präsentiert. Bis Anfang November läuft die Begutachtungsfrist. Richard Potz, Religionsrechtler an der Universität Wien, analysiert das Gesetz.
DIE FURCHE: Wie beurteilen Sie das neue Islamgesetz ganz allgemein?
Richard Potz: Es ist unbestritten, dass ein neues Gesetz notwendig war. Die staatlich-rechtliche Konkretisierung in Bezug auf die religionsgesellschaftlichen Organisationen, wie sie in den anderen Spezialgesetzen - also im Konkordat, im Protestantengesetz, im Israelitengesetz und im Orthodoxengesetz - gegeben ist, hat beim Islam bisher einfach gefehlt. Darüber hinaus waren manche Bereiche bisher ohne gesetzliche Grundlage, wie etwa die Militär- und die Gefangenenseelsorge.
DIE FURCHE: Was am Gesetzestext hat Sie am meisten überrascht?
Potz: Auf den ersten Blick ist vor allem die Hereinnahme der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft überraschend. Die halte ich für problematisch.
DIE FURCHE: Inwiefern?
Potz: Die Aleviten sind in vielen Bereichen durchaus anders als der sunnitische und schiitische Islam. Man wird zum Beispiel zwei unterschiedliche Formen des Religionsunterrichts anbieten müssen. Auch bei dem im Gesetz vorgesehenen Lehrpersonal für die islamische Theologie an der Universität Wien kann es Probleme geben, wenn sich die verschiedenen Religionsgesellschaften auf die Besetzung dieser Stellen einigen müssen. Meines Erachtens wäre ein eigenes Alevitengesetz gescheiter gewesen.
DIE FURCHE: Aber der Verfassungsgerichtshof hat 2013 bei der Anerkennung der Aleviten entschieden, dass diese sich "islamisch" nennen dürfen und es mehr als eine islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich geben darf.
Potz: Das ist überhaupt kein Problem. Sich islamisch nennen zu dürfen, bedeutet noch nicht, dass man unter das Islamgesetz fallen muss. Es ist ja auch in Zukunft nicht auszuschließen, dass weitere islamische Gemeinschaften versuchen, sich über das Bekenntnisgemeinschaftengesetz und nicht über das Islamgesetz eintragen bzw. anerkennen zu lassen. Zumindest ist es eine interessante Frage, was dann passieren würde.
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