Ungläubig liest man die Verfügung des Papstes, mit der er soeben die Karfreitagsbitte für die Juden im Missale Romanum von 1962 verändert hat. Die Begriffe "treulos" bzw. "Unglaube" waren schon früher gestrichen worden. Gerade nach dem Motu proprio vom Juli 2007 und der Freigabe des alten Messritus als "außerordentliche Form" hatten aber weltweit Vertreter des Judentums eine Abänderung dieses Gebets gefordert. Auch viele christliche Organisationen baten um Klärung: dass der Bund Gottes mit seinem Volk Israel Bestand hat ohne Jesus. Das Hin und Her, ob und wie künftig am Karfreitag für die Juden gebetet würde, ließ mehr vermuten als nur einen Fehler in der Kommunikation des Vatikans.
Die ausdrückliche Veränderung der Wortwahl schafft nun Klarheit: "Wir wollen beten für die Juden, dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen … Allmächtiger ewiger Gott, der Du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen, gewähre gnädig, dass ganz Israel gerettet werde, wenn die Fülle aller Völker in Deine Kirche eintritt." Führt der Weg zum Heil also auch für Juden letztlich durch die Kirche und durch die Anerkenntnis Jesu als Heiland? In der ordentlichen Form von 1970 heißt es da ganz anders: "Lasset uns beten für die Juden, zu denen Gott im Anfang gesprochen hat. Er gebe ihnen die Gnade, sein Wort immer tiefer zu verstehen und in der Liebe zu wachsen." Kardinal Walter Kasper, für das Verhältnis zum Judentum zuständig, wiegelt ab: die Bitte um Bekehrung der Juden sei nur eine "endzeitliche Hoffnung", die katholische Kirche wolle im Diesseits keine Judenmission." Es handele sich lediglich um ein Zitat aus dem Römerbrief. Wenn der Papst nun von der Bekehrung der Juden spreche, müsse man das richtig verstehen. Ich meine, ich verstehe ihn schon.
Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam.
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