Rückfragen an die Kirchen

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Diese Diskussion spitzt sich auf die Auseinandersetzung zu, wie ein plurales Gemeinwesen mit unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen umgehen soll.

Eigentlich sind kirchliche Äußerungen zu gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen in letzter Zeit eher verhalten ausgefallen. Umso auffälliger war der - katholische - Protest gegen das jüngste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs über die "Ehe für alle". Die Frage, die sich dabei auch dem religiösen Zeitgenossen stellt, lautet natürlich nicht, ob die Kirche gegen diese Entscheidung die Stimme erheben kann. Denn es ist klar: In einem freiheitlichen Rechtsstaat können -und sollen -alle gesellschaftlichen Player ihre Positionen in die Diskussion einbringen. Dennoch muss man als Kirchenangehöriger Rückfragen pro domo stellen: ob 1. die Argumente, die vorgebracht werden, haltbar sind, und 2. wie es die eigene Institution mit öffentlicher Positionierung bei anderen Themen hält. Und hier sind doch Differenzierungen nötig.

Rückfrage 1: Um beim gegenständlichen Fall zu bleiben, ist da einmal die grundsätzliche Frage, inwieweit die staatliche Regelung von Ehe und das katholische Eheverständnis übereinstimmen müssen. Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück, der das VfGH-Erkenntnis u. a. mit dem Argument einer "Anpassungsbeflissenheit der beteiligten juristischen Eliten" vehement kritisierte, verwies im gleichen Kathpress-Interview darauf, dass die katholische Kirche heute "keine Definitionshoheit in Fragen der persönlichen Lebensgestaltung" mehr geltend machen könne.

Staat kann und soll nur das "minimum morale" garantieren

Das staatliche und das kirchliche Ehebild driften auseinander. Tück nennt die Unauflöslichkeit der Ehe und die "konstitutive Offenheit" für Kinder - beides ist für das staatliche Verständnis nicht mehr relevant. Nun sei auch die Verschiedengeschlechtlichkeit als Ehekriterium gefallen.

Kurz gesagt spitzt sich diese Diskussion auf die Auseinandersetzung zu, wie ein plurales Gemeinwesen mit unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen umgehen soll. Das ist keine triviale Debatte und auch kein Anlass für Kulturkampf. Aber man muss konstatieren, dass diese Auseinandersetzung -auch gerade in der katholischen Kirche -kaum stattfindet.

Ein Gegenbeispiel dazu stellt der Paderborner Moraltheologe und Priester Peter Schallenberg dar, der in der Novemberausgabe der Herder Korrespondenz genau dieser Frage nachgeht und auch theologisch zum Schluss kommt, "in einem prinzipiell säkularen und wertepluralen Staat" könne in der Gesetzesordnung "nur das minimum morale, das in Gleichheit und Gerechtigkeit für jeden Menschen als Person in diesem Staat gilt und garantiert wird", zwingend vorgeschrieben werden.

Ethische Reflexion und Wegweisung sind nötig

Solche Überlegungen sind keine Kapitulation vor einer relativistischen Weltsicht, sondern zeigen auf, dass über oben zitierte Rahmenbedingungen hinaus ethische Reflexion und Orientierung nötig sind. Die Ehe-Frage ist da beileibe nicht die einzige. Ethische Wegweisung in allen Bereichen des Lebens -vom Anfang bis zum Ende -tut not, die wissenschaftlichen Möglichkeiten und gesellschaftlichen Klärungserfordernisse nehmen in ungeahnter Rasanz zu -von einem "designten" menschlichen Lebens bis zu einem wirklich "guten" Sterben.

Gleichzeitig -Rückfrage 2 -darf man schon auch anmerken, dass die katholischen Bischöfe zum Ehe-Erkenntnis des VfGH klar Stellung genommen haben, zu anderen Fragen -etwa der Herabwürdigung von "Menschen am Rand" aller Art im letzten Wahlkampf -ließen sie wenig bis nichts verlauten. Das gilt im Übrigen nicht nur für die katholische Kirchenspitze im Land. Der evangelische Bischof Michael Bünker merkte genau dazu jüngst im Standard an: "Wir müssen als Kirche deutlich mehr Kante zeigen. Kirchen müssen etwas Widerständiges haben." Wie wahr. Kirchen müssen gesellschaftliche Einmischer sein, gerade wenn die Menschenwürde auf dem Spiel steht. Dazu möchte man noch viel, viel mehr hören. Von wem denn sonst?

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