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Rufer in der Brandung?

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Es wäre übertrieben, von einer Krise des geistlichen Berufes in der heutigen Zeit zu sprechen. Daß aber die Priester und Ordensleute in vielen Fällen heute Schwierigkeiten gegenüberstehen, ist nicht zu übersehen. Es würde weder für den geistlichen Beruf noch für die Kirche einen guten Dienst bedeuten, würde man bei einer Information über Priester, Ordensmänner, Klosterfrauen nur auf das Positive hinweisen und die Augen vor dringend notwendigen Änderungen verschließen.

Die heute spürbaren Schwierigkeiten im geistlichen Beruf betreffen in erster Linie die Weltpriester. In vielen westeuropäischen Ländern ist bei einer abnehmenden Gesamtpriesterzahl ein Anwachsen der Zahl der Ordenspriester festzustellen. Die krisenartige Situation beim Ordensstand gilt nur einzelnen' Gemeinschaften, die allerdings in manchen Ländern in der Überzahl sein können.

Bei aller rücksichtsvollen Pietät bietet hier wohl nur ein großzügiger Verzicht auf nicht mehr Zeitgemäßes und eine über das äußere Gewand weit hinausgehende Reform eine echte Lösung. Es kann der heutigen Jugend nicht verübelt werden, daß sie für die Behütung und Bewahrung traditioneller Aufgaben und Werte — manchmal sind es nur Kunstdenkmäler — wenig übrig hat. Es gibt eine große Zahl von dringenden Aufgaben, die bereits jetzt von Orden und Säkularinstituten aufgegriffen wurden; diese leiden keineswegs an Nachwuchsmangel.

Die gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte haben auch eine geänderte Stellung und Aufgabe des Priesters mit sich gebracht. Der Betonung des Priesters als Pfarrherr, als Manager, als Lehrer wurde die soziologische Grundlage weitgehend entzogen. Da ist einmal die Größe vieler unserer Pfarren gemeint, die dem Priester nicht einmal eine annähernde Erfüllung seiner Aufgabe ermöglichen. Da eine Änderung nicht in allen Fällen sofort durchführbar ist, könnte das methodische Aufgeben des lückenlosen, territorialen Pfarrprinzips und die Beschränkung auf den Aufbau und die Führung einer echten Gemeinde eine Zwischenlösung bieten.

Ein weiteres ist das Fehlen einer kirchlichen Zwischeninstanz zwischen Diözese und Pfarre und das Fehlen richtiger Priestergemeinschaften. Grundsätzliche Änderungen wären auch notwendig, was Verwaltung und Schule betrifft. Das soll nicht bedeuten, daß der Priester nicht auch dort eingesetzt werden soll. Die Schule, einschließlich des Religionsunterrichtes, soll aber vorwiegend als Aufgabe des Lehrers (Priester wie Laie) gesehen werden und nicht die Zeit und die Energie eines für andere Aufgaben dringend benötigten Priesters in Anspruch nehmen.

Von der Gemeinde her ist auch eine zeitgemäße Sicht des Zölibats möglich als der Realverkörperung der Beziehung zwischen Christus und Seiner Kirche, die in jeder christlichen Ehe mittelbar nachgebildet und vollzogen wird. Diese betont männliche Sicht des Zölibats — Freiwerden für die Kirche (= Gemeinde) und für die volle Hingabe an sie — vermag zwischen Ehe und Priestertum den sichtbaren Zusammenhang und die deutliche Zuordnung herzustellen.

Nach der Sicht der Schwierigkeiten des Priesters bedarf es zu ihrer Lösung nichts so sehr wie des Gesprächs. Das Fehlen einer Möglichkeit, sich auszusprechen und gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen, hat schon allzu viele Opfer gekostet: vom resignierten Großstadtpfarrer über die abgekämpften Kapläne bis zum Laien, der sich aus der kirchlichen Aktivität zurückgezogen hat.

Das Gespräch, das in der Kirche durch das Konzil so sehr in den Vordergrund gerückt ist, braucht aber einen Anstoß und Möglichkeiten (zum Beispiel durch Zeit- und Arbeitsentlastung) Es müßte einsetzen beziehungsweise intensiviert werden: zwischen den Priestern, zwischen Bischof und Priestern, zwischen Priestern und Laien. Voraussetzung dazu ist eine ehrliche Bereitschaft, nicht „pädagogische“ Hintergedanken. Das Gespräch verträgt keine Tabus, wie etwa Priesterausbildung, Zölibat, Diakonat. Gerade jene Probleme, über die man den Mantel des Schweigens breiten möchte, bedürfen oft der dringendsten Aussprache. Die Kirche braucht doch in keinem Punkt Angst zu haben.

Außer den verschiedenen Einzelgesprächen wäre das Befassen mit diesen Problemen auf einer österreichischen Landessynode notwendig. Diese für die Zeit nach dem Konzil vorgesehene Kontaktaufnahme zwischen den Bischöfen, Priestern und Laien müßte, ähnlich dem Konzil, durch verschiedene Gremien eingehend vorbereitet werden.

Trotz des bisher Gesagten, das keineswegs etwas Neues darstellt, ist kein Pessimismus am Platz. Wir müssen für die verschiedenen Schwierigkeiten eigentlich dankbar sein. Wie wäre etwa die Anerkennung der Aufgabe des Laien in der Kirche so rasch zum Durchbruch gekommen, wenn nicht eine drückende Priesternot die meisten Diözesen beherrschte?

Damit aber die sich heute bietende Chance benützt werden kann und nicht weiterhin unnötige Opfer gebracht werden, bedarf es einer tiefgreifenden und konsequenten Neuordnung verschiedener kirchlicher Einrichtungen. Sofort einsetzen müßte das Gespräch darüber. Gedanken und Vorschläge sind genügend vorhanden, auch schnell verwirklichbare, etwa ein Raum im erzbischöflichen Palais für die Priester zu brüderlichen Gesprächen (+ Erfrischung). Notwendig ist oft nur ein entscheidender Beginn; je früher, desto besser.

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