Schande der Wohlhabenden

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Die Ergebnisse der 15. UN-Aidskonferenz in Bangkok sind so enttäuschend, dass zu Recht von einer Schande der wohlhabenden Länder gesprochen werden muss. Die Versprechungen auf finanzielle Hilfe sind nicht eingehalten worden, die Aussicht, dass es mehr Geld geben wird, ist nicht gestiegen. Das ist über die Maßen kurzsichtig und unverantwortlich. Unverantwortlich, weil es mittlerweile ausreichend medizinische Mittel gibt, um die Krankheit zu behandeln und ihre Verbreitung einzudämmen. Der Zugang zu diesen Mitteln ist aber für die Armen beinahe unmöglich. Kurzsichtig, weil alle Prognosen darauf hinauslaufen, dass Aids zur weltweiten Pandemie wird und vor den Toren der reichen Länder nicht Halt machen wird.

Was können Kirchen angesichts dieser Situation tun? Sie können - wie die religiöse Rechte in den USA und die rigide katholische Sexualmoral - weiterhin eine wirksame Vorbeugung durch den Gebrauch von Kondomen verhindern und ausschließlich auf sexuelle Enthaltsamkeit bzw. Vermeidung sexueller Promiskuität setzen. Es stellt sich die Frage, wann die Bewahrung hehrer Prinzipien in die ungewollte Mitschuld an der weiteren Ausbreitung der Krankheit umschlägt?

Einen anderen Weg gehen die Kirchen des südlichen Afrika, wo bis zu einem Drittel der Bevölkerung infiziert ist. Das ökumenische Programm hat die "Aids-kompetente Kirche" zum Ziel. Sie öffnet sich den Hilfesuchenden und setzt sich dafür ein, dass der Schleier des Verdrängens und Nicht-Wahrhaben-Wollens endlich zerrissen wird. Dazu kommt eine radikale Umorientierung im Sündenverständnis. Nicht mehr die Sexualität ist das Feld der Sünde, mit dem sich Christinnen und Christen auseinander zu setzen haben, sondern die Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen, die Solidarität und Hilfe brauchen.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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