Scharfzüngige Kritik. So what?

19451960198020002020

Die deutsche Religionsjournalistin Christiane Florin legt in ihrem neuen Buch "Der Weiberaufstand" eine Streitschrift zum Thema Frauen in der Kirche vor. Manches darin lässt sprachlos zurück.

19451960198020002020

Die deutsche Religionsjournalistin Christiane Florin legt in ihrem neuen Buch "Der Weiberaufstand" eine Streitschrift zum Thema Frauen in der Kirche vor. Manches darin lässt sprachlos zurück.

Werbung
Werbung
Werbung

Wäre sie eine akademisch tätige Theo login, Religionslehrerin oder Ordensfrau, hätte Christiane Florin wohl mit dem Entzug der Lehrerlaubnis, der Missio canonica oder mit ordensdisziplinarischen Maßnahmen zu rechnen. Aber die Bonner Politikwissenschaftlerin und Journalistin, Ressortleiterin "Religion und Gesellschaft" beim Deutschlandfunk, steht gerade nicht im kirchlichen Dienst. Dafür ist sie gerne katholisch. Dass es auch heute in der katholischen Kirche einige gibt, die sie, erst Recht nach ihrem neuen Buch "Der Weiberaufstand. Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen" am liebsten mit einer neuzeitlichen Methode aus dem Verkehr gezogen sähen, nämlich als Hexe auf dem Scheiterhaufen, dafür braucht man nicht allzu viel Fantasie.

Dabei sagt Florin klipp und klar: "Ich leide nicht darunter, prinzipiell vom Amt ausgeschlossen zu sein. Priesterin wollte ich nie werden." Sie geht es grundsätzlicher an. Sie gibt sich nicht mit halben Antworten zufrieden ("Fixierung auf das Amt ist falsch"). Der selbstverordneten Frauenquote von 30 Prozent für die Verwaltung der deutschen Bistümer hält sie Alltagsrassismen, Vorurteile, zweideutige Witze oder Gehässigkeiten entgegen. Dass auch die evangelische Kirche trotz Pastorinnen nicht besser dasteht oder dass vielleicht ein Diakonat vorstellbar sei, ist für sie kein Argument.

Pontifikalamt für Tochter nicht abschreckend

Über inzwischen ergraute Protagonistinnen für die Frauenweihe liest man: "Die Kirche ist nicht einmal mehr Empörung wert." Für die eigene 13-jährige Tochter ist ein Pontifikalamt im Mainzer Dom nicht weiter abschreckend; der Mutter - Christiane Florin ist Jahrgang 1968 -fällt es noch auf: nur Männer, weder Ministrantinnen noch Chorsängerinnen. Die Tochter kommentiert lapidar: "Das ist doch in der Kirche immer so".

"Dies ist kein Betroffenheitsbuch." Florin versteht ihre Veröffentlichung als "Streitschrift und Streifzug":"Die selbstverständlichen Benachteiligungen, die Ignoranz, die Arroganz, die sich als Demut tarnt, das Nicht-Ernstnehmen, nur weil das Gegenüber eine Frau ist. Würde man so handeln und reden, weil dieses Gegenüber eine dunkle Hautfarbe hat, dann wäre man Rassist. Handelt und redet man so, weil das Gegenüber eine Frau ist, was ist man dann? Katholisch."

Eine "produktive Erschütterung"?

Florin hat eine scharfe Feder. Ich kann lachen über manche Zuspitzungen, die da und dort kabarettesk wirken. Viele Übertreibungen ärgern, manche verletzen, sind ungerecht. Aber als Mann und Priester - ein doppelter Malus - muss ich mich mindestens fragen (lassen): Wirkt so eine "Männerkirche" auf eine engagierte Frau? Nachdenklich lässt mich dieses Buch zurück, auch betroffen. Florin möchte -mindestens - "eine produktive Erschütterung" auslösen, konkret: "Ich wünsche mir eine Lockerungsübung, die zu einer grundsätzlich neuen Haltung führt: Im Zweifel für die Ausgeschlossenen."

Diejenigen, die auf "Errungenschaften" ausweichen ("Es gibt wichtigere Themen"), nennt Florin "Whataboutisten". Herumeierer auf gut Wienerisch. Im O-Ton: "Weiberaufstand heißt, sich nicht von solchen Floskeln sedieren zu lassen. Weiberaufstand heißt, nicht nur zu bitten, sondern zu fordern. Weiberaufstand heißt, um Macht zu streiten. Frauen schweigen gern dazu."

Die Erklärung "Inter Insigniores" (1976) der Glaubenskongregation und die Enzyklika "Ordinatio Sacerdotalis" (1994) von Papst Johannes Paul II. konnten die Debatte nicht stoppen. Als Seminarist, vor über 35 Jahren, hätte mich ein solches Buch irritiert. Wenn eine Mitstudentin meinte, sie fühle sich zur Priesterin berufen, ging ich in Abwehrstellung. Nach mittlerweile 32 Ordensjahren habe ich als Jesuit die ignatianische "Unterscheidung der Geister" internalisiert. Wie mit einem solchen Wunsch theologisch umgehen? Manche Argumente von damals überzeugen mich heute gar nicht mehr. "Die Frauenfrage", so Florin, "ist eine Machtfrage

Das Bild der Tür wird in der Kirche verräterisch oft strapaziert. Die Tür ist zu, hören alle, die nach der Frauenordination fragen. Türsteherposten sind Machtposten."

Kardinal Raymond Burke, der Papst Franziskus seit "Amoris laetitia" permanent belehrt und verdächtigt, kommt vor ("Die Kirche ist verweiblicht"). Bei Augustinus und Thomas von Aquin lassen sich diskriminierende Äußerungen gegen Frauen aufspüren, aber auch bei dem evangelischen Theologen Friedrich Wilhelm Graf. Man begegnet dem Ausdruck "Käßmannisierung". Eine Moderatorin wird zitiert, die den Unterschied zwischen evangelischer und katholischer Kirche damit charakterisiert, dass in ersterer "beim Stierkampf jetzt auch Kühe zugelassen würden." Wohin man schaue, gelte die "OO-Perspektive":"Ohne Ordination". Frauen als "Maskottchen" oder als "Erdbeeren auf der Torte" (Papst Franziskus): Florin mag den argentinischen Papst, nicht aber dessen "Anekdotenwelt".

"Klerikal kann niemals männlich sein"

Maria als Kompensationsfigur für zölibatäre Männer, bischöfliche und päpstliche Wortmeldungen zum Wert der Frau ("Berufung ist ein Männergespräch"), ein Besuch in Zaitzhofen, dem deutschen Priesterseminar der Piusbrüder, weltkirchliche Befindlichkeiten Die vom tschechischen Bischof Felix Davídek geweihte Priesterin Ludmilla Javorová findet Erwähnung, natürlich auch die unerlaubte Weihe der Priesterinnen auf dem Donauschiff, die exkommuniziert wurden. Es stößt mir auf, Pauschalsätze wie diesen zu lesen: "Der Ausschluss vom Amt entzieht sich jeder rationalen Begründung." Den "Tag der Diakonin"(29. April) bezeichnet Florin als "Versuch, einen Bypass um das päpstliche Schreiben ,Ordinatio Sacerdotalis' zu legen":"Männer definieren immer noch die Grenzen der Großzügigkeit."

Anders als Florin, die ihr Buch auch als "humorvoll", stellenweise "spöttisch" versteht, löst vieles bei mir Beklommenheit aus. Wie kann man als Mann auf etliche Bemerkungen überhaupt reagieren? "Die Frauenfrage ist in liberalen Runden zur Altlast geworden, ein Spaßbremsenhobby, das die gute Laune stört." Was sagen selbstbewusste Frauen zu diesem Buch? Was hält man der Frage "Will der Vatikan in einem Atemzug mit Saudi-Arabien genannt werden?" entgegen?

"Leitung ist klerikal und männlich. Entscheidung ist klerikal und männlich. Klerikal kann niemals männlich sein." Manches hier lässt sprachlos zurück. Will man als Mann einer solchen Kirche angehören? Wie viel Generalverdacht muss man dabei aushalten? Darf man auf Papst Franziskus hoffen? Mein Resümee: Mehr Nachdenklichkeit als zuvor!

Der Autor ist Jesuit und Chefredakteur der "Stimmen der Zeit", München

Der Weiberaufstand

Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen.

Von Christiane Florin, Kösel 2017.

173 Seiten, kart., € 18,50

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung