Schauplatz der Geschichte

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Als 1857 das spätere österreichische Hospiz in Jerusalem, das älteste nationale Pilgerhaus im Heiligen Land, im Bau stand, schrieb der Legationssekretär an der kaiserlichen Vertretung in Konstantinopel, Franz Ritter von Reyer, an Kardinal Rauscher in Wien, das Haus werde "nicht nur das schönste Hospiz, sondern auch das solideste Gebäude weit und breit im Orient" sein.

In jener Zeit, da noch arabische Beduinen die Straßen unsicher machten, war diese Prophezeiung nicht weit hergeholt. Aber schon die Planungs- und Bauzeit vor der Einweihung 1863 war durch die politischen und religiösen Konflikte jener Zeit beeinflusst - und so sollte es auch durch die nun fast 140 Jahre des Bestehens des Hauses an der Via Dolorosa bleiben.

In den Wiener Plänen sahen die Franzosen ihr Protektorat für die Christen in Palästina gefährdet, die geplante Entsendung österreichischer Franziskaner stieß in Rom auf Widerstand. Der lateinische Patriarch in Jerusalem suchte lange den Bau, später den Zuzug österreichischer Schwestern zur Pflege erkrankter Pilger und zur Führung des Haushaltes zu verhindern.

Nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867 wurde auch das Hospiz auf "österreichisch-ungarisches Pilgerhaus zur Heiligen Familie" umbenannt - aber erst 1895 kam erstmals ein Ungar als Vizerektor nach Jerusalem und die finanzielle Mithilfe der ungarischen Bischöfe blieb minimal.

Im Ersten Weltkrieg musste das Haus als Lazarett herhalten, als k.u.k. Gebirgsartillerie an der Suezfront eingesetzt war und die rückwärtigen Stäbe in Jerusalem saßen. Als im Dezember 1917 der englische General Allenby kampflos in Jerusalem einzog, wurde er vom Rektor des Hospizes und Weihbischof des Patriarchen, Franz Fellinger, als dem ranghöchsten Vertreter der katholischen Kirche begrüßt.

Wenige Wochen später wurden das Pilgerhaus beschlagnahmt, arabische Kinder dort untergebracht und Fellinger als Internierter nach Australien gebracht. Erst 1919 konnte er das devastierte Haus wieder übernehmen.

Erst die Zwanzigerjahre brachten langsam wieder einen Aufschwung der Pilgerfahrten. Kardinal Theodor Innitzer hatte selbst als Kurator des Pilgerhauses gewirkt und sorgte nun für seine Unterstützung. Der Ausbruch des Abessinien-Kriegs 1935, dann der Aufstand der Araber gegen die britische Mandatsmacht ließen den Pilgerstrom wieder zurückgehen. In dieser Zeit verstärkte sich mit der zunehmenden jüdischen Einwandeung in Palästina auch der Konflikt zwischen Arabern und Juden.

Die deutsche Machtübernahme in Österreich wurde in Jerusalem durch die Kämpfe der Araber gegen die Briten überdeckt, aber schon bald setzten die Versuche ein, das Hospiz - im Volksmund nach wie vor das "Austrian hospice" gleichzuschalten. Der Kriegsausbruch beendete die Bemühungen. Im Haus wurde von den Engländern ein Internierungslager für deutsche Geistliche der eingerichtet.

Noch bevor am 15. Mai 1948 die Engländer ihr Mandat über Palästina aufgaben und der Staat Israel ausgerufen wurde, führten arabische und jüdische Truppen blutige Kämpfe um die neuen Grenzen. Die Altstadt Jerusalems blieb im jordanischen Territorium.

Im österreichischen Hospiz, nun arabisches Spital, schlugen trotz der Rotkreuz-Fahne die Granaten ein. Und arabisches Spital blieb das Haus auch nach dem Siebentagekrieg 1967, denn die anderen - privaten - arabischen Krankenhäuser waren für die arme Bevölkerung unerschwinglich, in den jüdischen wollten sich die Palästinenser nicht behandeln lassen.

Die Rückgabe Seit den siebziger Jahren liefen Verhandlungen zwischen den israelischen Behörden und der Kirche in Wien um die Räumung und Rückgabe des Hauses - immer wieder verzögert durch die Unmöglichkeit, die medizinische Versorgung der Menschen in Jerusalem sicherzustellen. Der Konflikt eskalierte, als israelische Polizei das Spital überfallsartig räumte und Österreichs Innenminister Karl Blecha - in Vertretung des Außenministers Leopold Gratz - eine scharfe Note in Tel Aviv übergeben ließ.

Am 19. März 1988 - dem 125. Jahrestag der Einweihung der Hospizkapelle wurde das Pilgerhaus offiziell wiedereröffnet. Der Pilgerbetrieb konnte wieder aufgenommen werden. Nun war Generalabt Gebhard Koberger in Wien Kurator des Hauses, der Bibelwissenschaftler Wolfgang Schwarz der Rektor des Hauses. Im November 1869 war Kaiser Franz Joseph im Zug einer Pilgerreise ins Heilige Land der höchste Gast der ersten Periode des Hospizes gewesen, genau 125 Jahre später besuchte Bundespräsident Thomas Klestil das Haus.

Inzwischen aber hatte die Intifada die Lage im Heiligen Land neuerdings verschärft. Zur Zeit sieht es nicht danach aus, als ob dem Österreichischen Hospiz eine ruhigere Zeit bevorstünde.

Das österreichische Hospiz in Jerusalem. Geschichte des Pilgerhauses an der Via Dolorosa. Von Helmut Wohnout. Verlag Böhla,u Wien 2001. 227 Seiten, geb., öS 423,-/e 30,74

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