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Scheidung auf katholisch

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Wo der Papst recht hat, hat er recht. Er findet, daß die Rischöfe der USA mit der Möglichkeit, kirchlich geschlossene Ehen für ungültig zu erklären, zu großzügig umgehen. In der Tat wurden 1968 nur 338 Ehen von kirchlichen Ehegerichten der USA annulliert - heute sind es jährlich an die 60.000.

Früher galten Geisteskrankheit, Impotenz oder NichtVollzug aus anderen Gründen als Annullie-rungsgründe. Heute werden die für eine Annullierung vom Kirchen-recht geforderte psychische Unfähigkeit, wesentliche Ehepflichten zu übernehmen, sowie der „schwere Mangel an Urteilsvermögen” (Canon 1095) sehr großzügig ausgelegt. Diese Haltung entspringt dem ehrlichen Remühen, die moderne Eheproblematik halbwegs zu bewältigen - aber sie erweckt den Eindruck der Unehrlichkeit und wurde in den USA, wo 90 Prozent aller Antragsteller durchkommen, von Kritikern längst zynisch als „Scheidung auf katholisch” abgetan, die besonders Leuten mit guten Verbindungen zu kirchlichen Stellen zugute kom-

Dieses Urteil trifft heute, da man um Großmut gerade auch gegenüber Nichtprominenten bemüht ist, sicher nicht mehr zu. Dennoch hat gerade der jüngste Antrag aus dem Kennedy-Clan diese Praxis wieder einmal thematisiert. Joe Kennedy, ältester Sohn Robert Kennedys und Gouverneursanwärter, begehrte eine Ungültigerklärung seiner Ehe wegen „Mangels an Urteilsvermögen”. Das aber brachte seine von ihm verstoßene Frau, die ihm zur standesamtlichen Wiedervereheli-chung mit einer Mitarbeiterin noch alles Gute gewünscht hatte, auf die Palme. Sheila Rauch-Kennedy schrieb ein Ruch: „Shattered Faith”.

Zwölf Jahre lang, so ihr Argument, waren wir verheiratet, sehr glücklich, bis die neue Frau auftauchte, Zwillinge habe ich geboren, und jetzt soll das Ganze gar keine Ehe gewesen sein? Und hier haken auch andere Kritiker, auch katholische, ein: Weil die Kirche nicht bereit sei, aus einer gescheiterten Ehe Konsequenzen zu ziehen, fliehe sie in die Fiktion, diese Ehe habe gar nicht bestanden - das sei unehrlich, füge den Scheinheiligkeiten rund um Homosexualität, Zölibatsbruch und Priesterkinder eine weitere hinzu und führe nicht nur bei Sheila Rauch-Kennedy zu einer „Erschütterung des Glaubens”.

Das Ehegericht der Erzdiözese Boston hat die Annullierung erwartungsgemäß gewährt, die empörte Ex-Gattin aber hat bei der vatikanischen Rota Rerufung eingelegt. Deren Urteil steht noch aus. Das Thema ist aber auch für andere Länder aktuell, weil sich auch in Europa eine Tendenz abzeichnet, gescheiterte Ehepaare auf die Möglichkeit einer Annullierung zu verweisen. Das ist gut gemeint, aber in vielen Fällen eine Flucht vor der Wirklichkeit und ein Verrat am verstoßenen Eheteil.

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