"Schlagen uns nicht die Köpfe ein"

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Die Österreichische Galerie Belvedere feiert ihren 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass fand vor kurzem ein Symposium statt, das im Frühjahr 2004 im WUV-Universitätsverlag erscheinen wird. Im Furche-Gespräch mit Direktor Gerbert Frodl geht es um das Profil der Österreichischen Galerie Belvedere in der neuen Wiener Museumslandschaft und um die Restitution von Gemälden.

Die Furche: Museen müssen - besonders seit der Vollrechtsfähigkeit - Massen in Ihre Häuser ziehen, um finanziell überleben zu können. Sie selbst haben mit der Monet-Schau und den beiden Klimt-Ausstellungen die Besucherzahlen des Belvederes in die Höhe schnellen lassen. Finden Sie diese Entwicklung - nur mehr Ausstellungen für ein Massenpublikum zu veranstalten - nicht bedenklich?

Gerbert Frodl: Natürlich! So gut wie jeder verantwortungsvolle Museumsmann denkt darüber nach, wie er diesem Ausstellungskarussell entkommen kann. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber man kann schon betonen, dass das Zentrum eines Museums seine Sammlung ist. Es ist eine Gratwanderung - man muss das richtige Maß finden.

Die Furche: In den letzten Jahren hat sich die Museumslandschaft in Wien völlig verändert. Konkurrenzieren sich die Museen nicht gegenseitig nieder?

Frodl: Bis jetzt haben sich diese Veränderungen nur positiv ausgewirkt. Ich glaube nicht, dass wir seit der Eröffnung des Leopold Museums oder der Wiedereröffnung der Albertina einen Besucher weniger haben. Wir haben eher die umgekehrte Erfahrung gemacht. Wenn die Qualität stimmt und die Häuser bereit sind, sich auf ihre eigenen Kompetenzen zu konzentrieren, dann wird dieser Effekt auch bleiben.

Die Furche: Es entsteht aber der Eindruck, dass stärker das Gegeneinander als das Miteinander dominiert...

Frodl: Dieser Konkurrenzkampf wird in den Medien übertrieben, obwohl ein wahrer Kern dran ist. Es gibt kein gegenseitiges KöpfeEinschlagen - zumindest nicht mit mir. Ich bin der Meinung, dass es ein marktwirtschaftliches Konzept gibt - und dieses wird von selbst eine Regelung herbeiführen.

Die Furche: Ist es nicht besonders wichtig, dass jedes Museum seine eigene Identität hervorkehrt? Welche Kontur hat die Österreichische Galerie?

Frodl: Die Österreichische Galerie hat eine breit gefächerte Sammlung: eine Mittelalter-Sammlung, das erste Barockmuseum, das es je gegeben hat, eine Sammlung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, und jetzt ein Haus, das sich aufs 20. Jahrhundert konzentriert - und unsere Spielwiese im Augarten. Jedes dieser Häuser hat seine Bestimmung. Das heißt nicht, dass man sklavisch daran festhalten muss. Freiheit muss jeder haben. Aber manchmal wird diese Freiheit ein wenig zu weit ausgelegt.

Die Furche: Wie meinen Sie das?

Frodl: Manche entfernen sich zu weit von den eigentlichen Aufgaben, wie sie durch die Museumsordnung festgelegt wären. Das Museum für angewandte Kunst sollte sich doch mehr um die angewandte Kunst kümmern als es das derzeit tut.

Die Furche: Mit der Entscheidung, das 20er Haus (siehe Text unten links) der Österreichischen Galerie zuzusprechen, sind nicht alle glücklich. Wäre das Museum moderner Kunst nicht die geeignetere Institution, um das 20er Haus zu bespielen?

Frodl: Das MUMOK hätte sagen können, wir wollen das 20er Haus unbedingt behalten. Aber das haben sie nicht gemacht. Als wir es dann bekommen haben, wollten sie es plötzlich. Hier habe ich überhaupt kein Verständnis!

Die Furche: Es ist doch so, dass das Belvedere - zumindest vor Ihrer Amtszeit - die Gegenwartskunst sehr vernachlässigt hat...

Frodl: Es ist völlig absurd, darüber zu reden, was vor meiner Amtszeit war! Die Kulturpolitiker, auf die es ankam, und auch die meisten meiner Museumskollegen finden es ganz toll, dass das 20er Haus jetzt ans Belvedere angehängt wird, weil es eine natürliche Ergänzung ist - sowohl inhaltlich als auch geografisch.

Die Furche: Was wollen Sie dort zeigen?

Frodl: Das Belvedere hat eine ausnehmend gute Sammlung der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts nach 1918 - das ist der österreichische Expressionismus, die österreichische Zwischenkriegszeit mit dem Hagenbund und dem, was der "Neuen Sachlichkeit" ähnlich sieht - und dann die österreichische Kunst nach 1945 bis in die jüngere Vergangenheit. All das soll in jährlicher Rotation im ersten Obergeschoss des 20er Hauses gezeigt werden - und das Untergeschoss muss für Veranstaltungen und Ausstellungen vermietet werden. Die jüngste Kunst präsentieren wir im Augarten.

Die Furche: In der Geschichte der Österreichischen Galerie gibt es ein Hin und Her in Bezug auf die Vorstellung, ob es ein österreichisches oder internationales Museum sein soll...

Frodl: Fast alle Nationalgalerien besitzen internationale Kunst. Der Name "Österreichische Galerie" hat von Anfang nicht geheißen, dass sich das Museum allein um die österreichische Kunst zu kümmern hat. Sie hat zwar eine Kernaufgabe mit der Pflege der österreichischen Kunst, diese Kunst soll aber mit der internationalen konfrontiert werden.

Die Furche: Ende der neunziger Jahre wurde der Österreichischen Galerie wiederholt vorgeworfen, sie pflege einen nachlässigen Umgang mit der Restitution - etwa dass das Adele Bloch-Bauer-Porträt, das später restituiert wurde, auf dem Plakat der Schau "Klimt und die Frauen" prangte... Würden Sie heute nicht manches anders machen?

Frodl: Das kann schon sein. Aber es ist nicht die Entscheidung des Museums, was zu restituieren ist, sondern die der zuständigen Ministerin.

Die Furche: Aber Sie selbst haben einmal die Wahl dieses Bildes als "peinlich" bezeichnet...

Frodl: Das habe ich gesagt. Aber ich habe die wahre Brisanz der Erwerbung dieses Bildes zum Zeitpunkt, als wir es als Werbeträger ausgesucht haben, nicht gekannt - sonst hätte ich es nie gemacht. Ich habe aber gelernt und bin, was den Umgang mit Medien betrifft, erfahrener geworden. Es hat mir aber nie Leid getan, dass etwas zurückzugeben war.

Die Furche: Sie haben aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums das Schiele-Porträt von Franz Martin Haberditzl, einem der bedeutendsten Direktoren der Österreichischen Galerie, erhalten. Wenn Sie sich selbst in hundert Jahren sehen möchten: Von welchem Künstler sollte Ihr Porträt sein?

Frodl: Vor 20 Jahren hätte ich gesagt, Max Weiler. Heute kann ich diese Frage nicht mehr beantworten. Es gibt viele Künstler, die ich sehr schätze, aber keiner macht Porträts. Ich denke noch darüber nach...

Das Gespräch führten Johanna Schwanberg und Cornelius Hell.

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