Schöpferisch der Krise begegnen

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Vor 250 Jahren wurde der Wiener Stadtpatron Klemens M. Hofbauer geboren. Hofbauers Erneuerung der Kirche ist beispielhaft - auch in der gegenwärtigen Krise institutioneller Kirchlichkeit.

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Vor 250 Jahren wurde der Wiener Stadtpatron Klemens M. Hofbauer geboren. Hofbauers Erneuerung der Kirche ist beispielhaft - auch in der gegenwärtigen Krise institutioneller Kirchlichkeit.

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Vor 250 Jahren wurde in Taßwitz, Mähren, Klemens Maria Hofbauer geboren. Die Hauptorte seines Wirkens waren Warschau (1788 bis 1808) und Wien (1808 bis 1820). Er wird als Apostel von Wien und Warschau bezeichnet. Seit 1914 ist er auch Stadtpatron von Wien. Klemens M. Hofbauer war umstritten. Er wurde von den einen verehrt, von anderen abgelehnt. Am Ende seines Lebens sagte er selbst: "Viele haben sich niedergeworfen und meine Fußstapfen geküsst, dreimal so viele haben mich mit Kot beworfen." Seine Gegner waren nicht nur Feinde des Glaubens, sondern vor allem kirchliche und staatliche Vertreter der Reformideen der Aufklärung. Auch heute ist Klemens M. Hofbauer nicht unumstritten. Aber er wird von den meisten geachtet, schon wegen der Lauterkeit seiner Person und seiner leidvollen Lebensgeschichte. Klemens M. Hofbauer war auf alle Fälle ein großer Seelsorger.

Ich möchte mich im Folgenden auf die Frage beschränken: In welcher Weise kann Klemens M. Hofbauer exemplarisch sein für die Pastoral in unseren Tagen? Welche Impulse können diesbezüglich von ihm ausgehen? Ich möchte einiges nennen, was mir bei der Lektüre der Biographien aufgefallen und eingefallen ist.

I. Das wichtigste Medium der Pastoral ist die Person des Seelsorgers, der Seelsorgerin. Klemens M. Hofbauer ist im Laufe seines Lebens zu einer überzeugenden, gläubigen christlichen Persönlichkeit geworden mit einer spirituellen Ausstrahlung bei den einfachen Leuten und bei den Intellektuellen. Seine Person ist das Geheimnis seiner Wirksamkeit, der Grund seines "Erfolgs" in der Pastoral, aber auch der Grund der Herausforderung für jene, die ihn ablehnen. Eine solche Person muss nicht fehlerfrei sein. Hofbauer hat seine charakterlichen Schwächen und Grenzen, er kann zum Beispiel jähzornig und grob sein, aber dies wird in Kauf genommen. Er bleibt eine beeindruckende christliche Persönlichkeit. Bei dem Gesprächsvorgang in der Erzdiözese Wien "Kirche für die Zukunft" wurde die "Personalentwicklung" als erstes und dringendes Anliegen genannt. Im Blick auf Klemens M. Hofbauer ist dies eine Personalentwicklung eigener Art.

Klemens ist nicht nur selbst eine christliche Persönlichkeit geworden. Die Gewinnung und Ausbildung von Mitarbeitern in der Pastoral ist auch eines seiner großen Anliegen.

"Ich suche einen festen Ort, wo ich Mitarbeiter sammeln und sie für die Arbeit tüchtig machen kann ... Hier würde ich Franzosen, Deutsche, Polen versammeln, überhaupt junge Männer aus den verschiedensten Nationen, um sie der Reihe nach zu zweien in die Länder auszusenden, sobald Gott sie ruft."

Dieses Projekt hat Hofbauer sein Leben lang verfolgt, es ist aber auf Grund äußerer Widerwärtigkeiten nicht gelungen. Er hätte die Fähigkeit gehabt, solche junge Menschen geistlich zu begleiten und zu formen.

II. Die Art und Weise der Pastoral von Klemens M. Hofbauer. Wir sprechen heute von den drei Grundfunktionen, der Verkündigung, der Liturgie und der Diakonie. Bei Klemens M. Hofbauer sind diese drei Grundformen kirchlichen Lebens und kirchlicher Tätigkeit innigst miteinander verbunden; sie stützen und fördern sich gegenseitig. Und dies sowohl in seiner Tätigkeit in Warschau wie auch in Wien. Die Verkündigung des Wortes Gottes ist verbunden mit einer festlichen Liturgie, die Glaubenserfahrung ermöglicht, wie auch mit einer tatkräftigen Nächstenliebe, mit dem Dienst an den Armen.

Die Caritas lebt aus der Kraft der Verkündigung und Liturgie und macht zugleich Verkündigung und Liturgie glaubwürdig. Wir leben in einer Zeit der Spezialisierung. Die Grundformen kirchlichen Lebens und kirchlicher Tätigkeit fallen vielfach auseinander und verlieren so an Kraft. Es bedarf christlicher Gemeinden und Gemeinschaften, in denen das Miteinander und Ineinander dieser Grundvollzüge der Kirche zurück gewonnen wird. Das gilt auch für das persönliche Leben eines Christen: Das Hören des Wortes Gottes, Gebet und Liturgie und der Dienst an den Nächsten, besonders an den Armen, sind Grundelemente jedes christlichen Lebens.

III. der Krise schöpferisch begegnen. Klemens lebt in einer Zeit des Umbruchs und des Aufbruchs, ähnlich wie wir. In solchen Zeiten entstehen Krisen und verstärken sich die Gegensätze. Klemens ist eine Kämpfernatur, die deutlich seine Meinung äußert und vertritt. Aber das Kämpferische ist nicht ein Merkmal seines Wirkens. Er begnügt sich nicht mit der Gegnerschaft. Er ist vielmehr schöpferisch im Guten. Er will der Krise schöpferisch begegnen. Er sucht immer einen Ort, wo er wirken kann. Und wo er mit seinen Mitbrüdern einen solchen Ort findet, dort bricht ein neues Leben auf, in Warschau, wie auch in Wien.

Für mich ist Klemens M. Hofbauer einer der Pioniere für den Aufbruch des kirchlichen Lebens im 19. Jahrhundert, der in den letzten Jahrzehnten leider oft unterbewertet wurde. Klemens M. Hofbauer kann uns inspirieren, wie wir heute der Krise schöpferisch begegnen können: Nicht Gegnerschaft, sondern schöpferisch sein im Guten ist eine Herausforderung in unserer Zeit.

IV. Klemens M. Hofbauer kann nicht gleichgültig bleiben. "Wie könnte ich indifferent bleiben, wenn ich den traurigen Zustand betrachte, in dem sich die Religion in Deutschland befindet, in Frankreich, ja leider in ganz Europa."

Klemens M. Hofbauer lässt sich berühren und betreffen von den sittlichen, religiösen, materiellen Nöten seiner Zeit, wie auch von den Missständen in der Kirche, die aus verschiedensten Gründen ihren Auftrag nicht erfüllt. Er ist beseelt vom "apostolischen Eifer", der auch nach den größten Misserfolgen, Enttäuschungen und Verfolgungen immer neu erwacht und ihn nicht zur Ruhe kommen lässt.

In der Sprache seiner Zeit sind es vor allem drei Motive, die ihn bewegen: die Ehre Gottes, das Wohl der Kirche und das Heil der Seelen. Vielleicht tragen manche Motive heute nicht, die Klemens M. Hofbauer nicht zur Ruhe kommen lassen, trotzdem kann er in seinem Eifer für uns exemplarisch sein. Wir sollen an den verschiedenen Schicksalen der Menschen Anteil nehmen und ihnen das Evangelium - die frohe Botschaft - bringen.

V. Klemens M. Hofbauer ist überzeugt, dass viele Menschen für das Evangelium ansprechbar sind "Das Volk hasst die Irreligiösität; es hört die Wahrheit mit Freuden, es schließt sich eng an die Priester an, die ihm den Weg zum Himmel zeigen. Ich habe das überall erfahren, wohin mich die Stürme, die jetzt Europa aufwirbeln, geschlagen haben." In einer Zeit, in der das Christentum weitgehend zum Moralismus verkümmert und die Aufgabe der Kirche vor allem darin gesehen wird, gute Staatsbürger zu erziehen, verkündet Hofbauer das Wesentliche des Christentums, das echte Evangelium. Und er macht die Erfahrung, dass viele Menschen dafür ansprechbar sind.

Wir stehen heute vor ähnlichen Herausforderungen. Nach allen Umfragen wächst in unserer Zeit das Interesse für Religion, es gelingt aber den Großkirchen kaum, das Evangelium als Antwort auf das religiöse Suchen des heutigen Menschen zu verkünden.

VI. Klemens M. Hofbauer kann Vorbild sein kann für die Zusammenarbeit mit den Laien. Er hat seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Nebensächlichkeiten anvertraut. Das Waisenhaus und die Schulen in Warschau sind ohne Mitarbeit der Laien undenkbar. Im "Hofbauerkreis" in Wien waren Laien die Hauptakteure und Hauptverantwortlichen verschiedener Aktivitäten und Klemens Hofbauer war der Inspirator und für einige der persönliche Begleiter.

Ein Fundament dieser Zusammenarbeit war das Gespräch, das persönliche Gespräch mit Einzelnen, aber auch das Gespräch in den Salons und in verschiedenen Kreisen. Ohne Erfahrungs- und Gedankenaustausch ist ein partnerschaftliches Zusammenwirken nicht möglich. Bei Klemens war dies vor allem ein Gespräch unter Freunden, das Gespräch mit Gegnern war damals wohl von beiden Seiten kaum möglich. Heute erleben wir eine ähnliche Situation. Es wird viel von Dialog gesprochen. Er gelingt meist nur unter Gleichgesinnten, selten unter Gegnern. Das Gespräch über die Zäune ist vordringlich.

VII. Klemens M. Hofbauer war sein Leben lang auf der Suche: zuerst durch zwei Jahrzehnte nach seinem Lebensweg und seinem Beruf, dann um seine Berufung als Priester und Ordensmann zu leben. Er hatte viele Möglichkeiten zu resignieren, zu versandeln und die Zeit zu vergeuden. Aber diese langen Wegstrecken des Suchens waren keine vergeudete Zeit. Er verstand es, die Zeit zu nutzen. Es waren trotz vieler Ungewissheiten erfüllte Zeiten: Klemens Hofbauer ist ein schöpferisches Vorbild im Umgang mit der Zeit.

Der Autor, Redemptoristenpater, ist Bischofsvikar für die Orden in der Erzdiözese Wien.

Termine zum Klemens-Jahr (Auswahl): Aus dem Veranstaltungskalender zum Klemens-Jahr 2001 Wanderausstellung "Den Menschen die Frohe Botschaft bringen": bis 6. April in der Kirche Maria am Gestade, Salvatorgasse 12, 1010 Wien; danach bis 7. Dezember an verschiedenen Orten (NÖ: Mödling, Katzelsdorf, Eggenburg, Poysdorf; OÖ: Attnang-Puchheim; Tirol: Innsbruck; Stmk.: Leoben; Bgld.: Mariasdorf, Oberpullendorf; Wien: Lainz, Hernals, Am Hof) Informationen: Redemptoristenkolleg, 1010 Wien, Salvatorgasse 12, Tel. 01/5339594-13, E-Mail: kubiko@mfe.at * Sonntag, 11. März, 10.15 Uhr Festgottesdienst mit Kardinal Christoph Schönborn, Stephansdom, Wien * Donnerstag, 15. März, 10.15 Uhr Festgottesdienst mit dem Generalvikar der Redemptoristen, P. George Darlix, Maria am Gestade, Wien * Samstag, 24. März, 18.00 Uhr Festgottesdienst mit Bischof Alois Kothgasser, Herz-Jesu-Kirche, Maximilianstraße 8, 6020 Innsbruck * Freitag, 22., bis Samstag, 23. Juni Klemens M. Hofbauer in Wien (1808-1820) - Seine Herausforderung damals und heute. Ökumenische Studientagung. Kardinal-König-Haus, Lainzer Straße 138, 1010 Wien * Sonntag, 1. Juli, 11.00 Uhr Wallfahrt der Pfarr- und Klostergemeinden der Redemptoristen und Freunde der Redemptoristen nach Taßwitz bei Znaim/Tschechien, dem Geburtsort von Klemens M. Hofbauer. Festgottesdienst mit Bischof Antonin Liska CSsR, Budweis * Mittwoch, 17. Oktober, 19.00 Uhr "Bemüht euch um das Wohl der Stadt" (Jer 29,7) Festvortrag, Rathaus, 1010 Wien * Donnerstag, 18. Oktober, bis Freitag, 19. Oktober Den Menschen heute das evangelium bringen. Symposium über Großstadtpastoral, Kardinal-König-Haus, 1130 Wien, Lainzer Straße 138 Genaue Informationen zu den angekündigten Veranstaltungen und den weiteren Aktivitäten im Klemensjahr 2001: Provinzialat der Redemptoristen, 1010 Wien, Salvatorgasse 12, Tel. 01/5339594-13, Fax: -14 Ausführliche Informationen gibt es auch im Internet unter: www.klemens-hofbauer.at

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