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Zum 60. Geburtstag von Heinz Nußbaumer.

Am 5. Juni begann der Krieg, den man später den Sechs-Tage-Krieg nennen würde. Israel kämpfte gegen drei Armeen, im Sinai, am Jordan, an den Golanhöhen. David gegen Goliath, so schien es. Die Sympathien der westlichen Welt galten den bedrängten Israelis. Für sie fühlten wir uns besonders verantwortlich, nach Auschwitz, nach dem Holocaust.

Fast alle Zeitungen entsandten Sonderberichterstatter nach Israel. Für den Kurier entsandte ich Heinz Nußbaumer, gerade erst 24 Jahre alt, aber schon einer der Besten in unserer Redaktion. Am nächsten Tag traf sein erster Bericht ein, von der Front im Sinai. Nußbaumer war ganz vorne mit dabei. Und er blieb vorne mit dabei, bei den Israelis, die den Ägyptern nun nachsetzten. Doch seine Berichte nahmen einen besonderen Charakter an. Nußbaumer hörte nicht mehr die Geschütze der Panzer, nicht das Dröhnen der Düsenbomber. Er sah etwas ganz anderes: Schuhe. Viele hundert Schuhe, ausgezogen und weggeworfen im Sand der Wüste. Vor uns entstand ein anderes Bild von diesem Krieg. Die Schuhe, die Nußbaumer sah. Und in denen er eine ganz andere Seite des Krieges erkannte. Die ägyptischen Soldaten hatten sie ausgezogen und liegengelassen, denn ihre bloßen Füße konnten sie auf ihrer Flucht schneller tragen als die ungewohnten Schuhe. Sie waren Fellachen, Söhne armer ägyptischer Bauern. In einen Krieg geführt, für den sie in keiner Weise vorbereitet waren. Sie hatten nicht einmal gelernt, in Schuhen zu laufen. Darüber machten sich andere Berichterstatter lustig. Heinz Nußbaumer war betroffen. Eine seiner großen Qualitäten kam zum Ausdruck: Mitgefühl mit den Schwachen zu haben. Verständnis und Gerechtigkeit für den underdog zu fordern.

Weshalb ich heute daran denke, an diesen Bericht des Heinz Nußbaumer und an die vielen Berichte, Kommentare und Analysen, die er in all den Jahren danach schrieb? Weil mir dieser Bericht den Zugang zu dem ganz Besonderen in dem Journalisten und dem Menschen Heinz Nußbaumer öffnete. Zu dem Menschen, der der heutige Herausgeber der Furche ist und dessen Geburtstag wir in dieser Woche (16. Juli) feiern. Ein Journalist, der sich nicht blenden lässt von der Entfaltung der Macht, nicht vom Glanz und der Glorie einer Kriegsmaschine und auch nicht von großen Worten.

Mit den Großen der Politik

Und deren hat er viel gehört. Die Namen derer, die Nußbaumer meist als erster und oft als einziger österreichischer Journalist zu ihrer Meinung und ihrer Politik befragte, diese Liste liest sich wie das Who is Who der politischen Prominenz in den letzten Jahrzehnten der Weltgeschichte: Die Präsidenten Ronald Reagan und George Bush, Michail Gorbatschow, Gamal Abdel Nasser, Anwar Sadat und Hafez al-Assad, die Könige Hussein und Feisal, Schah Reza Pahlevi und Prinz Sihanouk, die Ministerpräsidenten Tschu En-lai, Indira Gandhi, Margaret Thatcher, die Bundeskanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl, die Revolutionsführer Muammar Gaddafi und Yasser Arafat und viele, viele mehr.

An den ersten seiner Berichte und Interviews konnte ich mich noch als Chefredakteur des Kurier erfreuen, viele habe ich danach gelesen. Sie alle zeichnete und zeichnet ein hervorstechendes Merkmal aus: Nußbaumer ringt immer um die Wahrheit, um Objektivität, aber nie um Äquidistanz, nie um Neutralität. Denn die gibt es nicht in Fragen des Rechts und der Gerechtigkeit. Wahr, objektiv und gerecht, das heißt Stellung zu beziehen und diese mutig zu verteidigen. Im Zweifelsfall, bei Nußbaumer, aber für den underdog zu sein, er/sie verdienen stets ein Quentchen mehr an Verständnis.

Analytiker und Berater

Seine Berichte, seine Interviews durchbrachen Vordergründiges und erhellten die Hintergründe, und mit so manchem von dem, was er schrieb, griff er selbst in die Politik ein. Denn worüber er berichtete, was er sich an Ort und Stelle erarbeitet hatte, was er auf seine Fragen bei den Großen erfahren hatte, das fand Beachtung. Beachtung in einer damals noch außenpolitisch ungemein interessierten Öffentlichkeit, bei Bundeskanzlern und Ministern, die noch ein Sensorium für das hatten, was in der Welt rund um uns vor sich ging, wissend, dass dies sehr wohl alles seine Rückwirkung auch auf Österreich hat. Sie lernten aus Nußbaumers Berichten und scheuten sich nicht, von ihm in Privatgesprächen noch mehr zu erfahren und damit ihr eigenes Wissen zu erweitern.

Beachtung fand Nußbaumers Wirken auch international - und das bis zum heutigen Tag. Der Nahe Osten mit seinen tiefen Konflikten, Gegensätzlichkeiten, Unversöhnlichkeiten, die sich zu einem großen Teil aus sich unentwegt wiederholenden Missverständnissen ergeben, zog diesen fragenden und um die Wahrheit so bemühten, aber immer auch um Lösungen ringenden Nußbaumer stets von neuem in seinen Bann. Gerade heute, in einer Zeit der großen Verwirrungen und Irrungen in und um den Nahen Osten ist Nußbaumers Meinung, sind seine Kenntnisse noch mehr gefragt, wird er als Analytiker und Berater zu Konferenzen und Diskussionen, zu Gesprächen mit den players der Weltpolitik eingeladen, zu den Akteuren im Nahen Osten ebenso wie zu denen in den USA und Westeuropa.

Suche nach der Wahrheit, eintreten für Gerechtigkeit und Fairness, auch das bewog ihn 1990 einer Berufung von Bundes- präsident Kurt Waldheim zu folgen und die Leitung des Presse- und Informationsdienstes der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei und die Funktion des "Sprechers des Bundespräsidenten", de facto auch eines Ratgebers, zu übernehmen. Eine mission impossible, würde man meinen in Anbetracht all der Vorwürfe und Angriffe, denen Waldheim und mit ihm auch Österreich ausgesetzt waren. Und doch: Auch Journalisten, die mit den vorgefasstesten Meinungen die Hofburg betraten, verließen sie mit Hochachtung vor diesem Pressesprecher, der nichts schön zu reden versuchte, aber unverrückbar an der Wahrheit festhielt - und damit so manches ungerechte Vorurteil in eine gerechte Beurteilung wandeln konnte.

Signale aus der Hofburg

Die Waldheim-Zeit war wohl die schwierigste in Nußbaumers bisherigem beruflichem Leben. Und mit Freude stimmte Nußbaumer zu, als ihn Thomas Klestil als einzigen aus der Waldheim-Crew ersuchte, in der Hofburg zu bleiben. Darin sah Nußbaumer eine große Aufgabe. Und das war sie auch. "So gut ich das kann, will ich dabei helfen, den beschädigten Ruf Österreichs wieder herzustellen." Mit dieser Überlegung stand Nußbaumer nun auch dem neuen Bundespräsidenten zur Seite, als dieser wieder die Beziehungen Österreichs zu seinen traditionellen Freunden aktivierte, die Präsidenten der Nachbarstaaten zu Gipfelkonferenzen einlud, das Wirtschaftsforum in Salzburg gründete. Aus der Hofburg kamen die richtigen Signale. Für Nußbaumer war das ein Aufbruch, die Chancen Österreichs zu nützen.

Furche-Herausgeber

Innerösterreichisch hatte es des Präsidenten Sprecher auch unter Klestil nicht leicht. Die privaten Veränderungen in der Hofburg brachten Schwierigkeiten mit sich. Und so beschloss Nußbaumer sich doch wieder jenen Aufgaben zuzuwenden, die im Zentrum seiner jahrzehntelangen journalistischen Laufbahn standen: Durch eigenes Tun für mehr Verständnis, mehr Gerechtigkeit, mehr Fairness in der Politik, in der Gesellschaft und im Journalismus einzutreten. So leitet er als Gastgeber das viel beachtete Philosophicum im ORF, ist er Sprecher der "Initiative Qualitätsjournalismus", ist Vorstandsmitglied des "Presseclubs Concordia" und der "Bruno Kreisky-Stiftung", ist Aufsichtsratvorsitzender des "SOS Kinderdorfs Wiener Wald" - und er ist der Herausgeber einer Zeitung mit großer österreichischer Tradition, einer Zeitschrift, die die Politik und Gesellschaft der Zweiten Republik Österreich führend mitgestaltet hat, er ist Herausgeber der Furche.

Meine Gratulation zu Deinem 60. Geburtstag, lieber Heinz, und alle meine guten Wünsche zu Deinem so wichtigen Wirken für Österreich! Mit Deinen Schuhen im Sand hast Du uns einen Weg durch die Wüste zu Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Fairness auch im Journalismus gewiesen.

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