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Mittlerweile - siehe das Thema EU und Türkei - schlägt das Pendel ordentlich in die andere Richtung aus. Dabei könnte dieser, aufrichtig geführt, Entscheidendes leisten.

wäre so nicht irgendwann überholt, "aufgehoben" - sondern die demokratische Ordnung wäre um der von ihr verteidigten Werte willen, wie der gleichen Würde aller Menschen, auf den bleibenden kritischen Widerstand der Religion verwiesen.

Religion - so meine These -, die nicht längst sich selbst relativierend aufgegeben hat, vermag der pluralen Demokratie nicht die Provokation des Absoluten zu ersparen. Es geht dabei nicht bloß um den Selbstbehauptungsreflex der (christlichen) Religion, sondern um Bestand oder Untergang dessen, worauf die demokratische Ordnung letztlich baut: auf Humanität und Menschenwürde. Die Provokation des Absoluten vermag die monotheistische Tradition der (post-)modernen Welt nur um den Preis zu ersparen, dass in der Konsequenz auch aus der Rede von Humanität jeder substanzielle Gehalt ausgetrieben wird.

Konsequenz für den Dialog

Was ist die Konsequenz für den interreligiösen Dialog: Bereuen es glaubende Christen, sich dem Experiment der Aufklärung ausgesetzt zu haben, weil sie daraus zumindest im europäischen Raum als gesellschaftliche Marginalie hervorgegangen sind? Möchten die moralisch erschöpften Christen Europas sich dem Islam anbiedern, um aus seiner Vitalität neue Lebensgeister zu beziehen? Oder möchten sie gerade das Gegenteil: sich fundamentalistisch sowohl gegen Ursurpation durch das Fremde, als auch gegen weitere säkulare Zersetzung zur Wehr setzen?

Wofür ich klar plädiere, ist die Ökumene der monotheistischen Religionen. Gewiss nicht im Sinn "interreligiöser Schmusestunden", die Bassam Tibi zu Recht für entbehrlich erachtet. Auch nicht im Sinne einer Ökumene des kleinsten gemeinsamen Nenners, der harmlos naiv eine Familienähnlichkeit voraussetzt - und alles, was das Unterscheidende des Eigenen wie das Befremdliche des Anderen ausmacht, verschämt unter den Tisch wischt. Wofür ich plädiere ist eine dialektische Ökumene, die sich gerade der Differenz, dem Andersein des anderen aussetzt - und das Eigene unverstellt und unverkürzt zumutet. Es geht darum, sich ein differenziertes theologisches und historisches Wissen über den jeweils anderen anzueignen und offensiv und produktiv um das zu streiten, was den Wesenskern des Monotheismus ausmacht.

Dreimal: Gott ist einzig

"Es gibt keinen Gott außer Allah, Muhammad ist der Gesandte Gottes", lautet das Glaubensbekenntnis der Muslime. "Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben", lautet des erste Gebot der Juden und Christen. Die göttliche Einheit und Einzigkeit ist allen drei Religionen gleichermaßen heilig.

Das Bekenntnis zur göttlichen Einheit und Einzigkeit trägt in sich schon den universalen Anspruch der monotheistischen Religionen. Gott ist entweder der Gott aller Menschen, oder er ist nicht Gott. Ein Gott, der nur für eine Teilwirklichkeit oder nur für eine partikuläre Menschengruppe zuständig wäre, kann im Sinne der monotheistischen Religionen höchstens als Götze entlarvt werden. Zu streiten bleibt freilich, wie ein solcher universaler Anspruch zu verwirklichen ist.

In der Heiligen Schrift der Juden und Christen wird das erste Gebot, "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben", eingeleitet mit dem Satz: "Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus." Das Bekenntnis zum Einzigen geht in eins mit der Befreiung von allen Mächten und Gewalten, die den Menschen beherrschen. Die innerste Aussage des biblischen Monotheismus lautet: Nichts soll über den Menschen versklavend dominieren. Er ist per se die Relativierung aller falschen Absolutheitsansprüche. Und dieses Kriterium der Befreiung darf im Dialog mit dem Islam nicht preisgegeben werden.

Damit komme ich nochmals zum Kernpunkt der Überlegungen zurück: zum Verhältnis von Monotheismus und Demokratie, um das es gerade in einem aufrichtigen Dialog mit dem Islam zu streiten gilt. Ausgehend von Nietzsche zieht sich durch die europäische Geistesgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte die radikale Antithese, das große Lob des Polytheismus, von Richard Rorty wird es gegenwärtig fortgesetzt. Der Monotheismus vergewaltige die Menschen unter das Diktat der einen Norm und der einen nicht-perspektivischen Wahrheit. Nur wenn wir uns davon entschieden lossagten, könnten wir die Vision der Griechen wiedergewinnen, in der "der eine Gott nicht die Leugnung oder Lästerung des anderen Gottes" war. Und nur unter einem solchen Himmel würde sich der Raum eröffnen, in dem das Individuum frei atmen könne und in dem es "zur größtmöglichen Vielfalt frei gewählter Lebensweisen ermutigt" werde. Nur wenn wir uns entschieden von allen Ansprüchen auf Einzigkeit und Ausschließlichkeit verabschiedeten, sei eine tragfähige soziale Ordnung in einer pluralen Gesellschaft, wie auch eine Friedensordnung in einer multikulturellen Welt möglich.

Wider den Polytheismus

In Umkehrung derer, die glauben, das Lob des Polytheismus um der Demokratie willen anstimmen zu müssen, möchte ich aber formulieren: Das ist der Wesenskern der monotheistischen Religionen, der im Gespräch mit dem Islam geltend gemacht werden muss: Es ist gerade das Bekenntnis zum einen und einzigen Gott, dass den Himmel offen hält, unter dem sich der Mensch frei und aufrecht erheben kann - und unter dem es möglich wird, Pluralität und Verschiedenheit anzuerkennen und zu bejahen. Damit aber verbietet sich jede, auch jede religiös motivierte, autoritäre Herrschaft des Menschen über den Menschen. Glaubwürdig vertreten kann man eine solche Option tatsächlich nur im kritischen Wissen um die schreckliche Geschichte des Missbrauchs des Monotheismus zur Legitimation von Herrschaftsansprüchen - und zwar sowohl auf christlicher, wie auch auf muslimischer Seite.

Könnte aber damit der aufrichtige Dialog von Christen mit Muslimen nicht doch entscheidend mehr leisten, als ihm der Spiegel und Konsorten zuzutrauen scheinen - nämlich die verlogene multireligiöse Schummelei? Könnte nicht gerade der aufrechte Dialog unter den monotheistischen Religionen zur entscheidenden Vermittlungsleistung werden, die für die Muslime, ohne, dass diese sich selbst aufgeben und verraten müssten, die Brücke in ein demokratisches Europa schlägt?

Die Autorin ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Passau.

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