Kardinal_koenig - © Erzdiözese Wien / Guttenbrunner

Kardinal Königs Schwäche fürs Englische

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Ein scharfsinniger Analysator der Kirche: Auch in der englischsprachigen Welt ist Kardinal König bekannt und geachtet.

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Ein scharfsinniger Analysator der Kirche: Auch in der englischsprachigen Welt ist Kardinal König bekannt und geachtet.

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In der englischsprachigen Welt ist Kardinal Franz König bekannt als Experte und scharfsinniger Kommentator zu Themen wie Ökumene, interreligiöser Dialog, Kollegialität und Subsidiarität versus Zentralismus sowie der Rolle des Christentums in der heutigen Welt.

König kam in den dreißiger Jahren erstmals nach England, um seine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Von da her rührt seine "Schwäche" für England und die englische Sprache. In diesen Jahren begann die katholische Kirche Englands, die Flügel auszubreiten. Außerdem gab es eine steigende Zahl prominenter Konvertiten. König hat sich darüber immer gewundert. Es überrascht wenig, dass er ein großer Verehrer des wohl bekanntesten Konvertiten, Kardinal John Henry Newman ist, dessen Denken so starken Einfluss auf das Zweite Vatikanische Konzil ausübte.

Ebenfalls in den dreißiger Jahren lernte König das Werk des englischen katholischen Historikers Christopher Dawson kennen. Als 1932 Dawsons "The Making of Europe" erschien, war König davon gefesselt: Oft hat er in Zusammenhang mit Europa dieses Buch zitiert. Gut 20 Jahre bevor von der europäischen Einigung die Rede war, schrieb Dawson: "Das tiefste Fundament unserer Kultur ist nicht der Nationalstaat, sondern die Einheit Europas ... Wenn unsere Zivilisation überleben soll, ist es notwendig, dass sie ein gemeinsames europäisches Bewusstsein entwickelt."

Tor für den Kardinal

Kardinal König beherrscht die englische Sprache exzellent: Als er 1999 in London live im Fernsehen über den Rückgang des Kirchenbesuchs in Europa interviewt wurde, versuchte die Interviewerin, ihn in eine aktuelle Debatte über Teenager-Schwangerschaften in England hineinzuziehen. Die Kameras waren auf den Kardinal gerichtet, aber der zuckte mit keiner Wimper und erklärte in beinahe bestem Oxford-Englisch, dass er - als ausländischer Besucher - nicht glaube, innerenglische Vorgänge kommentieren zu müssen. Ein Zuschauer bemerkte, das sei eindeutig ein "Tor für den Kardinal" gewesen!

Kardinal König spricht nicht nur fließend englisch, er bewundert auch die Klarheit und Einfachheit dieser Sprache. So äußerte er einmal über den Titel und den Inhalt des schmalen Bandes "To live is to change - A way of reading Vatican II"*): "So klar und einfach, und so wichtig. Es gibt im Deutschen nichts Vergleichbares."

Der Kardinal ist auch heute noch ein unersättlicher Leser. Wenn ihn eine Veröffentlichung besonders interessiert, setzt er sich nicht selten mit dem Autor in Verbindung. Im Lauf der Zeit hat er zahlreiche persönliche Brücken zu englischen Historikern, Wissenschaftlern, Kirchenleuten und ebenso zu einfachen Menschen aufgebaut.

Königs Beiträge in der in London erscheinenden, internationalen katholischen Wochenzeitschrift "The Tablet" - die er "ich denke, seit 1929" liest - haben ein weltweites Publikum mit seinen Meinungen und mit seiner Rolle, die er als ein großer katholischer Kirchenmann des 20. Jahrhunderts spielte, bekannt gemacht.

König fühlte sich auch mit dem 1999 verstorbenen englischen Kardinal George Basil Hume verbunden. "Wir haben die gleichen Ansichten zu vielen Dingen", pflegte König zu sagen. Beide betonten, dass es kein Zurück hinter das Zweite Vatikanische Konzil geben darf. Als Kardinal Hume wenige Wochen vor seinem Tod den britischen "Order of Merit" erhielt, freute sich König zutiefst. Bei seinem London-Aufenthalt im Herbst 1999, drei Monate nach Kardinal Humes Tod, war eines der ersten Ziele Königs die Kathedrale von Westminster, um an Humes Grab zu beten.

Hierzulande unbemerkt

Ökumene und interreligiöser Dialog sind wichtige Themen in den multikulturellen Gesellschaften der englischsprachigen Welt. Beide sind auch Herzensanliegen Kardinal Königs. Kurz nachdem im Mai 1995 die beiden päpstlichen Enzykliken "Orientale Lumen" und "Ut unum sint" auf seinem Schreibtisch gelandet waren, rief König an, um zu sagen, er würde beide Dokumente gern im "Tablet" kommentieren. Er war sehr bewegt: Niemals zuvor sei die Ökumene das Thema päpstlicher Enzykliken gewesen, so König, und er betonte, die darin formulierte Bitte des Papstes an Kirchenführer und Theologen, mit ihm einen neuen Weg zu suchen, wie der päpstliche Primat - eines der Haupthindernisse für die Einheit der Christen - auszuüben sei, sei revolutionär.

Es war nur natürlich, dass König, der sein Leben lang von den Weltreligionen und ihren Beziehungen zum Christentum fasziniert war, und der schon in den vierziger Jahren selbst Standardwerke über Christentum und Weltreligionen geschrieben hat, sich auch mit dem jüngsten Buch des Jesuitentheologen Jacques Dupuis, "Toward a Christian Theology of Religious Pluralism", auseinandersetzte, als es im Jänner 1998 erschien. "Ich war fasziniert von diesem Meisterwerk und habe es mehrere Wochen lang intensiv studiert", schrieb König im "Tablet". Königs bemerkenswerte Schlussfolgerung lautete: "Wir müssen nun weitergehen zu einer neuen Stufe, die Grenzen der christlichen Welt überschreitend. Als Christen haben wir eine privilegierte Position, aber wir müssen demütig sein und verstehen, dass die Botschaft Christi über uns hinaus geht. Wir müssen versuchen zu begreifen, was Gottes Pläne für die verschiedenen Religionen sind ... Denn das sind die entscheidenden Fragen für das Schicksal der Kirche zu Beginn des dritten Jahrtausends."

Die 1999 folgende Kontroverse zwischen Kardinal Joseph Ratzinger, dem Präfekten der Glaubenskongregation, und Kardinal König über den Pluralismus der Religionen und den Fall Dupuis**) im "Tablet" erregte in englischen und US-amerikanischen Medien Aufsehen und wurde auch in italienischen und indischen Zeitungen kommentiert. Wie der deutsche Jesuit Hans Waldenfels in der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" feststellte, blieb der Fall Dupuis im deutschen Sprachraum hingegen unbemerkt, weil Dupuis' Buch nicht übersetzt wurde.

Und umgekehrt: In die globale Welt, die über weite Strecken auf Englisch kommuniziert, dringt wenig aus den deutschsprachigen Kirchen. Auch diesbezüglich wirkt Kardinal König: Die von ihm initiierte Stiftung "Pro Oriente" - nur um ein Beispiel zu nennen -, die ökumenische Pioniertaten geleistet hat, wurde kaum außerhalb der Regionen, wo sie tätig war, wahrgenommen. Als Kardinal König im Zusammenhang mit "Ut unum sint" darüber im "Tablet" berichtete, kamen sogar Reaktionen aus der Südsee.

Königs Beharren, hinters II. Vatikanum dürfe es kein Zurück geben, wird auch in Großbritannien von vielen als tröstlich empfunden. Die bemerkenswerte Debatte zwischen den Kardinälen König und Ratzinger, welche Art von Leitung die Kirche benötige, in der Hamburger "Zeit" vom November 1991, aber auch Königs Aufsatz über Zentralismus, bischöfliche Kollegialität und Subsidiarität im Sammelband "150 Jahre Österreichische Bischofskonferenz" aus 1999 (der Aufsatz erschien zeitgleich im "Tablet", in Österreichs Medien wurde er hingegen praktisch nicht beachtet) erregten weltweit Aufmerksamkeit.

Kardinal König macht in diesen Beiträgen klar, dass er über den gegenwärtigen exzessiven Zentralismus in der Kirche besorgt ist - welcher, wie er betont, das Werk der Kurie und nicht des Papstes ist. Wenn anstatt Zeichen der Ermutigung und eines gegenseitigen Informationsflusses "Warnungen vor Irrtümern und Häresien in den unzähligen Dokumenten, die sich aus Rom ergießen", dominierten, würden die katholischen Gläubigen entmutigt, sagt er. Ein Priester aus Schottland schrieb in einem Leserbrief: "Da ist ein alter Mann, ein ,Riese' in vielerlei Weise, der aus all den jüngsten Sorgen der österreichischen Kirche kommt - mit einem glasklaren Verstand und einer Analyse, was in der römisch-katholischen Kirche los ist - scharf wie ein Laserstrahl."

Versöhnung mit Juden

Schließlich haben die unermüdlichen Bemühungen Kardinal Königs, Christen und Juden miteinander zu versöhnen - er hat wiederholt betont, dass die Religionserklärung "Nostra Aetate" eines der wichtigsten Dokumente des II. Vatikanums darstellt -, ihm große Achtung in der englischsprachigen und in der jüdischen Welt verschafft, eine Leistung, die nicht genug zu unterstreichen ist - insbesondere in der derzeitigen Lage -, und die von großer Bedeutung für Österreich ist.

*) "Leben heißt: sich ändern (ein Zitat von Newman, Anm.) - ein Weg, das II. Vatikanum zu lesen".

**) Gegen P. Dupuis war von der Glaubenskongregation ein Lehrbeanstandungsverfahren eröffnet worden.

Die Autorin ist Wiener Korrespondentin der englischen katholischen Wochenzeitschrift "The Tablet". Übersetzung aus dem Englischen von Otto Friedrich.

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