Schwarze Weiß-Wähler

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Über den Versuch der moralischen Erpressung im Vorfeld der Bundespräsidentschaftswahl, die Logik des „geringeren Übels“, das Dilemma der Bürgerlichen – und seltsame Wortspenden von ÖVP-Vertretern.

Die Latte für Heinz Fischer liegt hoch, sehr hoch: bei jenen 79,9 Prozent, die Rudolf Kirchschläger 1980 bei seiner Wiederwahl erreichte.

Die Latte für Heinz Fischer liegt tief, sehr tief: Es sei ihm lieber, „von 1,5 Millionen Österreichern im Rahmen einer Volkswahl gewählt“ zu werden „als von 245 Parlamentariern der Bundesversammlung“, sagte der Bundespräsident der Kleinen Zeitung. Damit gab er nicht nur ein Statement gegen die jetzt wieder diskutierte Abschaffung der Volkswahl ab, sondern sprach in einem auch die erwartete extrem niedrige Wahlbeteiligung bzw. Anzahl gültiger Stimmen an. Zum Vergleich: Kirchschläger war seinerzeit von 3,5 Millionen Bürgerinnen und Bürgern im Amt bestätigt worden (Wahlbeteiligung 91,6 Prozent). Wilfried Gredler, der Kandidat der FPÖ, kam mit 17 Prozent übrigens auf 751.000 Stimmen – immerhin die Hälfte der von Fischer genannten Zahl … Und dann gab es auch noch Norbert Burger von der rechtsextremen NDP, der 141.000 Wähler (3,1 Prozent) hinter sich scharen konnte.

30 Jahre danach – 1980/2010

Den Prozenten nach könnte das Ergebnis des kommenden Sonntags jenem von 1980 also nicht unähnlich sein. Wobei freilich Rudolf Gehring nicht mit Norbert Burger, aber auch Gredler nicht mit Barbara Rosenkranz gleichgesetzt werden soll. Rosenkranz steht wahrscheinlich irgendwo zwischen Gredler und Burger, und Gehring vertritt Ansichten, die wohl auch einem Kirchschläger damals wenigstens zum Teil noch schlicht als gut katholisch galten; fürchten muss man sich vor Gehring – im Unterschied zu Burger & Co. – gewiss nicht.

Dennoch mag man sich aus unterschiedlichen Gründen weder Rosenkranz noch Gehring tatsächlich in der Hofburg und an der Spitze des Staates vorstellen. Folgt daraus, dass man nicht anders kann als Heinz Fischer zu wählen? Eine breite Allianz von Kommentatoren, Beobachtern und (Alt-)Politikern unterschiedlicher Provenienz vertritt ebendiese Ansicht. Je näher der Wahltag rückt, umso vehementer plädieren sie dafür, doch dem, wie es heißt, einzig wählbaren Kandidaten, dem amtierenden Staatsoberhaupt, die Stimme zu geben.

Nun ist die von etlichen Bürgerlichen und ÖVP-Anhängern vertretene Position, man müsse alles tun, um Barbara Rosenkranz’ Stimmenanteil möglichst niedrig zu halten, daher diesfalls über den ideologischen Schatten springen und den Sozialdemokraten Heinz Fischer wählen, zweifellos legitim. Aber es lässt sich gleichzeitig nicht übersehen, wie von linker Seite mit den Mitteln moralischer Erpressung versucht wird, jede nicht für Fischer abgegebene Stimme zu diskreditieren. Das zielt natürlich primär nicht auf Rosenkranz- oder Gehring-, sondern auf die sogenannten „Weiß“-Wähler, also auf jene Konservativen oder Bürgerlichen, die nicht bereit sind, der Logik des „geringeren Übels“ zu folgen. „Wir oder der Faschismus!“ lautet das unausgesprochene Motto dieser Strategie, mit der die Linke auch sonst gerne bekämpft, was ihr zuwiderläuft. In Wahrheit freilich sind „antifaschistische Schutzwälle“ immer Mauern …

Ein Stück des Weges mit Fischer

Natürlich kann man auch als Nicht-Sozialdemokrat Heinz Fischer wählen und für weitere sechs Jahre mit ihm ein Stück des Weges gehen. Man kann sagen, dass er seine Sache anständig und professionell gemacht hat und die Republik untadelig vertritt. Man muss aber auch Heinz Fischer nicht und dafür ungültig wählen dürfen, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, man sei politisch-moralisch nicht imstande, den Unterschied zwischen Fischer und Rosenkranz zu erkennen, oder gleich ein Totengräber von Rechtsstaat und Demokratie.

Nein, auch Weiß-Wählen ist eine legitime Option, die durch den zunehmenden Gegendruck für viele an Plausibilität gewinnen wird. Aus dem Munde von Vertretern jener Partei, die zur derzeitigen Konstellation durch Nicht-Kandidatur entscheidend beigetragen hat, kommt freilich eine solche Empfehlung nicht so gut – aber das steht auf einem anderen Blatt.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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