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Schweizer Verhältnisse

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„Im Osten nichts Neues”, kommentierte der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz die derzeitige Lage in der Diözese Chur, wo der umstrittene Bischof Wolfgang Haas amtiert. Andere Bischöfe sprechen mittlerweile von „auswegloser Situation” und von einer „Fehlbesetzung an der Bistumsspitze”.

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„Im Osten nichts Neues”, kommentierte der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz die derzeitige Lage in der Diözese Chur, wo der umstrittene Bischof Wolfgang Haas amtiert. Andere Bischöfe sprechen mittlerweile von „auswegloser Situation” und von einer „Fehlbesetzung an der Bistumsspitze”.

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Die Befürworter von Bischof Wolfgang Haas in der Schweiz und im benachbarten Ausland machen mobil: 15 000 Gläubige haben seit dem Jahreswechsel mit ihrer Unterschrift bezeugt, daß sie „Bischof Haas als rechtmäßigen Oberhirten *der Diözese Chur anerkennen”.

Die Haas-Gegner setzen dagegen auf die Diplomatie: Die Landesregierung soll beim Heiligen Stuhl vorstellig werden, denn der unselige Konflikt im Bistum Chur gefährde den religiösen Frieden im Land, machen sie geltend. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Manche deuten es als Zeichen, daß Wolfgang Haas, seit dem 22. Mai 1990 Diözes-anbischof des Bistums Chur, aufrecht im Sattel sitzt: Der „Osservatore Ro-mano” hat letzte Woche in einer Nummer der italienischsprachigen Ausgabe den ganzen Fasten-Hirtenbrief des umstrittenen Hirten aus Chur abgedruckt.

Das offiziöse Presseorgan des Vatikans publiziere jährlich nur einige ausgewählte Hirtenbriefe der weltweit über 4000 Bischöfe, unterstreichen Kenner der vatikanischen Verhältnisse. Wie dem auch sei: Seitdem Paul Vollmar, seit 1993 einer der beiden Weihbischöfe in Chur, im November 1996 in einem Interview unverblümt von einer „Fehlbesetzung” an der Bistumsspitze gesprochen und die Schweizer Bischofskonferenz am 5. Dezember nachgedoppelt hatte - es handle sich um eine „objektiv beinahe ausweglose Situation im Bistum Chur”, erklärte sie , ist der seit Jahren mottende Konflikt erneut in aller Schärfe ausgebrochen. Während die Haas-treuen Gläubigen der Katholischen Volksbewegung Pro Ecclesia zur großen Solidaritätsaktion mit dem angefeindeten Hirten bliesen, konnten die Haas-Gegner die Begierungen der Bistumskantone mobilisieren.

Und die kamen am 14. Februar in einem gemeinsamen Schreiben an die Schweizer Begierung zum Schluß, daß es jetzt endlich „energische Schritte” höherenorts brauche - denn nur so, mit einer diplomatischen Intervention beim Heiligen Stuhl, könne „die zunehmende Gefahr einer ernsthaften Störung des religiösen

Friedens mit Auswirkungen auf das kirchliche Zusammenleben in der ganzen Schweiz verhindert werden”, machten die Politiker in ihrer Eingabe geltend.

Das wiederum veranlaßte Pro Ecclesia und ihr nahestehende Kreise, die Begierungen vor einer Einmischung „in innerkirchliche Angelegenheiten” zu warnen; der religiöse Friede sei „nur durch strikte Neutralität des Staates und seiner Behörden gegenüber der katholischen Kirche” zu wahren. Unerwartete Unterstützung erhielten die Haas-Befürworter auch von Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein. Erstens halte er es „für nicht gut, wenn die Politik sich in eine innerkirchliche Angelegenheit einmischt”, sagte dieser in einem Zeitungsinterview. Und zweitens sei es wohl „nicht sehr sinnvoll”, ein Bistum Liechtenstein extra für den liechtensteinischen Bürger Wolfgang Haas zu kreieren, bloß „um eine innerkirchliche Personalfrage zu lösen”.

Auf einem Nebenschauplatz kam es derweil zu einem Scharmützel rund um einen Doktortitel, den Wolfgang Haas 1978, damals noch Bischöflicher Kanzler, mißbräuchlich verwendet hatte - was zwar schon längst bekannt war, aber nun mit neu aufgetauchten Dokumenten belegt wurde. Während Bischofssprecher Christoph Casetti, treuer Diener seines Herrn in allen Lebenslagen, von einem zwar bedauerlichen, aber längst abgebuchten Fehler und mithin von einer „Bagatelle” sprach, stiegen die Wellen der Empörung in der Eidgenossenschaft kurzfristig auf Sturmhöhe an: der letzte Rest der ohnehin angeschlagenen Glaubwürdigkeit von Wolfgang Haas sei nun endgültig baden gegangen, hieß es in vielen Zeitungskommentaren. Der Angegriffene selbst ließ sich nicht dazu vernehmen. „Bischof Haas denkt nicht daran zurückzutreten”, hatte Casetti bereits nach der Erklärung der Schweizer Bischofskonferenz klargestellt.

Haas-Treue fordern derweil immer lauter, es sei, in Abkehr vom in der Schweiz gültigen Wohnsitzprinzip, das freie Becht der Gläubigen auf Wahl der ihnen genehmen Kirchen-Finanzierung einzuführen - ihre Kirchensteuer solle jenen zufließen, die katholisch im Sinne von Bischof Haas seien. „Wenn dieses Modell Zukunft hat, bricht die katholische Kirche Schweiz auseinander”, warnte der Luzerner Kirchenrechtler Adrian Lo-retan darauf in einem Interview mit der Katholischen Internationalen Presseagentur.

Und sonst? „Im Osten nichts Neues”, spöttelte Abtbischof Henri Sahna, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, am 6. März an einer Medienkonferenz auf entsprechende Fragen zur Situation im Bistum Chur, stellte aber gleichzeitig bedauernd fest, daß

sich Bischof Haas, obwohl vollwertiges Mitglied der Bischofskonferenz, nicht von hartnäckigen Behauptungen distanziert habe, die besagten, daß er, Haas, in der Schweiz noch der einzige wirklich papsttreue Bischof sei.

Derweil tobt der kirchliche Flügelkampf weiter: „Die Kampagne gegen Bischof Haas ist zu einem Schweizer Modellfall eines erbitterten Kampfes gegen die katholische Kirche geworden”, schreibt die Bewegung Pro Ecclesia in ihrem jüngsten Aufruf und ruft ihre Getreuen deshalb zum umso fleißigeren Unterschriftensammeln auf.

Er sei für einen Teil der Gläubigen zur „Symbolfigur” geworden und dürfe diese Menschen nicht enttäuschen, erklärte Bischof Haas dem Priesterrat seiner Diözese am 13. März. Sein Weg, ein wahrer „Kreuzweg”, sei in dieser Hinsicht geradezu als providentiell zu betrachten.

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