Schwere Geburt, heiliges Experiment

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Seit letztem Jahr gibt es für Österreichs Priesterkandidaten ein gemeinsames Einführungsjahr, bevor sie sich in den Seminarien der Diözesen auf den Priesterberuf vorbereiten: Ein Lokalaugenschein nach dem ersten "Propädeutikum".

In anderen Ländern ist das verpflichtende Eingangsjahr für die Priesterausbildung schon länger üblich. So müssen beispielsweise die angehenden Priesteramtskandidaten in Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Tschechien, und Spanien eine solche erst passieren, bevor es wirklich ernst wird. In Österreich ist die Eingangsphase, von der schon das Zweite Vatikanische Konzil spricht, ein Novum, das inzwischen aber schon seinen ersten Geburtstag feiert. Und sie hat den langen und schwierigen Namen "Propädeutikum". Sitz ist die Waldviertler Bezirksstadt Horn, wo das Canisiuswerk der Bischofskonferenz ein Haus besitzt.

In der idyllischen, mystischen Umgebung inmitten von sanften Hügeln sind sich von vergangenem Herbst bis in diesen Sommer 23 Männer klarer über ihren Priesterwunsch geworden. Geholfen haben ihnen dabei Referenten, die sich mit der individuellen Lebens- und Glaubensbiografie beschäftigt haben, Exerzitien, sechs Wochen Sozialpraktikum in der jeweiligen Heimatdiözese und ein einmonatiger Israelaufenthalt. Das sind die Grundlagen dafür, was der Grazer Bischof Egon Kapellari als "heiliges Experiment" beschrieben hat.

Im Gespräch sagt zwar keiner der Männer, dass er es sich jetzt gänzlich anders überlegt hätte. Der mit seinen 19 Jahren Jüngste in der Runde, der Vorarlberger Patrick Schelch, sieht seine Entscheidung heute allerdings differenzierter: "Davor hätte ich gesagt, ich will zu 100 Prozent Priester werden, dieses Jahr hat mir aber die Grundbasis für eine freiere Entscheidung gebracht." Trotzdem hält er aber nach wie vor daran fest.

Zeit für Entscheidung

Genau das ist auch Sinn des Propädeutikums, so einer der beiden Direktoren, der Kärntner Josef-Klaus Donko, der gemeinsam mit dem Wiener Michael Wagner die Einrichtung der Bischofskonferenz führt: "Menschliche und spirituelle Prozesse brauchen eine gewisse Zeit. Das geht nicht in einer Woche oder einem Monat." Das Vorbereitungs-, Entscheidungs- und Einführungsjahr vor dem Priesterseminar und für die meisten auch vor dem Theologiestudium ist "im Sinne einer Persönlichkeitsbildung und dem Klären und Vertiefen der Motivation" konzipiert. Schwerpunkte seien das "Hineinwachsen in Spiritualitätsformen und die Liturgie der Kirche". Außerdem sollen aus den zukünftigen Priesterseminaristen "betende Menschen" werden, skizziert Donko die Aufgabe des einen Jahres. Dem entsprechend sind Betrachtung, Laudes, Messe und Vesper die Pfeiler des Tagesablaufes.

Andreas Kaiser ist Absolvent der Universität für Bodenkultur und hätte schon einige Arbeitsangebote in der Tasche gehabt. Er stimmt Donko zu und meint auch, dass die Suche und Klärung Zeit braucht: "Erlebnisse mit Blitz und Donner gibt es relativ selten. Deshalb braucht man Zeit um hineinzuhören."

Weniger hat das Jahr schon für Franz Steinkogler gebracht. Er sei "unfreiwillig" in Horn, meint er. Seine Entscheidung zum Priester habe sich "höchstens bestätigt". "Ich habe mir aber auch nichts anderes erwartet, weil ich es mir lange und gut überlegt habe," sagt der 38-Jährige, der sich nach 18 Jahren bei der Kirchenbeitragsstelle in Bad Ischl entschlossen hat, seinem Leben eine andere Richtung zu geben.

Positiver empfinden andere die verpflichtende Einrichtung der Bischofskonferenz. Norbert Orglmeister, der schon ein abgeschlossenes Theologiestudium hinter sich hat, sieht im Propädeutikum "die Möglichkeit, noch einmal in sich hinein zu hören. Außerdem bringt es auf jeden Fall einen weiteren Blick für das, was Kirche ist."

Neue Einblicke haben auch die Sozialpraktika gebracht. Spiritual Anton Leichtfried formuliert dies so: "Wer heute Priester werden will, muss bereit sein, einfache Dienste für andere Menschen zu tun, auch und gerade für die am Rande der Gesellschaft."

Günther Jungmeister, praktischer Arzt, der schon drei bis vier Jahre lang das Gefühl hatte, "ich sollte etwas anderes tun", hat die sechs Wochen in der Wiener "Gruft" in der Obdachlosenbetreuung verbracht. Die hat er sich sehr bewusst ausgewählt: "Weil es mir immer fruchtbar gegraust hat, wenn im Krankenhaus um drei Uhr in der Früh ein Obdachloser eingeliefert wurde". In der Gruft war er aber nicht mehr der Arzt, sondern "Aug' in Aug' mit den Obdachlosen" und "das war sehr hilfreich im Umgang mit Armen" und hat "ein erweitertes Menschenbild gebracht".

Weiterer Höhepunkt neben dem Sozialpraktikum war ein einmonatiger Israelaufenthalt mit einer Bibelschule. In Nazaret, Jerusalem und am See Genesaret sind die künftigen Priester auf biblischen Spuren gewandelt. Ganz bewusst sei dies in einfacher Form geschehen; so haben sich die Männer selbst versorgt und selbst gekocht.

Skeptische Bischöfe

Bevor aber das erste Jahr gestartet wurde, hat Donko schon einiges an Arbeit in dieses Projekt investiert - vor allem im Bereich der Motivation. "Es ist eine schwere, lange Geburt gewesen," sagt er heute. Einige von den Bischöfen und den Leitern der Priesterseminare hätten die Idee "als Luxus abgelehnt", die Mehrheit war auf jeden Fall skeptisch. Sein Gegenvorschlag: "Ich bitte Sie, diesem Jahr eine Chance zu geben." Jetzt ist er "im Großen und Ganzen zufrieden", ein Grundvertrauen der Bischöfe, die die Einführung im Frühjahr 1999 beschlossen haben, bestehe. Beweis dafür ist für Donko, dass der St. Pöltner Bischof Kurt Krenn Spiritual Anton Leichtfried als "Personalleihgabe" dem Propädeutikum zur Verfügung stellt.

Die Erfahrungen und Schwächen des ersten Jahres werden in das neue Statut eingearbeitet. Anregungen kommen dafür wohl am besten von den Absolventen des ersten Jahres, die die Verbesserungsmöglichkeiten am eigenen Leib erlebt haben. Einige meinen, das Propädeutikum sei ein schwerfälliger Apparat, in dem die Interessen und Vorstellungen der Regenten der Priesterseminare und jene der Bischöfe auf einen Nenner gebracht werden müssen. Nicht klar seien darüber hinaus auch die Ziele der Bischofskonferenz an sich: So würde versucht, fünf, sechs Vorgaben in das Jahr hineinzupressen.

Die Hausleitung sieht die Schwierigkeit vor allem darin, den verschiedenen Leuten gerecht zu werden. "Man muss das entsprechende Maß finden und niemanden unter- und auch nicht überfordern," so Donko. Es sei schwer, den Leuten mit ihren unterschiedlichen Vorgeschichten gerecht zu werden. Entlassen wird er seine Schützlinge des ersten Jahres mit einer Stellungnahme über jeden Kandidaten, "damit der jeweilige Regens schon bewusster Dinge angehen kann".

Nicht ganz glücklich waren die angehenden Priester auch mit dem abgelegenen Standort Horn. Es kann aber auch ein Vorteil sein. "Man kann sich mehr auf sich selbst konzentrieren," meint Patrick Schelch, der jüngste Teilnehmers dieses ersten Propädeutikums.

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