Schwierige Transformation

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Religionsfreiheit: "Gipfel und Zusammenfassung der Menschenrechte" und "unabdingbares Element" des Rechtsstaats, meint Benedikt XVI. Sie kann aber nur durch globales und gemeinsames Engagement der Religionen erreicht werden.

Religionsfreiheit. Unter dieses Motto hat Benedikt XVI. seine Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Jänner gestellt. Religionsfreiheit ist für den Frieden unabdingbar, so der Papst: Sie sei "Gipfel und Zusammenfassung" der Menschenrechte und ein "unabdingbares Element" jedes Rechtsstaats. Und es gebe zwei große Bedrohungen der Religionsfreiheit: religiösen Fundamentalismus sowie den Säkularismus vor allem westlicher Gesellschaften.

Als ob es eines Beweises bedurft hätte für die in der päpstlichen Botschaft gleichfalls geäußerte Diagnose, die Christen seinen "gegenwärtig die Religionsgruppe, die die meisten Verfolgungen aufgrund ihres Glaubens" erleide, ereignete sich just an diesem Neujahrstag das schreckliche Attentat auf koptische Christen im ägyptischen Alexandria - 21 Tote: Christen sind in dieser Gesellschaft nicht nur von Staats wegen diskriminiert, sondern buchstäblich an Leib und Leben gefährdet.

Eine interessante päpstliche Ankündigung

In ein ähnliches Horn stieß Tony Blair in einem luziden Zeitungskommentar. Der nach seinem Rückzug aus der Politik Katholik gewordene britische Ex-Premier fördert mit seiner "Faith Foundation" den Dialog der Religionen. "Aggressive Säkularisten" und religiöse Extremisten würden einander gegenseitig nähren, schreibt Blair, und mahnt daher eine besondere Zusammenarbeit und Aktivität der Religionsführer ein.

Ein Beitrag des Papstes hierzu ist bereits auf Schiene: Benedikt XVI. hat für Oktober eine Neuauflage des Friedensgebetes von Assisi angekündigt: Vor 25 Jahren hatte dort Amtsvorgänger Johannes Paul II. erstmals die Religionsführer der Welt versammelt. Interessant ist die päpstliche Ankündigung auch deshalb, weil Joseph Ratzinger 1986 zu den großen Skeptikern des interreligiösen Events gezählt hatte (Stichwort: Relativismus). Und gerade das Friedensgebet von Assisi hatten die Traditionalisten Johannes Paul II. nie verziehen: Weit mehr noch als die Liturgiefrage brandmarken die Lefebvrianer das Bekenntnis zur Religionsfreiheit, das die katholische Kirche seit dem II. Vatikanum im Munde führt, als Häresie. Mit der Fortschreibung dieses Bekenntnisses wird sich der derzeitige Papst in den Augen etwa der Piusbrüder nun kaum beliebt machen.

Die genannten Aufgaben - Kampf gegen religiösen Extremismus und für den angemessenen Stellenwert der Religion(en) in einem säkularen Staat - stellen zwei Säulen eines globalen Engagements und der Zusammenarbeit für die Religionen dar.

Dies zu erreichen und durchzuhalten, wird schwer genug sein. Dennoch ist für eine nachhaltige Absicherung der Religionsfreiheit eine dritte Säule nötig: Die Religionen müssen sich auf je eigene Transformationsprozesse im Innern einlassen.

Es ist evident, dass dies in islamisch dominierten Gesellschaften ein Gebot der Stunde darstellt und dass dies dort - gelinde gesagt - nur mühselig gelingt. Verschwiegen sei dabei auch nicht, dass gerade in diesen Gesellschaften auch die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen stimmen müssen -was fast nirgendwo der Fall ist.

Abschied von quasistaatlicher Institution

Sich den Transformationsprozessen stellen zu müssen, gilt aber auch fürs "reiche Abendland": In wenigen Tagen werden hierzulande die inferioren Austrittszahlen 2010 aus der katholischen Kirche veröffentlicht werden. Diese Statistik hat nicht nur mit den Ereignissen des vergangenen Jahres zu tun, sondern ist letztlich ein Ausdruck dafür, dass sich eine einstmalige Staatsinstitution zu einem Player unter mehreren in der Zivilgesellschaft verändert.

Es ist unübersehbar, dass eine 1700-jährige Geschichte zu Ende geht: Auch die katholische Kirche muss sich von der seit der Konstantinischen Wende erreichten quasistaatlichen Institutionalität verabschieden und sich neu positionieren. Das ist schmerzhaft, aber notwendig. Und rührt auch an die Strukturfragen - ob man will oder nicht.

Um diese dritte Säule kann sich die Religion - auch deren katholische Spielart - nicht herumschwindeln.

* otto.friedrich@furche.at

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