Seelsorge im zerstörten Kosovo

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Militärseelsorge im Kosovo beschränkt sich nicht nur auf die eigenen Soldaten. In einem Land, das nach wie vor an den Folgen des Krieges leidet, wird auch der soziale Dienst an der einheimischen Bevölkerung zu einer ständigen Herausforderung.

Bitte kommen sie doch zum Tor, hier wartet jemand auf Sie!" - ein Spruch, den ich in der Zeit als Militärpfarrer im Camp Casablanca, das sich in der Nähe der Stadt Suva Reka befindet, öfters hörte. Hilfesuchende, die im Pfarrer einen Ansprechpartner wissen - also positive Erfahrung gemacht haben mit der Gemeinschaft Kirche und deren Vertretern.

Wer durch das Land fährt, die Zerstörung, Verwüstung und Armut sieht, bemerkt, wie bemüht die Bevölkerung ist, den Aufbau voranzutreiben, was ohne Hilfe von außen kaum möglich scheint. Österreicher, Deutsche und Schweizer, die im Militärdienst an verschiedenen Einsätzen zum Wohle der Bevölkerung und zum Aufbau einer Rechtsstaatlichkeit mithelfen, sind nicht ungern gesehen, denn sie helfen und stehen freundlich mit Rat und Tat zur Verfügung. Es geschieht etwas und darüber hinaus - sehr viele Familien haben Mitglieder aus ihren Reihen als Gastarbeiter in unseren Ländern. Starke familiäre Beziehungen und eine fast noch strengere Gesetzmäßigkeit des Clans geben den Einzelnen eine Sicherheit im Alltag.

Investoren bleiben aus

Solange die Unsicherheit vorherrscht, ob eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts gefunden werden kann, werden Investoren und damit Arbeitsplätze ausbleiben. Selbst die vorsichtige Annäherung und Aussprache der Präsidenten vor kurzem gehört zu einem Ritual, das Stärke und Willen zugleich zeigen soll. Mitten drin stehen die internationalen Einsatzkräfte, Soldaten und Helfer, die sich um Hilfe in einem Land bemühen, das eine Zukunft haben will und viel zu verwurzelt der Vergangenheit anhängt.

Die Führer führen nicht

In all der Unsicherheit geben ihre politischen und religiösen Führer nur kleine Schritte vor. Begegnungen an der Spitze (wie das Treffen von Mufti Boja, dem serbischorthodoxen Bischof Artemije und dem katholischen Bischof Sopi am 1. September 2001 in Oslo) bleiben bei Vorsätzen hängen, kaum dass weitere Ideen in die Bevölkerung dringen. Der Klerus bleibt seiner Ideewelt verhaftet und predigt dementsprechend im Alltag.

Es gibt dennoch viele schöne Einzelerlebnisse, wenn man als Priester Dinge, die in unseren Ländern gesammelt und zur Verfügung gestellt werden, an Bedürftige verteilen kann. Ich denke an die behinderten, verstoßenen Kinder in der Nähe der Hauptstadt PriÇstina, die von mehreren internationalen Kontingenten Hilfe erfuhren. Wie oft konnte ich persönlich, voll beladen mit gesammelten Hilfs- und Lebensmitteln, Spiel- und Lernsachen, einen Besuch abstatten; selbst Kleinigkeiten, die mir Soldaten zugesteckt haben erzeugten ein Strahlen in den Kinderaugen. Rührend, als Kinder für Kinder sammelten und die schweizerische Militärmaschine die Hilfsgüter in das Kosovo flog (so die Firmgruppe in Hard/Vlbg im Jahre 2002).

Kranke und Leidende, alte Menschen, die ihr Haus und ihre Äcker nicht mehr verlassen wollten und ohne Hilfe dahinvegetierten und den psychischen Anspannungen kaum gewachsen waren, erfuhren genauso Hilfe, wie jene Gruppe von Menschen, die in Pec die unermüdliche Schwester Martha Fink erlebten, die durch die Hilfslieferungen, die das österreichische Bundesheer transportierte, ganz wesentlich unterstützt wurde. Über ethnisches Denken hinweg erfuhren alle Hilfesuchenden und Anklopfenden Hilfe und Beistand, was wieder eine Solidarisierungswelle in ihrem Stadtteil auslöste. So konnte eine gut funktionierende Hauskrankenpflege aufgebaut werden.

Gesprächskultur entwickeln

Es bleibt nur zu wünschen, dass manche Hilfestellung nicht ausgenützt wird. Es sollte nicht mehr vorkommen, dass Soldaten bauen und die arbeitslosen Zuschauer sich bedienen lassen. Es gibt in der Einstellung noch viel zu verbessern, vor allem sollte die Erziehung der Jugend neutral und weltoffener erfolgen.

In einem Land, in dem so viele europäische Soldaten Dienst verrichten, hat fundamentalistisches Gehabe und ideologisch verzerrtes Gedankengut einfach keinen Platz. Hilfe in materieller Not wie im geistigen Aufbau einer modernen Gesellschaft heißt, eine Gesprächskultur zu entwickeln, die die Kraft der Gewalt mehr und mehr verpönt.

Der Autor, Zisterzienserpater in der Abtei Wettingen-Mehrerau, war von Oktober 2000 bis Juni 2002 Militärseelsorger im Kosovo.

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