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Seelsorge in Not!

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Idee und Gestalt des Seelsorgeinstitutes Bind untrennbar mit dem Namen und Wirken des Prälaten Dr. Karl Rudolf verbunden. Er war es, der — damals Subregens am Wiener Priesterseminar — im Jahre 1921 bei einem vom Katholischen Volksbund für Österreich veranstalteten Kleruskurs die Anregung gab, etwas wie ein Aktionszentrum für die Seelsorge zu schaffen.

Zu gleicher Zeit sammelte sich in Wien ein kleiner, lebendiger Kreis von Geistlichen um den Spiritual und späteren Regens de3 Priesterseminars Karl Handloß und den Kuraten von St. Peter Msgr. August Schaurhofer. Treibender Motor war vor allem Dr. Karl Rudolf. So konnte bereits zwei Jahre später, am 17. Oktober 1923, beim Wiener Erzbischof Dr. Friedrich Gustav Kardinal Piffl der Entwurf zur Gründung einer „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäße Seelsorge“ eingereicht werden. Als ihr Zweck wurde genannt:

1. Ein stärkeres Erfassen der seelsorglichen Zeitnotwendigkeit in Theorie und Praxis.

2. Eine einheitliche Leitung der seelsorglichen Aktion der Diözese seitens der hierzu Berufenen.

Letztes Ziel aber sollte „eine mit allen Mitteln der Natur und der Gnade um restlose Erfüllung aller Zeitnotwendigkeiten ringende Seelsorgebewegung im gesamten Klerus der Erzdiözese“ sein!

Nach der Zustimmung des Bischofs folgten Jahre hochgemuten, oft genug auch mühevollen Ringens. Die Idee einer zeitgemäßeren und lebendigeren Seelsorge, einer richtigen Seelsorgeaktion und -bewegung mußte sich ja erst durchsetzen und konkreter ausformen.

Der weitere entscheidende Schritt war dann die Errichtung einer von Kardinal Piffl offiziell gewollten und anerkannten pastoralen Forschungs- und Planungsstelle unter dem Namen „Wiener Seelsorgeinstitut“. In einer aufrüttelnden gedruckten Mitteilung an den Klerus, die von Weihbischof Dr. Franz Kamprath und Dr. Rudolf unterfertigt war, wurde dieser Schritt ausführlich begründet. Die dort geäußerten Gedanken haben auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren.

Als erstes wurde angeführt:

„Daß wir uns bewußt sind der Not, in der eich heute die Seelsorge befindet. Sie greift auf keinem Gebiete, auch vielfach auf dem Lande nicht mehr, wirklich durch, sie ist kaum noch irgendwo, wie sie es sein sollte, auf Eroberung eingestellt.“ Woran liegt dies?

Es folgen zunächst Sätze starker Zuversicht: „Wir können und wollen nicht glauben, daß dies unabänderlich, zwangsläufig so sein soll. Für alle Zeiten ist Christus Heiland, die Kirche Heilsanstalt, auch die Menschen unserer Tage dürsten nach dem Heil, brauchen Seelsorge.“

Woher also kommt dann soviel Erfolglosigkeit der Seelsorge?

Bischof Kamprath und Kanonikus Rudolf geben die Antwort: ,3s muß die Ursache für diesen Zustand darin gesehen werden, daß in unseren Tagen in der Menschheit Verhältnisse herangereift sind, die sich seit Jahrzehnten, vielleicht seit Jahrhunderten vorbereitet hatten, denen wir aber mit unserer bisherigen Einstellung und unseren bisherigen Methoden einfachhin nicht mehr gewachsen sind... Unsere Arbeit geht vielfach immer noch von Voraussetzungen aus, die nicht mehr vorhanden sind, und übersieht auch nicht wenige Möglichkeiten, die in der neuen Zeit für sie gegeben wären.“ Hier klingen schon Gedanken an, die besonders durch Johannes XIII. die gesamte Weltkirche bewegen und das Zweite Vatikanische Konzil bestimmen sollten. Ein weiterer Grund wird für die Errichtung des Institutes ins Treffen geführt. Zwar kann zunächst festgestellt werden: „Es wird da und dort in der Diözese viel gearbeitet, versucht, geopfert, um den Forderungen der Zeit auch im seelsorglichen Amte gerecht zu werden.“ Doch dann wird als großer Mangel aufgezeigt: „Es besteht aber keine

Stelle, wo die bei dieser Arbeit von einzelnen oder auch von ganzen Kreisen gemachten Erfahrungen zusammenfließen, weiter verarbeitet und so weitergegeben werden, daß sie möglichst für alle Arbeiter im Reiche Gottes fruchtbar werden.“

Noch ein Drittes wird erwähnt, das leider inzwischen nur noch mehr zur drückenden Lage geworden ist. „Endlich drängt die Tatsache des ernsten Priestermangels, der mancherorts auch notwendigste Arbeit einfach physisch unmöglich macht, zu einer Einrichtung, die dazu hilft, daß die vorhandenen Kräfte möglichst zielbewußt und ökonomisch eingesetzt werden.“

Aus diesen Überlegungen ergaben sich für das Institut folgende Aufgaben:

1. Die der heutigen Seelsorge vorliegenden oder zugrunde liegenden Verhältnisse gründlich und allseitig zu studieren.

2. Die Ergebnisse dieser Studien in entsprechender Weise in Wort und Schrift der praktischen Seelsorge zur Verfügung zu stellen.

3. Sorge zu tragen für die Bereitstellung der zur Verwertung dieser Ergebnisse etwa notwendigen praktischen Hilfsmittel und Einrichtungen.

Es ist hier nicht Raum und Aufgabe, die gewaltigen Leistungen des Wiener Seelsorgeinstitutes unter der steten Förderung durch Kardinal Piffl und seit 1932 nicht minder durch Kardinal Innitzer und unter der tatkräftigen Führung'des Kanonikus Rudolf für die Schulung des Klerus, die Aktivierung der Laien und die Bildung lebendiger Pfarrgemeinden zu schildern. Die größte Bewährungsstunde schlug nach dem Umbruch 1938. Die neuen Machthaber nahmen der Kirche fast ihre gesamten Außenwerke, nur im innersten Herzraum sollte sie ungehindert bleiben. Mindestens gestattete der Krieg etwas wie Atempausen der Bedrängnis. Jetzt bewährte sich die tragende Idee des Institutes:

das bedachte Reagieren auf das jeweils Zeitnotwendige und die rasche Bereitstellung von Anregungen und Hilfen zur Meisterung der Situation. Es kam zum „Aufbau im Widerstand“ (Rudolf selbst hat darüber ein eindrucksvolles Buch der Rechenschaft geschrieben), der aus der Bedrängnis der Kirche heraus in entscheidender Weise zu ihrer Erneuerung beitrug.

Um das Bestehen des Institutes zu sichern, mußte es möglichst deutlich als unmittelbares Werk des Bischofs kenntlich gemacht werden. So wurde es bereits 1938 zum Erzbischöflichen „Seelsorgeamt“ erklärt. Gerade unter diesem Namen aber wurde es nunmehr von fast allen durch den Nationalsozialismus bedrohten Diözesen des deutschen Raumes übernommen.

1945. Wieder eine gewandelte Welt! Sie verlangte abermals das Studium der neuen Aufgaben und Hilfe für ihre pastorale Meisterung. So blieb das Werk Dr. Rudolfs allenthalben anerkannt und erhalten. Und nun erst recht als „Amt“. War diese Bezeichnung zunächst einfach als Schutz gedacht, so sprach sich jetzt in ihr das Ja der von den Fesseln der Verfolgung befreiten Kirche zur seelsorglichen Tat aus. Die Seelsorgeämter wurden vollends Aktionszentren einer dynamischen Pastoral. Doch sollte daneben auch das alte Seelsorgeinstitut wieder erstehen. Gerade die Vielzahl der bereits bestehenden Seelsorgämter verlangte nach einem gewissen Zusammenschluß.

Aus diesen Gründen beschloß im Herbst 1948, wieder über Anregung Dr. Rudolfs, die österreichische Bischofskonferenz die Errichtung eines österreichischen Seelsorgeinstitutes. Mit seinem Mitarbeiterkreis, gebildet aus allen Pastoralprofessoren der österreichischen Theologischen Fakultäten und Lehranstalten, aus allen Leitern der Seelsorgeämter der österreichischen Diözesen und besonderen Fachreferenten, wollte es den Bischöfen ,ldurch> Sammlung und Breitstellung von

Material und Informationen über alle kirchlichen Arbeitsgebiete“ dienen. Ebenso wollt« es den einzelnen Seelsorgeämtern, ohne ihnen übergeordnet zu sein, Anregung und wissenschaftliche Hilfe bieten. Kurz: „Das Institut soll seinem Charakter nach kein Amt, sondern eine überdiözesane wissenschaftliche Arbeits- und Forschungsstelle für alle Fragen der Seelsorgewissenschaft und Seelsorgepraxis sein.“

Als im Sommer 1964 Prälat Dr. Karl Rudolf nach langem Leiden verschied, erhob sich sofort die Frage: Bricht damit nicht alles wieder zusammen? Doch wie einst die Kardinal« Piffl und Innitzer, bekannte sich auch Erzbischof Dr. Franz Kardinal König, von Jugend auf dem Prälaten tief verbunden, zu dessen Werk. Zunächst bekundete der Wiener Oberhirte das Fortbestehen des Seelsorgeamtes in seiner Diözese. Und noch während der dritten Sitzungsperiode des Konzils genehmigte die unter seinem Vorsitz in Rom tagende österreichische Bischofskonferenz ein provisorisches Statut, das den Fortbestand auch des österreichischen Seelsorgeinstitutes sichert.

Damit lebt die Idee Rudolfs in unserer Heimat weiter, ja wir dürfen mit großer Freude feststellen, daß sie eben daran ist, sich in der ganzen Weltkirche durchzusetzen. Freilich besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Lage bei der Gründung des seinerzeitigen Wiener Seelsorgeinstitutes und bei der Entstehung der pastoralen Zentren, oder wie sie sich immer nennen mögen, von heute, und daran ist wieder das Wirken Rudolfs entscheidend beteiligt: Galt es einst, des öfteren seelsorglichen Eifer erst zu wek-ken, zeitgemäße Methoden zu entwickeln, nach neuen Ideen förmlich zu rufen, so geht es jetzt vielfach darum, ein überreiches seelsorgliches Leben, Wirken und Forschen zu registrieren und zu koordinieren, ein Feuer zu hüten, daß nicht mehr erlöschen darf.

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