Gott ist kein Ding unter der Dingen der Welt und auch keine Person nach dem Modell menschlicher Personalität. Man sollte von ihm nicht zu anthropomorph denken. Man sollte auch nicht selbstverständlich annehmen, dass Gott unsere Bitten erhört. Und selbst wenn: Wie können wir diese Erhörung sicher auf ihn und nicht auf andere Ursachen zurückführen? Interveniert Gott überhaupt in die Geschichte - und wenn ja, wie?
Die zentrale Intervention Gottes in die Geschichte hat nach christlicher Auffassung die Gestalt Jesu. Sie erfolgte als Erniedrigung und in Ohnmacht und ist das Modell des geschichtlichen Weltbezugs Gottes. Er ist in die Geschichte gerade nicht als Gott, sondern als ohnmächtiger Mensch gekommen. Für diese Solidarität Gottes mit uns, die uns übrigens auch unsere Freiheit sichert, haben wir einen Preis zu zahlen: Gott hat seine Macht über unsere Welt offenkundig freiwillig beschnitten. Und das heißt auch: Er hilft nicht einfach, wenn wir ihn bitten - und sei es mit noch so viel Recht angesichts von "himmelschreiendem“ Unrecht und großer Not.
Eine sehr fromme, lange schon verstorbene Tante lehrte mich: Man darf Gott um alles Gute bitten, vornehmlich "in wichtigen Angelegenheiten“. Aber man hat auf nichts ein Recht. Und ob, wenn das Erbetene eintrifft, Gott uns erhört hat, auch das stehe uns nicht an, zu wissen.
Das Bittgebet hat seinen guten Sinn: Es formuliert die unstillbare Sehnsucht unserer gebrochenen Existenz nach Integrität vor Gott. Gott nämlich hat "uns in seine Hand geschrieben; diese Hand zu suchen macht sich das Gebet auf“ (O. Fuchs). Und es "gibt keine menschliche Situation, die nicht Gebet werden könnte, die nicht unmittelbar wäre zu Gott. Wir müssen nur die Tür aufmachen, die Hand ergreifen, die uns immer angeboten ist.“ (J. Ratzinger).
* Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Uni Graz
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