Slavoj Žižek und das Christentum

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Slavoj Žižek, postmoderner Kommunist und gefragter Denker der Gegenwart, traut dem Christentum viel zu. Drei Elemente faszinieren ihn: die im Christentum postulierte Möglichkeit des radikalen Neuanfangs, Jesu Fähigkeit, die Logik der Rache zu durchbrechen, und die Einsicht in die unübersteigbare Rätselhaftigkeit des Menschen, die durch das Sich-Einreihen Gottes in die Menschheit symbolisch festgehalten sei.

Die "frohe Botschaft" des Christentums, so Žižek, bestehe darin, dass es "möglich ist, die große Kette des Seins zu zerreißen, die Last der Vergangenheit zu suspendieren, die Stricke durchzuschneiden, die uns an unsere Taten der Vergangenheit fesseln". Faszinierend seien auch "jene Aussagen Christi", welche "die zirkuläre Logik der Rache oder Bestrafung durchbrechen" und in der Feindesliebe radikale Deeskalation propagieren: "Statt 'Auge um Auge, Zahn um Zahn!' heißt es nun:'Wenn jemand dir auf die rechte Wange schlägt, dann biete ihm auch die linke dar!'" Jesu Programm durchbreche "die zirkuläre Logik der Wiederherstellung des Gleichgewichts". Drittens aber stehe Jesus und gerade sein Tod für ein "Moment des Sich-Einreihens" Gottes in die Menschheit, für eine "finale Umkehrung, durch die die Gründungsausnahme (Gott)" unumkehrbar "in seine eigene Schöpfung integriert" werde. Das sei "vielleicht" das "Einzigartige am Christentum, am Geheimnis der Fleischwerdung, an Gott, der nicht nur als Mensch erscheint, sondern Mensch wird."

Man kann nicht davon ausgehen, dass ein historischer Materialist wie Žižek wirklich glaubt, dass Gott Mensch geworden ist vor 2000 Jahren. Das ändert nichts daran, dass er in zentralen Gehalten des Christentums ein kritisches Potenzial für das Leben im herrschenden Kapitalismus entdeckt: mindestens ein Hinweis für uns Christinnen und Christen.

Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz

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