Slowakei: Requiem für Christdemokraten

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Robert Ficos "Smer" wurde bei den Parlamentswahlen in der Slowakei zwar erneut stärkste Kraft - stürzte aber von 44 auf 28 Prozent ab. Kotlebas Rechtsextreme ziehen im Parlament ein, Ján Figels Christdemokraten fallen heraus, und die Bischöfe des Landes schweigen.

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Robert Ficos "Smer" wurde bei den Parlamentswahlen in der Slowakei zwar erneut stärkste Kraft - stürzte aber von 44 auf 28 Prozent ab. Kotlebas Rechtsextreme ziehen im Parlament ein, Ján Figels Christdemokraten fallen heraus, und die Bischöfe des Landes schweigen.

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"Die Bischöfe würdigen die aktive Teilnahme aller Bürger, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben und zur Wahl gegangen sind. Sie wünschen sich, dass die rechtmäßig gewählten Abgeordneten ihren Dienst im Parlament verantwortungsvoll und gewissenhaft für das Gemeinwohl aller Bewohner unserer Heimat ausüben. Sie werden sie mit Gebet und Ermunterung im Geist des Evangeliums begleiten." - Mit diesen Stehsätzen kommentiert die Slowakische Bischofskonferenz den Ausgang der Nationalratswahlen am Samstag, dem 5. März, bei denen kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Doch sie hat kräftig mitgemischt: Auf ihrer Vollversammlung drei Tage vor der Wahl lehnte sie es dezidiert ab, die Unterstützungserklärung dreier slowakischer Priester für Marian Kotlebas extrem minderheiten- und flüchtlingsfeindliche "Volkspartei Unsere Slowakei" zu kritisieren. Dies würde nur zu einer weiteren Verbreitung von deren Gedankengut führen; im Übrigen handle es sich nur um wenige Priester und die Meinungsfreiheit gelte für diese wie für alle Bürger.

Einer der drei Priester, Ján Kosiar, hatte landesweit Aufsehen erregt, als er in einem Solidaritätsgottesdienst für den abgesetzten Erzbischof Robert Bezák im Dom zu Trnava zum Gebet für dessen Bekehrung aufrief. Ignác Jurus, von 1996 bis 2001 Direktor des Pastoralamts der Militärdiözese, war 2007 von der damals mit Robert Ficos "Smer" koalierenden "Slowakischen Nationalpartei" (SNS) als Leiter des "Nationalen Gedenkinstituts" vorgeschlagen worden. Sein Bruder Gabriel Jurus ist derzeit Seelsorger für die Auslandsslowaken in Montreal.

Der einflussreichste Unterzeichner der Unterstützungserklärung für den Landeshauptmann von Banská Bystrica ist jedoch der Laie Teodor Krizka, Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift Kultura. Beim Begräbnis von Kardinal Ján Chryzostom Korec am 31. Oktober 2015 durfte er als persönlicher Freund des Verstorbenen als Letzter an dessen Sarg das Wort ergreifen. In der Gedenknummer publizierte er auf der Titelseite ein selbstverfasstes Huldigungsgedicht, in dem er Korec nicht nur mit den heiligen Kyrill und Method, sondern auch mit Jozef Tiso, dem Priesterpräsidenten des Slowakischen Staats von Hitlers Gnaden, in Verbindung bringt.

Krizkas zweiwöchentlich erscheinendes Periodikum ist ein Sammelbecken revisionistischer Kreise. Die Wählerschaft des Rabauken Marian Kotleba, den man fast nur im paramilitärisch-grünen Hemd kennt, rekrutiert sich zu mehr als der Hälfte aus Maturanten und zu einem Fünftel aus Hochschulabsolventen. Und während die "Nationalpartei" die älteste Wählerschaft anspricht, zieht die "Volkspartei" die jüngste an.

"Wir sind Familie" statt Familienpartei

Doch nicht nur "National-"und "Volkspartei" verfügen über christliche Wählersegmente und diesen entsprechende Kandidaten. Das zeigte sich bei dieser Wahl vor allem im Hinblick auf das "Referendum für die Familie" vom 7. Februar 2015. Einerseits war dieses infolge geringer Beteiligung katastrophal gescheitert, andererseits hatte es die katholische Kernschicht in beachtlichem Ausmaß mobilisiert, und auch die Entstehung einer neuen Partei mit den Kadern der "Allianz für die Familie" wurde erwogen. Man entschied sich jedoch für ein Splitting: In möglichst vielen Parteien sollten Aktivistinnen und Aktivisten der "Allianz" kandidieren. Und tatsächlich haben 22 jetzt gewählte Kandidaten in einer Handvoll Parteien eine Deklaration unterschrieben, in der sie sich zu einem präzis umschriebenen Abstimmungsverhalten verpflichten, ja in bestimmten Fällen sogar gegen internationale Verpflichtungen der Slowakischen Republik zu verstoßen. Markantestes Anliegen ist wie schon beim Referendum die Verhinderung der Homo-Ehe.

Möglicherweise hat die von der "Allianz für die Familie" eingeschlagene Taktik die "Christdemokratische Bewegung"(KDH) um jene paar tausend Stimmen gebracht, die ihr jetzt zum Einzug ins Einkammerparlament fehlten. Hätte nicht das "Netz" (Siet') dank vieler unschlüssiger Erstwähler die Fünf-Prozent-Hürde mit Müh und Not als achte und kleinste Fraktion übersprungen, säße im Parlament keine Partei aus dem christlichen Spektrum mehr. Was ist wohl schiefgegangen, dass Ján Figel's Familienpartei KDH Schiffbruch erlitten hat und stattdessen eine Partei "Wir sind Familie" reüssiert, deren Chef Boris Kollár sich dazu bekennt, neun Kinder von acht Frauen zu haben?

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