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Solovjev und der Protestantismus

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Von Ludolf Müller. Mit einem Anhang „V. S. Solovjev und das Judentum“. Nachwort von Wladimir Szylkarski: „Solovjev und die Una Sancta der Zukunft.“ Verlag Herder,

Freiburg 1951. 182 Seiten

Das Anliegen des Buches, das zum Teil einer Habilitationsschrift für die evangelischtheologische Fakultät in Marburg entnommen ist, geht insofern über den Titel hinaus, als nicht nur Solovjevs Verhältnis zum Protestantismus behandelt ist, sondern der Versuch gemacht wird, seinen Standpunkt innerhalb der christlichen Konfessionen überhaupt, sein „ökumenisches Bewußtsein“ zu ergründen. Die beiden Autoren des Buche6, der deutsche protestantische Theolog Müller und der katholische Altmeister der Solovjev-Forschung Szylkarski, derzeit Profe66or für das Geistesleben des slawischen Ostens an der Universität Bonn, sind über die Frage verschiedener Meinung, und die Vereinigung ihrer Auffassungen in einem Buch ist ein sympathischer Versuch, ein wissenschaftliches Streitgespräch auch dem Laien vorzuführen.

Müller gibt zunächst eine historisch-systematische Darstellung über Solovjevs „b e-wußtes Verhältnis zum Protestantismus, 6eine Auseinandersetzung mit ihm“ und dann über die protestantischen Einflüsse, unter denen der große Russe gestanden hati er sieht ihn dabei auf dem Weg von einer antirömischen, über eine universalkirchliche und eine anti-orthodoxe Epoche endlich bei einem Bekenntnis zur „Religion des Heiligen Geistes“ halten. Eine spezielle Untersuchung gilt Solovjevs Verhältnis zu Schelling. Solovjevs Haupteinwand gegen den Protestantismus sieht Müller in des Russen Kritik daran, daß im Protestantismus „die persönliche Meinung gegen die universale Bestimmung der Kirche, das Einzelne gegen das Ganze“ obsiegt. Der Protestantismus erwuchs, so argumentiere Solovjev, zwar aus einem sittlichen Motiv, aus dem „Protest des religiösen Gewissens gegen die Vergewaltigung durch die geistliche Macht“, er mußte aber scheitern, „weil er Tradition und geistliche Macht überhaupt verwarf“. Müller glaubt nun feststellen zu können, daß Solovjev das positive Grundprinzip des Protestantismus, die .geistliche Freiheit“,

6ich zu eigen gemacht und daß er, trotz seines heftigen Widerspruches gegen die Lehre von der Prädestination dem historischen Gesamtphänomen des Protestantismus doch voll Sympathie, zumindest aber mit unparteiischer Gerechtigkeit gegenübergestanden habe. Den religiösen Höhepunkt in Solovjevs Leben sieht Müller in der Periode der „Religion des Heiligen Geistes“, die folgendermaßen charakterisiert wird: „Das wahre und unverfälschte Christentum ist weder Dogma noch Hierarchie noch Gottedienst, noch Moral, sondern lebenschaffender Geist Chri6ti.“ „Solovjev war hinausgewachsen über die Grenzen der christlichen Konfession. Keine kann ihn deswegen ganz als den ihren beanspruchen.“ „Er ist ein Glied der ökumenischen Kirche der Zukunft.“

Gegen die6e Darstellung von Solovjev „Religion des Heiligen Geistes“ wendet sich nun im zweiten Teil des Buches Prof. Szylkarski, der Müller mangelnde Unterscheidung in der Terminologie Solovjevs vorwirft, etwa die unerlaubte Gleichsetzung der Worte „Lateinertum“. „Rom“, „Papsttum“, „Papis-mus“, und der die Meinung vertritt, daß Solovjev die begeisterte Bejahung der katholischen Kirche aus der mittleren Periode seine Lebens nicht geändert babe. Szylkarski führt als Beweis dafür die „Drei Gespräche', eines der letzten Werke Solovjevs, an, in dem der Staretz Johannes den Papst Petrus II. als Haupt der gesamten Kirche anerkennt und der Vertreter des Protestantismus sich ihm anschließt Diese Auffassung Szylkarskis also, „daß Solovjev aus innerster Uberzeugung der Papstkirche angehörte und ihr bis in den Tod treu geblieben sei“, scheint unter anderem auch durch die ausgezeichnete Untersuchung von Pater Heinrich Falk S. J., „Wladimir Solovjevs Stellung zur katholischen Kirche“ im Augustheft 1949 der „Stimmen der Zeit“ vertreten zu werden. — Im ganzen ist das Buch ein schönes Beispiel für ein ritterliches wissenschaftliches Gespräch.

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