Sommer des Missvergnügens

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Unerquickliche Dinge beherrschen die Innenpolitik. Noch unerquicklicher ist der Umgang der Regierung damit. Strategie kann man das nicht nennen, denn Strategie setzt irgendein Ziel voraus. Das aber ist nicht erkennbar.

„Bald wird der Sommer unsers Mißvergnügens / trostloser Herbst im fahlen Lichte Faymannprölls“

frei nach W. Shakespeare, Richard III.

Das Phänomen ist bekannt (und seinerzeit von Gerd Bacher eindrücklich beschrieben worden): Man kommt mit einigermaßen klarem Kopf aus dem Auslandsurlaub zurück (es muss gar nicht weit weg gewesen sein), und schon nach dem ersten flüchtigen Kontakt mit einem österreichischen Medium drückt einen die innenpolitische Nachrichtenlage bleischwer nieder. Von den Brecht’schen „Mühen der Ebene“ zu reden, wäre indes verfehlt, denn weder haben wir die „Mühen der Berge“ „hinter uns“, noch gibt es Aussicht auf lichte Höhen.

Wohin man blickt, das übliche Tarnen und Täuschen, das Spielen mit verdeckten Karten, das Werfen von Nebelgranaten. Man mag einwenden, dies sei immer schon und überall Element der Politik gewesen. Nun, es ließe sich manches davon als Strategie begreifen, wenn es den begründeten Verdacht gäbe, es existiere so etwas wie ein höheres Ziel. Aber will die österreichische Regierung eigentlich irgendetwas?

FamilienbürokratInnen

Stichwort Familienpolitik, ein notorisches ideologisches Kampffeld (siehe auch Seite 2): Die zuständigen Politikerinnen, Frauenministerin Heinisch-Hosek (SP) und Staatssekretärin Marek (VP), verkehren nur noch via Aussendung miteinander, die fast fertig ausgehandelte Neuregelung des Kindergeldes droht an Details zu scheitern. Derweil melden aber Experten massive Zweifel an, ob das überhaupt ein großer Schaden wäre. Christiane Rille-Pfeiffer vom Institut für Familienforschung kritisierte dieser Tage im Ö1-Morgenjournal die Ausweitung der schon bestehenden Modelle; damit werde die schon bestehende Unübersichtlichkeit vergrößert, zudem entspringe die vorgesehene einkommensabhängige Variante einer völlig anderen Logik, als die derzeitigen Modelle: Einkommensersatz versus Betreuungsentgelt.

Verstehen unsere Familien-, Frauen- und sonstigen Sozialbürokraten nicht, dass auch 17 weitere Kindergeld-Varianten nicht die Gebärfreudigkeit erhöhen werden, sondern dass es dafür eines fundamentalen gesellschaftlichen Bewusstseinswandels bedürfte? Eines Wandels im Wertgefüge, im Hinblick auf unser Verständnis von Freizeit und Arbeit und deren Verhältnis zueinander?

Stichwort Kapitalismuskritik: Wer einigermaßen behende die Begriffe „Spekulation“, „Casino“ und „zocken“ in ein paar grammatikalisch brauchbare Sätze verpacken kann, geht locker als scharfsichtiger ökonomischer Analytiker durch. Warum sagt eigentlich niemand, dass wirtschaftliches Handeln immer Spekulation ist, nämlich darauf abzielt, Gewinne zu machen? Dass dabei freilich in den letzten Jahren und Jahrzehnten ein paar Sicherungen durchgebrannt sind, ist mittlerweile auch jedem klar. Wenn es gelänge, einige international verbindliche Regeln aufzustellen, wäre viel gewonnen. Dennoch wird sich wohl der „gute“ vom „bösen“ Kapitalismus nie fein säuberlich trennen lassen.

„Verantwortung“ übernommen

In Österreich hat das Thema durch die bekannt gewordenen Anlageverluste der Bundesfinanzierungsagentur neue Nahrung erhalten. Das Ärgerliche an der Sache ist, wie die Bürgerinnen und Bürger (auch) in dieser Angelegenheit für blöd verkauft werden. Scheibchenweise hat die staunende Öffentlichkeit von der Veranlagung ihrer Gelder erfahren. Hartberg & Co., niederösterreichische Wohnbaugelder, jetzt eben der Bund. Natürlich war es keiner, weder Grasser noch Molterer (der aber gerne die „Verantwortung übernimmt“) – und der Bundeskanzler ist, erraten, gegen das „Zocken“ mit Steuergeldern. Warum stellt sich niemand hin und sagt, was Sache ist? Dass auch öffentliche Gelder veranlagt werden (müssen) – und dass dabei eben auch etwas schiefgehen kann? Oder dass man schwere Fehleinschätzungen begangen hat? Oder …?

Und jetzt haben wir noch gar nicht von Kasachstan gesprochen …

* rudolf.mitloehner@furche.at

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