Sommer und Herbst Der Drei PäPSte

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Montini -luciani -Wojtyła: Paul VI. starb, dann folgte eines der kürzesten Pontifikate, danach eines der längsten. - Wechselfälle der Kirchengeschichte in einem einzigen Jahr.

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Montini -luciani -Wojtyła: Paul VI. starb, dann folgte eines der kürzesten Pontifikate, danach eines der längsten. - Wechselfälle der Kirchengeschichte in einem einzigen Jahr.

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Was sich vor 40 Jahren ereignet hat, war mehr als ein historischer Zufall. ZweitotePäpste, zwei Konklaven, eines der kürzesten Pontifikate und der Beginn des zweitlängsten Pontifikats der Geschichte. Das alles noch im Nachklang des II. Vatikanums und der immer noch unbeantworteten Frage, ob die Intentionen dieses Konzils zur Erneuerung der Kirche führen oderdemWiderstandderrömischen Kurie zum Opfer fallen würden.

Auslöser war der Tod Pauls VI. am 6. August 1978. Ihm war zugute zu halten, dass er das Konzil nach dem Tod seines Vorgängers Johannes XXIII. weitergeführt und zu Ende gebracht hatte. Freilich fehlte ihm die angstfreie Offenheit eines Johannes. Das war kein Wunder -hatte er doch seit 1922 über 30 Jahre in verschiedenen Ämtern der Kurie und im unmittelbaren Dienst von Papst Pius XII. gearbeitet. Erst dann war er neun Jahre Erzbischof von Mailand, bis er 1963 zum Papst gewählt wurde. Gespalten zwischen dem Aufbruch des Konzils und seiner kurialen Erfahrung blieb er in vielem unentschieden. Nicht umsonst hatte sich Johannes XXIII. einmal nach ihm, dem Zauderer und Skrupulanten, mit den Worten erkundigt: "Wie geht es unserem Hamlet, dem Herrn Kardinal?"

Wo Paul VI. auf die Bremse trat

In zwei entscheidenden Fragen, die bis heute ungelöst sind, trat Paul VI. auf die Bremse. Schon während des Konzils fürchteten viele Bischöfe den zunehmenden Priestermangel und verlangten eine Debatte über den Zölibat. Der Papst ließ das nicht zu. Und als die von seinem Vorgänger eingesetzte Kommission mit großer Mehrheit beschloss, die Entscheidung über die Methoden der Empfängnisrege lung den Eheleuten zu überlassen, erinnerte sich Paul VI. offenbar an seine Zeit in der Kurie. Papst Pius XI. hatte 1930 in seiner Enzyklika "Casti connubii" alle "künstlichen" Mittel der Empfängnisverhütung verurteilt. Konnte sein Nachfolger fast 40 Jahre später dagegen Stellung nehmen? Dazu kam, dass das Minderheitenvotum der Kommission unter Führung des Polen Karol Wojtyła den Papst bedrängte. Das Ergebnis war die Enzyklika "Humanae vitae" von 1968. Mit dem Verbot "künstlicher" Empfängnisverhütung nahm die römische Autorität bleibenden Schaden und verdunkelte das Bild eines in anderer Hinsicht offenen Papstes.

Hätte der nächste gewählte Papst die Fehler seines Vorgängers korrigieren können? Darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Denn Johannes Paul I., gewählt am 26. August 1978, war nur 33 Tage im Amt, er starb schon in der Nacht vom 28. zum 29. September 1978. Aber seine davor liegende Tätigkeit als der Priester Albino Luciani, als Bischof und zuletzt als Patriarch von Venedig, lässt Schlüsse auf seine Absichten zu. Er kämpfte als Priester und Bischof für die Armen und gegen jede klerikale Überheblichkeit. Durch die Ablehnung aller Unterwürfigkeit ihm gegenüber war er ein Vorgänger von Papst Franziskus. Zudem legte er sich schon in Venedig mit dem Bankwesen an, das sich als katholisch bezeichnete. Er zog Guthaben von der Banca Cattolica Veneto ab, nachdem deren Aktien von der Vatikanbank übernommen worden waren und die Kreditzinsen erhöht wurden. Patriarch Luciani war gemeinsam mit den Bischöfen seiner Region zudem ein Kritiker von "Humanae vitae" und für die Mehrheitsentscheidung der Kommission eingetreten.

Mutmaßungen zu Johannes Paul I.

Was hätte aus diesem Papst noch werden können? Er war ein Bespiel dafür, wie Herkunft und Vorleben eines Papstes in einem autokratischen System die Politik bestimmen. Montini, Papst Paul VI., stammte aus gutgestellten bürgerlichen Verhältnissen. Sein kurzzeitiger Nachfolger war ein Kind der Armut. Der eine konnte kein wirklicher Gegner des gewinnorientierten Bankwesens sein, hatte aber die bürgerliche Offenheit für Andersdenkende. Im Epilog zum Konzil am 8. Dezember 1965 sagte er: "Für die katholische Kirche ist niemand fremd, niemand ausgeschlossen, niemand fern." Luciani war nicht weniger offen, aber konzentriert auf unmittelbare Begegnungen und Hilfeleistungen; auch ist es fraglich, ob er die Tradition der internationalen Reisen und vielbeachteten politischen Reden seines Vorgängers fortgeführt hätte. Jedenfalls schaffte er in seinen Reden und Texten den plural majestatis ab, den sein Vorgänger noch gepflegt hatte.

Um den frühen Tod des Papstes rankten sich sofort Verschwörungstheorien. Eine Obduktion wurde verweigert, so dass die Möglichkeit eines Giftmordes nicht ausgeschlossen werden konnte. Das entschiedene Vorgehen des Papstes als Patriarch von Venedig gegen unseriöse Bankgeschäfte weckte Befürchtungen bei den Herren der Vatikanbank. Es gab also Motive, diesen vermutlich lästigen Papst zu beseitigen; Beweise dafür gibt es freilich bis heute nicht. Die vatikanischen Bürokratie war in dubiose finanzielle Vorgänge verwickelt und veranlasste den Papst, die Umbesetzung wichtiger Posten zu planen. Bei seinem plötzlichen Tod war die Reorganisation noch nicht definitiv durchgeführt. Sollte es also eine Verschwörung gegen den Papst gegeben haben, so hatte sie im richtigen Augenblick ihr Ziel erreicht.

Das zweite Konklave des Jahres 1978 setze den polnischen Kardinal Karol Wojtyła an die Spitze. Es war offensichtlich, dass die Gruppe jener zusammengeschrumpft war, die die angefangene Politik des früh verstorbenen Vorgängers fortsetzen wollten, und ihn deshalb nur ein Monat zuvor gewählt hatten. Erstmals keinen Italiener, sondern einen Mann aus dem Ostblock zu wählen, war eine Sensation. Seine Erfahrungen hatte er aus dem Widerstand gegen politische Diktaturen gewonnen. In Polen hatte er gelernt, dass nur eine völlig geeinte Kirche den gewalttätigen rechten und linken Atheismen der Nazis und der Kommunisten Widerstand leisten konnte. Abweichende Meinungen innerhalb der Kirche duldete er deshalb nicht, während er zugleich nach außen in nie dagewesener Weise offen auftrat. Er führte die Tradition Pauls VI. fort, indem er wie ein Pfarrer der ganzen Welt international unterwegs war. Er war der erste Papst, der die römische Synagoge besuchte und die große Moschee von Damaskus betrat. Er inszenierte 1986 das Gebet der Religionen in Assisi, das ihm scharfe Kritik von fundamentalistischen Kirchenkreisen eintrug.

Als Johannes Paul II. war er in den 26 Jahren seines Pontifikats ein Verteidiger des römischen Zentralismus. Mit seinen Bischofsernennungen, die bis heute nachwirken, entmündigte er die Diözesen und versuchte, überall Statthalter Roms einzusetzen. Die Ergebnisse des Konzils wurden in den Hintergrund geschoben. Der polnische Papst bekräftigte in eigenen Schreiben die Lehre von "Humanae vitae"; und die Diskussion über Frauen in kirchlichen Ämtern wurde ein für alle Mal abgewürgt.

Linien päpstlicher Amtsführung

Das Drei-Päpste-Jahr 1978 zeigte in gedrängter Zeit die zwei großen Linien päpstlicher Amtsführung. Die Linie von Johannes XXIII. über Johannes Paul I. zum heutigen Papst Franziskus wird laufend durch die Linie von Pius XII. über Paul VI. zu Johannes Paul II. und Benedikt XVI. konkurrenziert. Auch Franziskus ist unter die Wölfe geraten, wie der Vatikanist Marco Politi sein kritisches Buch nannte. Als Katholik ohne vatikanische Verantwortung kann man sich die römischen Hofintrigen gelassen ansehen. Was es heißt, christlich zu leben, entscheidet sich zum Glück nicht in den geheimen Wahlen des Konklave.

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