Sondervotum alS Signal

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Die Bioethikkommissi on beim Bundeskanzleramt muss man wohl als Spiegelbild der Gesellschaft betrachten. Demnach ließe sich hier in nuce erkennen, welche Bedeutung bestimmten Werthaltungen im gesamtgesellschaftlichen Maßstab zukommt. Wenn das stimmt, muss man ganz nüchtern festhalten, dass jedenfalls in den der Bioethikkommission zuzuordnenden Themenkomplexen die im Wortsinn konservativen, also bewahrenden und daher gegenüber Entgrenzungen skeptischen bis ablehnenden Positionen ein klares Minderheitenprogramm darstellen.

Es sind grosso modo bei jeder Stellungnahme der Kommission die "üblichen Verdächtigen", welche - großteils aus katholischer Prägung und Überzeugung heraus -für ein Sondervotum, also eine von der Mehrheit abweichende Meinung, eintreten.

So auch bei den jüngsten, letzte Woche abgegebenen Empfehlungen zum Thema "Sterben in Würde". Zwei Drittel (16) hielten es für "angebracht, für Angehörige und persönlich nahestehende Personen eine Straflosigkeit vorzusehen, wenn sie einer an einer unheilbaren, zum Tode führenden Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leidenden Person beim Suizid Hilfe leisten" und plädierten darüberhinaus für eine Entkriminalisierung der "Hilfeleistung durch Ärzte beim Suizid in bestimmten Fällen". Acht Kommissionsmitglieder hielten dagegen. Sie wollen keine Änderung des einschlägigen Paragraphen (§ 78 StGB), weil sie eine fatale Signalwirkung befürchten: "dass es sich bei der Suizidbeihilfe um einen Normalfall der Sterbebegleitung handelt".

Wer meint, davon könne keine Rede sein, möge kurz nachdenken, was heute alles als "Normalfall" gilt, von dem man uns seinerzeit versichert hat, es werde nur in besonderen Not-und Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Zurecht weisen die Sondervotanten und, jawohl, -votantinnen auch auf die zwangsläufigen "Randunschärfen" der Ausnahmetatbestände hin: Was heißt schon "begrenzte Lebenserwartung" oder "ernsthaftes Verlangen"?

Notwendige Fragen und Feststellungen, auch wenn sie nicht mehrheitsfähig sind.

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