"Sorge, dass wir bald nicht mehr da sind"

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"Die Lage im Irak bessert sich, Mitglieder der Regierung sowie der Sprecher des Parlaments sind Christen gegenüber offen." Diese durchaus hoffnungsvolle Einschätzung äußerte Kardinal Louis Sako, chaldäisch-katholischer Patriarch von Bagdad, bei einer Begegnung mit Journalisten in Wien. Sako war gemeinsam mit zwei anderen Würdenträgern der ostsyrischen Kirchenfamilie nach Wien gekommen, um Kardinal Christoph Schönborn und Bundeskanzler Sebastian Kurz über die Lage der Christen in ihren Ländern zu berichten.

Neben Sako gehörten der in Damaskus residierende Patriarch der syrisch-orthodoxen Kirche, Ignatius Aphrem II., sowie der aus Beirut kommende syrisch-katholische Patriarch Ignatius Yousef III. Younan der Delegation an. Patriarch Aphrem betonte, dass die ostsyrischen Christen zu den Einheimischen gehören, er habe aber die Sorge, "dass wir bald nicht mehr da sein werden". Sein syrisch-katholischer Mitbruder pflichtete dem bei: Für Christen in Nahost seien die Zeiten hart, die Gläubigen befänden sich in einer kritischen und besorgniserregenden Situation, meinte Patriarch Younan.

Zwei Herausforderungen benannte Kardinal Sako als vordringlich: Es gelte zum einen gegen die extremistische Ideologie des politischen Islam anzukämpfen, denn diese drohe zum Bestandteil der Kultur in seinem Land zu werden. Wenn das geschehe, seien aber nicht nur die Christen im Irak gefährdet, sondern auch die friedliebenden Muslime. Sako forderte vom Westen, auf seine Regierung Druck auszuüben, damit die Situation nicht schlimmer werde, und auch die Muslime in Europa sollten auf ihre Glaubensbrüder im Irak einwirken.

Die zweite Herausforderung für Sako ist die Erhaltung der Präsenz der Christen in seinem Land. "Unsere Anwesenheit hilft den Muslimen, offener zu werden", so der Kardinal von Bagdad.

Die beiden anderen Patriarchen pflichteten dem bei. Die westliche Politik interessiere sich nicht für die Christen, so der Befund von Patriarch Aphrem: "Wir Christen werden vom Westen nicht verstanden." Aber die Christen wollten in Frieden leben - auch mit den muslimischen Nachbarn. Sowohl Aphrem als auch Younan wiesen darauf hin, dass in Syrien zurzeit für westliche Demokratie wenig Chancen bestehe, beide plädierten für ein säkulares Staatssystem, denn ein islamisches bedrohe eben die Christen in der Region, die schon Jahrhunderte vor dem Islam hier gelebt hätten.

Kardinal Sako berichtete von den Aufbauarbeiten in der nordirakischen Metropole Mossul, die vor mehr als einem Jahr von der irakischen Armee befreit wurde. Etwa 100 christliche Familien leben wieder in der Stadt, der Islamische Staat hatte alle Christen aus Mossul vertrieben. Dazu kommen noch, so Sako, etwa 3000 Studenten der christlichen Universität. Vor der Eroberung Mossuls durch den IS 2014 hätten 35.000 Christen in der Stadt gelebt. In der St. Paulskirche in West-Mossul können die Christen - wie schon 2017 -auch heuer ihren Weihnachtsgottesdienst feiern.

Bei der Begegnung mit den Patriarchen kamen auch die geplanten Reisen von Papst Franziskus nach Marokko und Abu Dhabi zur Sprache. Patriarch Younan äußerte die Hoffnung, dass diese Reisen nicht politisch vereinnahmt werden. Kardinal Sako erzählte, der Papst habe ihm gesagt: "Wenn ihr mich braucht, werde ich kommen." Und die Christen im Irak würden den Papst brauchen -deshalb hoffe er auf eine Papstreise auch in sein Land.

Zur Lage in Syrien befragt meinte Patriarch Aphrem, der in Damaskus residiert: Das syrische Regime sei nicht das beste in der Region, aber es gebe noch viel schlechtere. Das Regime müsse sich reformieren, "aber nicht mit unserem Blut!", so Aphrem weiter. Es gehe um Bürgerrechte und Würde für alle Menschen.

Der syrisch-orthodoxe Patriarch unterstrich auch, dass finanzielle Mittel nötig sind -so sei in Damaskus eine syrischorthodoxe Universität eröffnet worden. Aphrem: "Gerade wenn wir weniger werden brauchen wir solch eine Institution, um dauerhaft verankert bleiben zu können."

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