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Soziologie der Pfarre

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Wege zur Unteriuchung. Von Norbert Greinaehtr. Alsatia-Verlag, Colmar-Freiburj. 310 Seiten, mit zahlreichen Plänen und Diagrammen. Preii 16.80 DM

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Wege zur Unteriuchung. Von Norbert Greinaehtr. Alsatia-Verlag, Colmar-Freiburj. 310 Seiten, mit zahlreichen Plänen und Diagrammen. Preii 16.80 DM

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Man kann wohl sagen, daß in unserem Jahrhundert die Pfarre neu entdeckt wurde. Die Teilung übergroßer Pfarreien schuf Sprengel, die seelsorglich wirksam betreut werden können, die Pfarrseelsorge wurde durch Seelsorgehelfer, durch religiöse Runden und Pfarrgruppen intensiviert, die Organisation der Pfarren verbessert. Die volksliturgische Bewegung führte zu einem neuen dogmatischen Bild von der Pfarre als lebendiger Zelle im Corpus Christi mysti-cum, als Altar- und Gnadengemeinschaft. Demgegenüber wurde aber bisher der soziale Gesichtspunkt meist ungebührlich vernachlässigt. „Die Pfarr-gemeinde ist eine Gruppe von Menschen, die im Raum und in der Zeit lebt und als solche Körperschaft genau denselben Einflüssen unterliegt und denselben Gesetzen gehorcht wie jede andere menschliche Gruppe.“ (S. 25.) Die sozialen Bindungen de Menschen sind natürliche Gegebenheiten, mit denen die Seelsorge zu rechnen hat. Sie rechnet auch tatsächlich nicht nur mit dem Indjviduum, sondern der Seelsorger spricht meist bestimmte Gruppen an (wie es übrigens schon der Herr und St. Paulus taten). Wird seine Arbeit aber nicht zum großen Teil vergeblich sein, wenn er diese Gruppen, ihre Umwelt und die Einflüsse, denen sie ausgesetzt sind, zuwenig kennt? Au dieser Erkenntnis ist in den letzten Jahrzehnten die „Religionssoziologie“ als eigene Wissenschaft entstanden. In Belgien, Holland und vor allem in Frankreich, wo die missionarische Seeliorge zu derartigen Untersuchungen drangt, ist ie bereits weit vorgeschritten. (In mehreren Diözesen Frankreichs wurden religionssoziologische Untersuchungen der Pfarreien vorgeschrieben!) In Wien besteht seit einiger Zeit eine Außenstelle des holländischen Instituts, das „Katholische Institut für kirchliche Sozialforschung“ (IX., Boltzmanngasse 14), das eine Studie über den österreichischen Priesternachwuchs veröffentlichte.

Welcher Seelsorger kennt wirklich seine Pfarrgemeinde ganz genau? Selbst wer sie gut zu kennen glaubt, wäre wahrscheinlich über die Ergebnisse einer religionssoziologischen Untersuchung seines Sprengeis verblüfft. Tatsächlich geht die Seelsorge sehr oft an der lebendigen Wirklichkeit vorbei. Das Buch von Greinacher bringt das Beispiel eines solchen verblüffenden Untersuchungsergebnisses über die Zweckmäßigkeit der Gottesdienstzeiten (S. 49), das bei uns wahrscheinlich ähnlich ausfiele wie in Frankreich. Die Religionssoziologie vermag die echten religiösen Bedürfnisse und Nöte der Gemeinde zu enthüllen und lenkt so den Seelsorger zu fruchtbarer Tätigkeit, indem sie ihm zugleich nutzlose Kräftevergeudung erspart. Ebenso kann der auf einen Seelsorgeposten neu versetzte Priester großen Gewinn aus einem derartigen, bereits vorliegenden Untersuchungsergebnis ziehen. Ei erleichtert ihm die Anpassung und erspart mühsames Experimentieren. Die Planung neuer Kirchenbauten und Errichtung neuer Pfarreien wird sich ebenfalls auf religionssoziologische Untersuchungen stützen müssen.

Das vorliegende Buch legt Rechenschaft ab über die Entwicklung und die bisherigen Leistungen der Religionssoziologie und gibt vor allem Ratschläge für die Durchführung derartiger Untersuchungen. Seinen Kern bilden die vorzüglichen Arbeitspläne. Es ist ein echtes Werkbucb, entstanden aus gründlichen Studien und reicher praktischer Erfahrung des Verfassers. In vielen Beispielen und konkreten Vorschlägen weist er die Wege zu religionssoziologischer Untersuchung der Pfarreien. Es ist zu hoffen, daß auch in Oesterreich aufgeschlossene und verantwortungsbewußte Seelsorger bald diese Wege beschreiten mögen!

Friedrich Spee und die Hexenprozesse. Die Stellung und Bedeutung der Cautio criminalis. Von Hugo Z w e t s 1 o o t. Paulinus-Verlag, Trief. 345 Seiten.

Diese in deutscher Sprache erschienene Veröffentlichung des holländischen Jesuiten Zwctsloot hat sich die Erforschung eines Teilgebietes der Hexen-prozesse zum Gegenstand gemacht. Die Gestalt Friedrich Spees als Mittelpunkt der Untersuchung darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses Kapitel menschlicher Irrungen über den enggezogenen Rahmen des Titels vor Unseren Augen ersteht.

Vom Codex Justinianus wird die Linie über den frühmittelalterlichen Hexenglauben bis zur Entstehung des „Hexenhammers“ und der entscheidenden Bulle Innozenz' VIII. (1484) weitergeführt. Nach dieser Einleitung entwickelt Zwetsloot sowohl das Bild des Verfassers der Cautio als auch den Inhalt des Werkes. Dabei zeigt Zwetsloot in den Ausblicken auf geschichtliche und theologische Zusammenhänge Belesenheit und kritischen Sinn. Er stellt die Frage nach den Verantwortlichen und nennt neben den weltlichen Fürsten und ihren Ratgebern auch die Beichtväter und Prediger, die vom Hexenwahn umfangen waren. Einen breiten Rahmen nimmt die Darstellung der prozessualen Einzelheiten, der Denunziation, der Wertung von Indizien und der Anwendung der Folter ein.

Schließlich zeigt der Verfasser die Auswirkungen der Cautio auf, erwähnt jedoch, daß die von Spee gemachten Erfahrungen auch in anderen Quellen aufscheinen. So heißt es dann in der römischen Instruktion vom Jahre 1657, die römische Kongregation der heiligen Inquisition habe schon lange Zeit in Erfahrung gebracht, daß kaum je ein Hexenprozeß nach Recht und Gesetz geführt worden sei. Zwctsloot erwähnt auch das Verdienst eines Mannes wie Christian Thomasius und seines Schülers Johann Reiche, die Spees Gedanken zu neuem Leben erweckten, als die Zeit für sie reif geworden war.

Wohltuend ist die strenge Sachlichkeit des Verfassers, der auf apologetische Untertöne verzichtet. Das Phänomen der Hexenprozesse führt er auf einen Massenwahn zurück, der zur Ignorierung des Teufels dort führte, wo er tatsächlich seine Tätigkeit entfaltete. „Die Selbstgerechtigkeit der Hexeninquisitoren, ihr fanatischer Haß, ihre Blindheit für das Unrecht, das sie taten, sind typisch die Folgen ihrer satanischen Besessenheit. — Das war also die Rolle des Teufels in den Hexenprozessen“ (S. 307).

Diese LIntersuchung, die Zwetsloot den Kämpfern des 17. Juni 195 3 widmet, kann zweifellos als ein Standardwerk angesehen werden, das einen wesentlichen Beitrag zur Kenntnis des Hexenwahns leistet. Univ.-Doz. DDr. Alexander D o r d e 11

Johann Jakob von Tschudi — Forscher, Arzt, Diplomat. Von Paul-Emile Schazmann. Verlag Mensch und Arbeit, Zürich. 198 Seiten mit 19 Bildtafeln.

Unter den zahlreichen Vertretern des Schweizer Volkes, die sich in der Fremde durch ihre Unternehmungslust, ihren Fleiß und die Gründlichkeit ihrer Arbeit einen guten Namen und eine angesehene Stellung erworben haben, nimmt die Gestalt Johann Jakob von Tschudis einen besonderen Rang ein. „feinen der größten Auslandsschweizer“, nennt ihn der Verfasser dieser auf sorgfältiges Quellenstudium gestützten biographischen Studie, und sicherlich mit Recht; denn was Tschudi geleistet hat, schon mit zwanzig Jahren als Naturforscher und Philologe bei den Indianern Südamerikas, später als Arzt, Archäologe, Politiker, Schriftsteller, Diplomat, Landwirt und zwischendurch wieder als Forschungsreisender, ohne dabei die Schlichtheit zu verlieren, mit ■ der er als warmfühlender Mensch seine Pflichten gegenüber den Mitmenschen auffaßte und erfüllte, all das ist in der Tat erstaunlich. Der hier geschilderte Lebenslauf dieses ungewöhnlichen Mannes, der bekanntlich in Oesterreich seine zweite Heimat gefunden hat und ein reiches Feld der Betätigung, sollte auch hierzulande einem weitverbreiteten Interesse begegnen.

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